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"Mama, du nervst!" Warum wir immer die Töchter unserer Mütter bleiben

Tochter umarmt ihre Mutter
© Oliver Rossi / Getty Images
Sie ist die Frau, die wir von Anfang an am meisten lieben – und die uns trotzdem ein Leben lang am häufigsten aufregt. Unserer Autorin tut es leid, dass sie sich ihrer Mutter gegenüber manchmal wie ein Teenager benimmt. Sie kann trotzdem nicht anders.
von Viola Kaiser

Ich war ein schrecklicher Teenager, meine Eltern hatten es nicht leicht mit mir. Nicht nur, dass ich wirklich früh angefangen habe mit Alkohol, Zigaretten und Partys, ich hatte auch eine Phase, in der ich einen Hang zu furchtbaren Haarfarben und merkwürdigen Typen entwickelte. Warum das meine Eltern störte, verstand ich damals nicht. Ich fand sie spießig und autoritär. Natürlich liebte ich sie trotzdem. Aber das geht wohl den meisten Teenagern so. 

Nachdem ich etwa 16 oder 17 war, entspannte sich unser Verhältnis deutlich. Irgendwie wurde mir damals zumindest ansatzweise klar, dass sie es nur gut mit mir meinten. Von da an stritten wir weniger. Als ich mit 19 auszog, erreichten wir eine neue Dimension des guten Verhältnisses. Trotzdem geht mir besonders meine Mutter bis heute trotzdem oft so auf die Nerven wie kein anderer Mensch. Das ist sicher auch so, weil ich ihr ähnlich bin. Vor allem aber ist es so, weil sie meine Mutter ist, da bin ich sicher. Es bringt mich zum Beispiel auf die Palme, wenn sie sagt: "Du siehst so blass aus. Schläfst du auch genug?" Dann reagiere ich jedes Mal leicht aggressiv. "Ich habe zwei kleine Kinder, natürlich schlafe ich nicht genug", antworte ich etwa gereizt. 

Ich stöhne auch immer sehr laut und verdrehe die Augen, wenn sie mich zum 100.000 Mal in Folge fragt, ob ich wirklich nicht zu viel arbeite (ich arbeite nicht sehr viel). Oder wenn sie noch mal nachhakt, ob die Kinder tatsächlich nicht vier Eis nacheinander dürfen (ich habe eine große Toleranz bei Zucker, aber zwei Eis müssen einfach auch mal reichen). Oder wenn sie sich stundenlang und leidend über das Wetter beschwert, obwohl das überhaupt nichts bringt (sie hat einen Hang eher das Problem als die Lösung zu suchen). Es sind Banalitäten, die mich aufregen. Oft auch Aussagen oder Eigenschaften, in denen ich mich selbst wiedererkenne. Ja, wahrscheinlich sind das die schlimmsten. Es ist kleinlich von mir, dass ich nicht viel großzügiger mit ihr sein kann, sondern regelmäßig in meinen Teenager-Ton verfalle, wenn ich mit ihr rede. Das weiß ich alles, aber ich komme aus dieser Rolle nicht raus. 

Mütter sind auch nur Menschen

Immer, wenn ich mal wieder zu streng mit meiner Mutter war, tut es mir nachher leid. Dann schreibe ich ihr nach dem Besuch bei ihr eine Nachricht über Whatsapp, dass es schön bei ihr war und bedanke mich, weil sie sich so viel Mühe gegeben hat. Sie antwortet immer dasselbe – dass sie uns alle liebhat und dass wir bald wiederkommen sollen. Das war natürlich nicht immer so. Früher hat sie manchmal ganz schön zurückgegiftet, sie war nie besonders geduldig, sie hat selten Zeit gehabt, richtig mit uns zu spielen. Einmal hat sie uns die Haare ganz kurz geschnitten, weil wir beim Waschen der langen Mähnen so ein Theater gemacht haben, dass sie die Schnauze voll hatte. Meine Mutter war cool, nicht perfekt, aber sie hat ihr Bestes gegeben, das weiß ich. 

Um so schlimmer, dass ich aus meiner Tochterrolle nie so ganz rauskomme. Denn noch eine Sache weiß ich mittlerweile aus eigener Erfahrung: Mütter sind auch nur Menschen. Ich denke oft an meine, wenn ich meine Töchter anbrülle, weil sie Quatsch gemacht haben, wenn ich sie fernsehen lasse, damit ich zehn Minuten in Ruhe Wäsche aufhängen kann, wenn ich nicht die Geduld habe, zum zehnten Mal ins Kinderzimmer zu gehen, weil eins der Mädchen noch nicht schlafen will. Das alles hatte sie ja auch mal mit uns.

Vor allem aber denke ich an meine Mutter, wenn eins meiner Kinder sich mal wieder total daneben benommen oder im Ton vergriffen hat und reumütig "Entschuldigung, Mama!" sagt. So muss sich meine Mutter manchmal fühlen, wenn ich ihr eine Whatsapp-Nachricht schicke. Glücklicherweise weiß ich jetzt auch, dass man seine Kinder nicht weniger liebt, weil sie ausrasten oder meckern oder genervt sind. Das ist beruhigend. 

Ich habe mal gelesen, dass das beste Kompliment, dass man seiner Mutter machen könne, sei: "Du bist die beste Mutter, die du sein konntest". Das finde ich auch. Und jetzt muss ich aufhören, ich muss nämlich noch mal schnell meine Mutter anrufen...

Barbara

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