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Beratungsresistente Jammerer Diese Strategien helfen gegen das Jammern des Problembären

Beratungsresistente Jammerer: Genervte Frau am Telefon
© fizkes / Adobe Stock
Wie geht man mit Menschen um, die ständig jammern, aber beratungsresistent sind? Unsere Autorin lernte: Es gibt ein paar einfache Strategien.

Seit zwei Stunden, drei Katastrophen und fünf Problemen sitze ich meiner Freundin B. gegenüber. Wir haben uns lange nicht gesehen, scheinbar habe ich eine Menge verpasst. B., die ich insgeheim "die Klagemauer" nenne, schafft es jedes Mal, ihr Leben als griechische Tragödie zu erzählen. Widersacher lauern überall: intrigante Kollegen, ihr liebloser Mann, ihre Mutter, der Typ, der ihr den Parkplatz weggeschnappt hat. Sobald ich aber etwas dazu sage, lande ich auch auf der Beschwerdeliste: So einfach wäre es ja nun auch nicht! Etwas Mitgefühl wäre schön, helfen könne ihr sowieso keiner, und ... irgendwann versuche ich es auch nicht mehr. Bin erschöpft und frustriert, weil all mein Zuhören, Einfühlen und Mitdenken an ihr abprallt. Immer wieder hoffe ich, wir könnten ihre Probleme besprechen, bestenfalls lösen – und endlich über etwas anderes reden. Über mich und mein Leben etwa.

Aufmerksamkeit durchs Jammern ...

B. ist ein HRC, ein "Help Rejecting Complainer", auf gut Deutsch: Hilfe zurückweisender Jammerer. Den Begriff prägte der US-Psychologe Jerome Frank 1952, um die therapieresistenten unter seinen Patient:innen zu beschreiben. Mit solchen Menschen ist jedes Gespräch ein Problemgespräch. Sie fordern Hilfe ein, weisen aber jeden Rat ab und reagieren beleidigt bis aggressiv, je mehr man vorschlägt. Sie haben für jede Lösung ein "Ja, aber" – und ein neues Problem.

"Chronische Jammerer haben in ihrer Prägungsgeschichte erfahren, dass sie über Klagen und Nörgeln verlässlich Aufmerksamkeit und Zuwendung bekommen, und diesen Zustand wollen sie unbedingt erhalten", bestätigt die Wiener Psychotherapeutin Katja Gley. Auch B. präsentiert mir ihre Sorgen wie einen Schatz, der zwar belastet, aber gleichzeitig kostbar ist. Den wird sie sich nicht nehmen lassen, animiert mich aber trotzdem, es weiterhin zu versuchen. Diese unlösbare Aufgabe macht den Kontakt zu einem HRC so toxisch: "Mit jeder Zurückweisung eines Vorschlags fühlen sich HRC mächtiger und grandioser, ihr Gesprächspartner hingegen schlechter, denn auf eine hilfsbedürftige Person, ein armes Opfer der Umstände, wütend zu werden, ist ja auch nicht nett", so Gley.

Was kann man tun, wenn einem die Beziehung dennoch wichtig ist? Nun, seitdem ich den Begriff HRC gelernt habe, versuche ich, B. und ihre Probleme nicht mehr persönlich zu nehmen. Lieber frage ich mich, wieso ich jedes Mal reflexartig in die Rolle der Retterin springe. Woher kommt dieser Auftrag, erst problemlos glücklich sein zu dürfen, wenn alle anderen es sind? Die Antwort ist: aus der Familie, wie bei vielen anderen Verhaltensweisen auch. Frauen, die in den Sechziger- und Siebzigerjahren geboren sind, wuchsen bei kriegstraumatisierten Eltern auf. Sie wurden darauf konditioniert, die oft abweisenden Bezugspersonen aufzuheitern, zu trösten und für sie da zu sein, statt umgekehrt. Ein Verhalten, um die für Kinder überlebenswichtige Beziehung abzusichern.

Fragen statt Ratschläge können helfen

Ich muss also daran arbeiten, B. ihre Selbstverantwortung nicht mehr abnehmen zu wollen. Ein Wundermittel gegen Jammerei ist etwa, eine Weile zuzuhören und dann statt eines Ratschlags zu fragen: "Und was wirst du nun tun, um das Problem zu lösen? Hast du schon eine Idee?“ Das unterbricht die Opfer-Selbsthypnose. Falls der HRC darauf bockig reagiert und weiterjammern will, kann man ungerührt ablenken ("Ist das Wetter heute nicht schlimm?") und zum nächsten Thema übergehen. Ähnlich wirksam: für Gespräche den Zeitrahmen begrenzen ("Ich hab leider nur eine Stunde").

Es kann auch schon helfen, offen zu sagen: "Mir liegt viel an dir, darum belastet es mich, dass es dir nie gut zu gehen scheint." Manche Menschen ahnen gar nicht, wie negativ sie wirken und dass das keine normale Gesprächskultur ist. Oder was alternative Themen sein könnten. Sie haben es in ihrem Elternhaus oder Umfeld so erlernt, chronisches Klagen ist ihre kommunikative Muttersprache. Auf ein "Wie geht es dir?" geht die Opferkonkurrenz los, es immer noch etwas schwerer als andere zu haben.

Dieses sogenannte "One-Downment" ist ein typisches Merkmal des HRC – und zieht nicht nur ihn selbst, sondern auch sein Gegenüber runter. Therapeutin Katja Gley: "Durch unsere Spiegelneuronen können wir mitfühlen. Das heißt aber auch, dass sich die ständigen negativen Vibes zunehmend auch auf uns und unsere Stimmung übertragen. Gejammer zuzuhören wird also chronisch. Im Gehirn bilden sich entsprechende Vernetzungen, das setzt nicht nur den HRC selbst, sondern auch sein Umfeld unter Stress und schadet der Gesundheit. Und zwar der Gesundheit aller Beteiligten."

Bei HRC-Beziehungsstress hilft meist nur die Paartherapie und offene Kommunikation

Besonders anstrengend sind HRC deswegen als Beziehungspartner. Klare Fragen oder Bitten vermeiden sie, darauf könnte man ja ein Nein kassieren. Lieber versuchen sie, ihre Liebsten zu manipulieren: Da will der HRC etwa körperliche Nähe, Aufmerksamkeit, eine lange Rückenmassage. Doch gerade Frauen trauen sich oft nicht, das zu fordern. Also jammern sie unentwegt, was für schreckliche Rückenschmerzen sie hätten – in der Hoffnung, ihr Mann würde dann selbst anbieten, ihnen den Rücken zu massieren. Der kann allerdings keine Gedanken lesen und schlägt vor, sie möge doch zum Orthopäden gehen, zur Akupunktur oder Yoga machen. Sie wird dadurch immer verärgerter, dass der vermeintlich verständnislose Partner nicht auf die für sie einzig richtige Lösung kommt, und agiert künftig noch manipulativer und passiv-aggressiver. Ein Teufelskreis, der oft nur durch Paartherapie und Erlernen offener Kommunikation gestoppt werden kann.

Männliche HRC gibt es natürlich auch. Sie jammern weniger, beschweren sich offener und wütender, etwa allabendlich, wie besch… die Arbeit wieder war, was für ein Idiot der Chef, wie unerträglich die Gesamtsituation. Doch auf keinen Fall will er von seiner Frau dann hören, er möge doch endlich die Firma wechseln, sich beruflich umorientieren, andere Bedingungen aushandeln, zum Betriebsrat gehen. Dann schwappt die Aggression auf sie über: "Was weißt DU denn schon von meiner Arbeit?" Sie soll ihn doch einfach bemitleiden und verwöhnen!

Sicherheitshalber habe ich überprüft, wie viel HRC in mir selbst steckt. Tatsächlich, bei meiner Freundin A. klage ich öfters über Einschlafprobleme. Jeden Rat von ihr hatte ich gekontert: Das Handy eine Stunde vorher ausmachen und über Nacht im Wohnzimmer liegen lassen? Ja, aber wenn eins der Kinder mich antextet und Hilfe braucht? Oder wenn ich einen Podcast als Einschlafhilfe hören will? Dann schlug A. ein warmes Bad mit Lavendel und eine warme Milch mit Honig vor. Nee, ich hasse Vollbäder, ganz schlecht für den Kreislauf. Und Milch? All die Kalorien vor dem Einschlafen ... Oh Gott, das muss sofort aufhören. Ich werde diese Tipps jetzt einfach mal ausprobieren. Und A. bei unserem nächsten Treffen herzlich dafür danken.

Tipps für den Umgang mit HRC

1. Erkenne den Jammerlappen: Klagt und nörgelt diese Person jedes Mal, andauernd? Werden ihre Probleme nie weniger, höchstens anders? Fühlt man sich nach Treffen erschöpft, frustriert und aggressiv? Dann handelt es sich höchstwahrscheinlich um einen HRC.

2. Geht das mit der Jammerei erst seit einiger Zeit so? Dann weise die Person vorsichtig darauf hin, dass sie dir am Herzen liegt, du ihr gern helfen möchtest, dich aber überfordert fühlst. Benenne auch die Möglichkeit, dass hinter dem negativen Welt- und Selbstbild vielleicht eine Depression stecken könnte und sie sich gegebenenfalls professionelle Hilfe holen sollte.

3. Paradoxe Intervention. Man stimmt dem HRC einfach in allem zu und bestätigt ihn in seinem Leid: "Ja, du hast es wirklich schwer, das ist wirklich ungerecht, ja, dein Leben ist echt schlimm ... oh, wie gemein." Bestenfalls kommt irgendwann die erboste Antwort: "Also, SO schlimm ist es ja nun auch wieder nicht!" Win-win: Damit fühlt sich der HRC sogar selbst besser.

4. Der graue Stein. Lass die Jammerkaskaden an dir ablaufen wie Wasser an einem Stein. Verschwende keine Energie auf Ratschläge, die sowieso abgeschmettert werden. Reagiere monoton mit "Hmm … aha … ach". Ohne emotionale Anteilnahme stehen die Chancen gut, dass der HRC sich ein zugewandteres Opfer für seine Klagen sucht.

5. Spüre in dich hinein. Solltest du den HRC nur noch aus Gewohnheit treffen oder mit ihm verwandt sein, aber keine Bindung fühlen, kein offenes Gespräch darüber führen können und unter seinem Verhalten leiden: Ja, du darfst auch eine Freundschaft oder gar Verwandtschaft "kündigen". Niemand muss sich als emotionaler Abladeplatz aufopfern.

Dieser Text stammt aus der BRIGITTE WOMAN.

Brigitte

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