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100 Fragen So stellst du die richtigen Fragen

Frau sitzt auf einem Boot und lacht
© peopleimages.com / Adobe Stock
Na, alles klar bei dir? Blöde Frage, oder? Aber was ist überhaupt eine gute Frage? Wie vermeidet man die weniger guten? Und was macht man mit den Antworten, die man vielleicht nur sich selbst gibt? Eine kleine Ein- und Anleitung.

Kein Zweifel, es gibt saudoofe Fragen. Nervige Fragen. Überflüssige Fragen. Da sind die, die lediglich kaum versteckte Vorwürfe sind ("Warum hast du den Müll nicht runtergebracht?"), inklusive der ebenso nirgendwohin führenden Gegenfragen ("Warum du denn nicht!?"). Da ist die ganze Palette rhetorischer Fragen ("Berlin, bist du gut drauf?"), Fragen, die nur eine Bestätigung einfordern wollen ("Findet du nicht auch, dass der Typ schrecklich ist?") und desinteressierte Fragen, die gar nicht beantwortet werden wollen ("Alles klar bei dir?").

Wirklich gute Fragen hört man dagegen gar nicht so häufig. Leider stellt man sie oft auch selbst zu wenig. Und die allerwenigsten von uns stellen sich diese guten Fragen selbst.

Dabei lohnt sich das mehr, als man vielleicht glaubt. "Die systemische Therapie arbeitet sehr viel mit Fragen", sagt Coach, Journalistin und Autorin Carola Kleinschmidt. "Das Ziel ist immer, die gewohnte Sichtweise herauszufordern – sodass sich Lösungen oder Möglichkeiten zeigen, wo vorher vielleicht das Gefühl war: Hier geht gar nichts, ich kann nichts ändern."

"Gute" Fragen sollten Neugier wecken

Die Voraussetzung für diese Selbstreflexion ist allerdings, dass die Fragen, wie eingangs erwähnt, gut sind. Und was macht "gut" denn nun aus? Dass geschlossene Fragen, auf die man nur mit Ja oder Nein antworten kann, zwar in vielen Situationen recht zielführend sind (Ist die Präsentation fertig? Gibt es einen Gott? Wollen Sie noch einen Ouzo aufs Haus?), eine Selbsterkundung wie auch eine aufkeimende Konversation aber vermutlich schnell zum Erliegen bringen, leuchtet sofort ein. Das heißt im Umkehrschluss jedoch nicht, dass jede offene Frage einen weiterbringt, selbst wenn sie auf den ersten Blick ganz sinnvoll scheint.

"Ein häufiges Problem ist, dass Fragen nicht zuerst die Neugier triggern, sondern Widerstand wecken", sagt Carola Kleinschmidt. "Wenn man jemanden ‚Was war dein größter Erfolg im Leben?‘ fragt, denkt sich die oder der andere schnell: Ich hatte noch nie einen großen Erfolg. Und zack, ist die Frage versenkt." Hilfreicher sei es, stattdessen etwas zu fragen wie: Was gelingt dir heute leichter als vor zehn Jahren? "Denn da fällt jeder und jedem etwas ein, und die Entwicklung wird sichtbar."

Überhaupt, sagt Coach Carola Kleinschmidt, solle man vorsichtig sein mit den allzu großen, bedeutungsaufgeladenen Wörtern, wie zum Beispiel auch "Werte" oder "Vision". Wer kann auf Anhieb schon sagen, was das für einen selbst bedeutet? Gute Fragen sind für Carola Kleinschmidt immer auch sehr konkrete Fragen. Statt "Bist du glücklich?" lieber: "Was hat dir heute einen Glücksmoment beschert? Worüber hast du dich heute gefreut?"

Denkmuster aufbrechen und weiterforschen

Gute Fragen machen Lust, über sie nachzudenken. Oft haben sie auch etwas Überraschendes, Freudvolles. "Gute Fragen öffnen ein Fenster, durch das wir gern schauen und dann einen differenzierteren Blick auf uns erhaschen, oder auf ein Thema, das uns umtreibt."

Michael "Curse" Kurth, der sowohl Musiker ist (Curse ist sein Rapper-Name) als auch systemischer Coach, Meditationslehrer sowie Autor eines sehr empfehlenswerten Buches ("199 Fragen an dich selbst", Rowohlt TB) mag besonders gern Fragen, wenn sie gewohnte Denkmuster aufbrechen. Zum Beispiel: Was ist gut daran, manchmal nicht weiter zu wissen? Oder: Wofür schützt mich mein Nicht-Verzeihen?

"Diese Fragen machen erst mal stutzig: Hä, was soll daran denn gut sein? Aber schon ist die Aufmerksamkeit da. Und dann denkt man nach. Und dann kommt man vielleicht darauf, dass das Gute am Nicht-Weiterwissen ist, dass man um Hilfe fragen kann. Und dann kann man an dieser Stelle weiterforschen: Was bedeutet es für dich, um Hilfe zu fragen?" Gute Fragen, sagt Michael Kurth, seien vor allem auch Nachfragen. Fragen, die immer weiter in die Tiefe führen.

Fragen fordern Antworten

Aber was mache ich denn nun mit den Antworten, die ich finde? Michael Kurth sieht den Prozess als eine Art Coaching mit sich selbst: "Aufmerksamkeit auf das, was ist, zu lenken, ist der erste Schritt zur Veränderung. Wenn ich in bestimmten Bereichen meines Lebens nicht zufrieden bin, dann ist das Allerwichtigste, erst mal zu schauen: Was ist hier eigentlich los, wie bin ich hierhergekommen, und was möchte ich überhaupt?"

Letztendlich, sagt Kurth, sei auch ein Coach nicht dazu da, sich die Antworten seiner Klientinnen und Klienten anzuhören und dann zu sagen: Mach das und das und das auch noch – und dann wird alles super. "Sondern ich bin der Spiegel, der Begleiter der anderen Person. Aber die Antworten finden die Menschen selbst. Und auch die Veränderungen kommen aus ihnen selbst."

Wichtig bei einer Selbstbefragung sei, sagt Kurth, dass man über die Fragen nicht nur nachdenkt, sondern die Antwort tatsächlich in Worte fasst: Indem man sie aufschreibt oder etwa in die Notizfunktion seines Handys spricht. Das würden wir auch für die Fragen in unserem Dossier empfehlen. Alternativ kann man jemanden bitten, einem die Fragen zu stellen und sich die Antworten einfach nur anzuhören, ohne sie zu kommentieren. Im Gegenzug kann man im Anschluss dann, falls beim Gegenüber Interesse besteht, die Rollen tauschen. So lernt man nicht nur sich selbst, sondern auch den Partner oder die Freundin noch mal auf eine neue Weise kennen.

Und wenn man jemanden näher kennenlernen möchte, mit dem man noch nicht sehr vertraut ist: Was fragt man dann? "Das ist ganz einfach: Dann stelle ich Fragen, deren Antworten mich wirklich interessieren", sagt Michael Kurth. "Aber wenn man wirklich Interesse zeigt, 100 Prozent da ist und vorurteilsfrei zuhört – dann muss man meist gar nichts mehr fragen. Dann fangen die meisten Menschen von ganz allein an zu erzählen."

Brigitte

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