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Expertin verrät: Darum ist es so schwer, kein Arschloch zu sein

Anja Niekerken: Eine arrogante junge Frau schaut einen Mann böse an
© Iakov Filimonov / Shutterstock
Die meisten Menschen bemühen sich zwar sehr, möglichst lieb und nett zu sein – doch leider steckt in uns allen ein Arschloch, so die Autorin Anja Niekerken. Warum und wie wir damit umgehen können, liest du hier.

Nicht erst seit Corona scheint es mit der Menschlichkeit den Bach runter zu gehen. In Amerika wurde vor Jahren ein Präsident gewählt, der von einer altruistischen Weltanschauung so weit entfernt ist wie meine Oma vom Bungeejumping … Und jetzt streiten sich auch noch Menschen in Deutschland ernsthaft um ein paar Rollen Klopapier … Wir scheinen nicht nur Coronaalarm zu haben. Wir haben auch noch Arschlochalarm …

Eines ist schon mal sicher: in Krisen werden wir eine konzentriertere Version unserer Selbst. Das kann besser oder schlechter sein. Je nachdem, wie wir grundsätzlich psychisch so aufgestellt sind. Um das festzustellen, braucht es im Grunde keine weltweite Pandemie. Da reicht schon die Teilnahme am normalen Straßenverkehr vollkommen aus und wir mutieren zu Vollidioten und Oberarschlöchern. Je nach Automarke haben wir dann die Vorfahrt eingebaut oder unseren Führerschein im Lotto gewonnen. Nicht umsonst weiß jeder genau, welche Geste gemeint ist, wenn vom Autofahrergruß die Rede ist.

Aber nicht nur auf den Straßen sind wir zum Nahkampf bereit. Wer in Großstädten zu den Stoßzeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, weiß, das ist kein Spaß. Da werden Kinderwagen und Gehhilfen aktiv eingesetzt, um sich selbst Platz zu verschaffen. Ein respektvoller Umgang miteinander sieht wahrlich anders aus. Dabei würde wohl kaum ein Mensch von sich behaupten respektlos zu sein. Ich habe zumindest noch nie jemanden getroffen, der von sich behauptet hat: "Klar, ich bin total respektlos und finde das super!"

Das Problem mit der Selbstwahrnehmung

Selbst Donald Trump ist nicht der Meinung respektlos zu sein. Erstaunlich, gibt es doch jede Menge Beweise, die das Gegenteil dokumentieren. Es muss also etwas mit unserer Selbstwahrnehmung zu tun haben. Selbst wenn wir noch so kritikfähig sind, unsere Psyche ist zunächst einmal darauf ausgelegt, unser Selbstbild positiv und stabil zu halten. Eine Grundvoraussetzung für geistige Gesundheit. Das heißt, wir haben alle ein Bild von uns Selbst. Dabei ist uns bis zu einem gewissen Punkt bewusst, dass es einen Unterschied zwischen "So bin ich" und "So wäre ich gern" gibt. Tatsächlich sehen wir uns mehr so, wie wir gern wären und blenden dazu ein paar Dinge aus der "So bin ich"-Realität aus.

Beispielsweise sehen wir uns in der Regel als umweltbewusste Menschen. Und wir tun auch einiges für die Umwelt. Das stimmt aber nur zu einem gewissen Teil. Denn wenn wir mal ganz ehrlich sind, fahren die meisten von uns Auto, nutzen den Flieger und kaufen tierische Lebensmittel im Supermarkt oder Discounter. Dabei wissen wir ganz genau, dass all das zu den top Umweltsünden gehört. Meistens begehen wir sie sogar täglich … Um jetzt aber nicht verrückt zu werden, denn in unserer komplexen Welt sind viele Dinge nicht so einfach, beschupst unsere Psyche uns. Wir rechtfertigen bestimmte Handlungen oder blenden sie komplett aus. Ein vollkommen normaler Vorgang, der uns bei unserem alltäglichen Psychoputz nicht auffällt. Zumindest nicht bei uns selbst. Bei anderen fällt er uns eher auf.

Bei Donald Trump zum Beispiel … Wie kann der Mann etablierte Journalisten als Fake News Produzenten diskreditieren? Was wäre denn für ihn die Alternative? Zugeben, dass er unrecht hat und dazu noch ein Vollhorst ist? Da ist es wesentlich leichter, den Fehler im Außen zu suchen … Bitte nicht falsch verstehen: Ich halte Donald Trump keinesfalls nur für ein Opfer seiner Psychohygiene. Das Beispiel passt einfach nur sehr gut.

Sympathische Frau

Arschlochfalle Confirmation Bias

Unser Selbstbildschutzmechanismus ist aber nicht die einzige Arschlochfalle, in die wir immer mal wieder tappen. Eine weitere ist die sogenannte Bestätigungstendenz oder auch Confirmation Bias genannt. Übrigens der Lieblingsdenkfehler aller Verschwörungstheoretiker. Dieser Denkfehler beschreibt unsere menschliche Neigung unsere vorgefasste Meinung immer wieder zu bestätigen. Das heißt, wir suchen grundsätzlich nicht Argumente die unsere Meinungen und Ansichten widerlegen. Wir suchen grundsätzlich nach Bestätigung. Im ersten Moment scheint das gar nicht so dramatisch, aber auf den zweiten Blick offenbart sich die Hybris dieses Fehlers. Wir sind nämlich nicht bereit, neue Informationen, die nicht in unser vorgefertigtes Weltbild passen anzuerkennen. Im Gegenteil! Wir werten solche Informationen ab und versuchen sie zu widerlegen. Mit anderen Worten, wir glauben tendenziell nur das, was wir auch glauben wollen. Das ist leider nicht nur bei Donald Trump so …

Dieser Fehler in unserem Psychosystem gehört zu den sogenannten Heuristiken. Im Grunde handelt es sich um Denkabkürzungen, die in der Regel auch sehr gut funktionieren. Manchmal aber eben auch nicht …

Das kannst du deinem inneren Arschloch entgegensetzen

Was aber nun tun, um selbst nicht andauernd zum Arschloch zu mutieren? Wichtig ist vor allem, sich seiner kleinen und auch großen Schwächen bewusst zu sein. Wir müssen uns ja nicht auf den Marktplatz stellen und sie lauthals heraus posaunen. Es reicht vollkommen aus, selbst mit ihnen Frieden zu schließen. Ein liebevoller Blick auf die eigenen Fehler lässt uns mit den Fehlern anderer Menschen viel entspannter umgehen. Und den täglichen Nervkram nicht allzu ernst zu nehmen ist auch eine ganz passable Idee. Denn mal ehrlich, wie wichtig ist es tatsächlich, wenn wir uns an der Supermarktkasse über den trödelnden Rentner oder den drängelnden Youngster aufregen? Das ist doch nach 10 Minuten Schnee von gestern. Ein wenig heitere Gelassenheit steht uns auf jeden Fall gut zu Gesicht.

Du möchtest mehr über dein inneres Arschloch erfahren? In ihrem Buch "Die Kunst, kein Arschloch zu sein – Gelassen bleiben, wenn andere durchdrehen" verrät Leadership Coach Anja Niekerken, wo die Arschlochfallen im Alltag lauern und mit welchen Tricks wir ganz leicht auf die Arschlochbremse treten können.

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