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Akrasia-Effekt Pommes, Wein und Trash TV – warum wir ständig Dinge tun, die uns schaden

Akrasia-Effekt: Eine junge Frau hält sich die Augen zu
© SvetaZi / Shutterstock
Der Akrasia-Effekt ist ein uraltes, tief im Menschen verwurzeltes Phänomen, das zu Selbsthass, Reue und mieser Laune führt – kommt dir das zufällig bekannt vor ...?

Platon – schon mal gehört? Alter Typ, Schüler von Sokrates, schlauer Kerl und Philosoph, wollte, dass nur die Besten regieren dürfen? Wenn nicht, auch egal, ist nämlich schon seit fast 2.400 Jahren tot. Aber bereits er hat den sogenannten Akrasia-Effekt an sich und seinen Mitmenschen beobachtet: die Angewohnheit, Dinge zu tun, obwohl man genau weiß, dass sie falsch sind.

Sympathische Frau

Versuchung, Entscheidung, Reue

Ein Beispiel: Angenommen, es ist Donnerstagabend, am nächsten Tag musst du früh aufstehen und du willst gerade ins Bett. Doch dann siehst du: Bill und Tom Kaulitz sind zu Gast in einer Mitternachts-Talkshow! Du weißt genau, wenn du dafür wach bleibst, bist du am nächsten Tag extra müde und erfährst eh nicht, im wievielten Monat Heidi schwanger ist (und ob überhaupt). Davon abgesehen bringt es dir auch sonst absolut gar nichts, dir den Schund anzuschauen. Und trotzdem bleibst du wach! Akrasia erster Güte!

Andere Beispiele wären:

  • "Ja, gerne noch ein drittes Stück Torte!" (auch wenn mir hinterher schlecht ist),
  • "Klar geht hin und wieder noch 'ne heiße Nummer ohne Verbindlichkeiten" (heule ich mich halt mit meinem Liebeskummer deinetwegen bei meiner besten Freundin aus) oder auch:
  • "Ach, das räume ich später auf" (und bin dann nur leider einen halben Tag damit zugange, zusammen mit den anderen Späters ...)

Akrasia-Effekt: Kurzfristige Versuchung schlägt langfristigen Ausblick

Akrasia (aus der griechischen Vorsilbe a- und kratos) ist wortwörtlich die "Abwesenheit von Stärke" – also Schwäche. Um genau zu sein: Willensschwäche. Denn um dieser fiesen Versuchung der schnellen Lustbefriedigung oder kurzfristigen Bequemlichkeit zu widerstehen, brauchen wir in erster Linie einen starken Willen. Die Geistesgegenwärtigkeit und -stärke, dass wir unsere Entscheidung für die Bequemlichkeit bereuen werden, besitzen wir nämlich in der Regel durchaus. 

Was tun gegen den schwachen Willen?

Wir können jetzt den Fokus darauf legen, unsere Disziplin zu trainieren. Mehr planen, uns eiserner an Zeiten und Vorsätze halten, Deadlines und Termine festlegen. Ja, das sind definitiv alles gute Krücken auf dem Weg zum Gegenstück zu Akrasia: Enkrateia, Selbstbeherrschung. Aber wir können auch und am besten zusätzlich versuchen, die Eigenschaft, die uns zum Verhängnis wird – dass wir JETZT ein Glücksgefühl wollen – zu unserem Vorteil zu nutzen! 

Beim Beispiel Talkshow: Freu dich darüber, dass du mitgekriegt hast, dass Bill und Tom da sind und nimm dir vor, sie dir meinetwegen Samstagmorgen gemütlich beim Frühstück reinzuziehen (dann musst du auch nicht das Gelaber der anderen Gäste ertragen – fast forward etc. sei Dank!) – aber mach dir gleichzeitig auch richtig Lust aufs Bett! Schön unter die Decke kuscheln, schnell schlafen, damit bald Wochenende ist – das wird super!

Bei der Torte könntest du dich über die zwei Stücke freuen, die du genossen hast und dir auf die Schulter klopfen, dass du ein Ende gefunden hast, mit dem du dich gut fühlst. Wenn du deinem Ex auf seine Sex-Frage eine Absage erteilst, guck mal genau hin, wie enttäuscht er ist – schon auch irgendwie eine Genugtuung, oder? Tja, und immer wenn du etwas aufräumst: Sei stolz und feiere dich dafür, selbst wenn's nur eine Kleinigkeit war und es dir übertrieben vorkommt.

Gegen ein Phänomen, das die Menschheit schon so lange knechtet und mit Reue-Gefühlen malträtiert wie der Akrasia-Effekt, darf man eben nicht zu zimperlich vorgehen.

sus Brigitte

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