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Alltagsmacken: Was dahinter steckt

Alltagsmacken: blonde Frau
© Skolkokrasok / Shutterstock
Mal ehrlich: So einen kleinen (oder größeren) Psycho-Tick hat doch jede/-r. Stefanie Stahl weiß, was dahintersteckt. Und? Entdecken Sie sich irgendwo wieder?

"Wenn Tiere im Raum sind, kann ich nicht essen."

Leandra, 32 Jahre

Ich bekomme in Anwesenheit von Tieren keinen Bissen herunter. Wenn meine beste Freundin zum Beispiel etwas Leckeres kocht und ihre Katze ist in der Küche, kann ich nicht zulangen. Sie sperrt sie dann, leicht genervt, in ein anderes Zimmer. Auch wenn ich ins Café gehe und dort unter einem Tisch einen Hund liegen sehe, bestelle ich mir keinen Kuchen, weil ich den sowieso nicht essen könnte.

Stefanie Stahl weiß, was dahintersteckt: Sie fühlt sich innerlich angreifbar.

Ich vermute, Leandra hat ein großes Bedürfnis nach Sauberkeit, das eventuell sogar in eine zwanghafte Richtung gehen könnte. Dass die Katze der Freundin weggesperrt werden muss, zeigt: Leandra braucht unheimlich viel Kontrolle über die hygienischen Verhältnisse. Und sie fühlt sich erst sicher, wenn sie diese hat. So ein Verhalten hat oft etwas damit zu tun, dass man sich innerlich angreifbar fühlt. Das Problem liegt also eigentlich in ihr selbst, aber sie überträgt es auf die Außenwelt. Die Bakterien stehen symbolhaft für Angreifende, die ihr Schaden zufügen wollen. Bakterien kann man jedoch besser bekämpfen als die diffusen Ängste im Inneren. Es handelt sich also um eine typische Projektion psychischer Vorgänge auf das Außen.

Das hilft: Leandra könnte daran arbeiten, ein höheres Vertrauen, eine Art Gottvertrauen zu entwickeln. Dafür muss sie sich klarmachen: Ich kann mich auf meinen Körper verlassen, er hat die Stärke, Bakterien abzuwehren. Zusätzlich sollte sie sich eingestehen, dass sie nicht alles kontrollieren kann. Ich empfehle ihr, sich ganz langsam heranzutasten. Zum Beispiel, indem die Katze der Freundin beim nächsten Essen frei herumläuft. Leandra sollte versuchen, das auszuhalten. Die Katze muss ja nicht auf dem Tisch oder ihrem Schoß sitzen – nur im Raum sein. Dabei sollte Leandra interessiert in sich nachforschen, wie sich das anfühlt. Zudem kann sie sich mit ihrer inneren Verletzbarkeit beschäftigen und daran arbeiten, ein stabileres Selbstwertgefühl zu entwickeln.

"Ich setze meinem Sohn keine Grenzen."

Mark, 47 Jahre

Ich bin seit drei Jahren getrennt und habe eine neue Freundin. Mein Sohn ist 14 und lebt bei seiner Mutter. Wenn er bei mir ist, will ich, dass er sich wohlfühlt, er darf zocken und hat viel Freiraum. Seine Klamotten liegen rum, er räumt seinen Teller nicht weg und nimmt wenig Rücksicht – und das stört meine Freundin, wir kriegen langsam Streit deswegen.

Stefanie Stahl weiß, was dahintersteckt: Das schlechte Gewissen macht sich bemerkbar.

Mark hadert vermutlich damit, dass er es nicht geschafft hat, seinem Sohn eine heile Familie zu bieten. Weil er ein schlechtes Gewissen hat, lässt er dem Jungen alles durchgehen – so will er sich bei ihm beliebt machen, zum Super-Dad werden. Das ist nicht nur aus erzieherischer Sicht falsch, sondern auch der leiblichen Mutter gegenüber nicht fair, weil sie die ganze Erziehungsarbeit allein leisten muss. Seine Freundin regt sich zu Recht auf. Sie sind in einer Beziehung, da kann sie auch gewisse Ansprüche an ihr gemeinsames Zusammenleben stellen.

Das hilft: Mark sollte die Erziehungsarbeit nachholen, die er bisher versäumt hat. Auch für das Liebesglück mit seiner Freundin ist das enorm wichtig. Doch bevor er seinem Sohn Grenzen setzt, sollte er sich ihm erklären. Schließlich muss der Junge verstehen, warum er früher alles tun und lassen durfte und jetzt nicht mehr. Mark könnte konkrete Regeln für das Zusammenleben aufstellen – und diese konsequent bei seinem Sohn durchsetzen. Kann natürlich sein, dass der dann erst mal rebelliert. Je nachdem, wie gut Marks Verhältnis zu seiner Ex ist, könnte er sie mit ins Boot holen. Bei der Erziehungsarbeit hilft es ungemein, wenn beide Elternteile an einem Strang ziehen.

"Beim Friseur lüge ich ständig."

Elisabeth, 37 Jahre

Wenn mich eine Friseurin beim Haareschneiden etwas Persönliches fragt wie: "Was arbeitest du?" oder "Wohnst du in der Nähe?", sage ich nie die Wahrheit. Ich finde, es geht sie nichts an. Weshalb ich mir ständig neue Salons suchen muss – wo ich geflunkert habe, gehe ich nicht noch mal hin, aus Angst, mich in Lügen zu verstricken. Deshalb hoffe ich immer, dass wir nur übers Wetter, Promis oder Filme reden.

Haarige Sache: Wenn die Friseurin Sachen wissen will, die man nicht beantworten mag. Wichtig ist aber die Frage nach dem Warum.

Stefanie Stahl weiß, was dahintersteckt: Wer sich abgrenzt, hat oft Minderwertigkeitsgefühle.

Elisabeth scheint ein hohes Abgrenzungsbedürfnis zu empfinden. Was ich ungewöhnlich finde: dass es sich sogar auf den Besuch beim Friseursalon ausweitet. Denn dort zeigt jemand einfach ein höfliches Interesse an ihrer Person, stellt relativ harmlose Fragen, und sie denkt: "Das hat dich nicht zu interessieren!" Ich glaube, sie hat generell in ihrem Leben ein großes Problem mit Abgrenzung. Dahinter verbergen sich oft Minderwertigkeitsgefühle. Vielleicht findet sie ihren Beruf nicht besonders toll oder würde lieber in einer angesagteren Gegend wohnen und hat deswegen Schamgefühle.

Das hilft: Elisabeth sollte mehr an der Wurzel des Problems, ihrem Selbstwertgefühl, arbeiten, anstatt es auf den oder die Friseur/-in zu projizieren. Dafür kann es helfen, wenn sie sich mal fragt: Was ist eigentlich meine Meinung von mir? Aus welcher Ecke meines Inneren kommt dieses hohe Abschirmungsbedürfnis? Da könnte sie ein bisschen tiefer graben und nach inneren Glaubenssätzen schauen, wie "Ich genüge nicht" oder "Ich bin nicht okay" Im weiteren Schritt sollte sie lernen, zu sich zu stehen. Für den nächsten Friseurbesuch rate ich ihr deshalb, Fragen ehrlich zu beantworten. Und wenn es ihr dann doch zu privat wird, hat sie immer noch die Möglichkeit, dem Friseur oder der Friseurin freundlich zu sagen: Heute habe ich keine Lust zu reden.

"Er montiert meinen Kopf auf Fotos von anderen Frauen."

Sandra, 44 Jahre

Mein Freund sammelt Bilder von Frauen in kurzen Kleidchen und billigem Look, auf die er meinen Kopf montiert. Ich habe den Foto-Ordner auf seinem Rechner gefunden und ihn zur Rede gestellt. Er findet nichts dabei – es sei eben ein Hobby und schließlich gucke er ja keine Pornos. Ich finde das unmöglich – für wen hält er mich?

Stefanie Stahl weiß, was dahintersteckt: Es geht um eine sexuelle Fantasie, aber auch um fehlende Empathie.

Es könnte eine harmlose, sexuelle Fantasie von Sandras Freund sein. Vielleicht fährt er auf so einen billigen Look ab. Diese Fantasie an sich ist natürlich nicht schlimm, sein Verhalten dagegen schon. Denn es ist hochgradig kränkend für Sandra, dass er ihren Kopf auf Bilder von anderen Frauen montiert. Wahrscheinlich denkt sie deshalb: "Ich genüge nicht." Dass er sein Verhalten in Ordnung findet und als Hobby abtut, könnte darauf hindeuten, dass es ihm an Empathie mangelt.

Das hilft: Sandra sollte ihm deutlich sagen, wie sehr sein Verhalten sie gekränkt hat. Wenn er das nicht versteht, weiß sie, dass er nicht empathisch ist. Dann sollte sie sich fragen, ob er für eine Beziehung überhaupt der Richtige ist. Zeigt er Verständnis, kann Sandra nachhaken, warum er das macht. Wenn ihr Freund ihr gesteht, dass kurze Kleider und ein billiger Look ihn anmachen, können sie gemeinsam überlegen, ob es eine Möglichkeit wäre, das in ihr Sexleben einzubauen. Allerdings nur, wenn Sandra dazu auch wirklich Lust hat. Ansonsten sollte er es in seine Fantasie verschieben.

Wenn die Mutter dringend den gleichen Sukkulenten braucht wie die Tochter, merkt man: Da sind sich zwei nicht grün.

"Meine Mutter kauft mir alles nach!"

Amelie, 31 Jahre

Es fing mit Windlichtern und anderen Deko-Sachen für die Wohnung an, aber mittlerweile kauft meine Mutter sich auch die gleichen Klamotten wie ich. Wohlgemerkt, sie ist 30 Jahre älter und ein ganz anderer Typ – das meiste steht ihr nicht mal. Warum tut sie das bloß? Mich nervt es immer mehr.

Stefanie Stahl weiß, was dahintersteckt: Hier ist die Mutter-Tochter-Beziehung gestört.

Für mich hört sich das so an, als würde die Mutter versuchen, ihrer Tochter auf diesem Weg nah zu sein. Vermutlich, weil sie sich auf der Beziehungsebene distanziert haben. Was mir komisch vorkommt: Warum stellt Amelie mir die Frage und nicht ihrer Mutter? Das deutet auf ein Kommunikationsproblem hin. Die beiden können wohl nicht offen und ehrlich miteinander reden. Was auch dafür spricht, dass sie sich nicht sonderlich nahestehen. Denn ihre Mutter kann ihr die Frage, warum sie das macht, doch am besten selbst beantworten. Es könnte allerdings auch sein, dass die Mutter ihrer Jugend hinterhertrauert.

Das hilft: Amelie sollte mit ihrer Mutter reden. Ich werde immer wieder gefragt, wie man so ein ehrliches Gespräch beginnt, dabei ist es ganz einfach: sagen, was Sache ist. In diesem Fall kann Amelie also die Mutter direkt fragen: Warum kaufst du mir alles nach? So können sie herausfinden, was in ihrer Mutter-Tochter-Beziehung schiefläuft. Wenn zwischen den beiden wirklich die Nähe fehlt, ist das mit einem Gespräch natürlich nicht getan, aber es ist ein erster Schritt.

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