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Unsere Freunde trennen sich – und jetzt?

Die Freunde haben sich getrennt: Zwei Paare gehen spazieren
© Shutterstock/bbernard
Wenn um uns herum Beziehungen scheitern, brechen nicht nur Freundschaften auseinander. Es ist auch immer eine Bestandsaufnahme für die eigene Liebe.

Das Beben der anderen

Was, die waren doch immer ganz gut zusammen. Und wer fährt jetzt mit uns in den Urlaub? Eigentlich sind die ganz schön mutig ...! BRIGITTE-Autorin Verena Carl über Probebohrungen an der eigenen Seele und das richtige Maß an Loyalität.

Mich erwischte das Virus, da war ich gerade 25 und seit Jahren mit meinem Freund zusammen. Eine brave Jugendliebe, mehr Fondue und Fernsehabend als Sex und Rock ’n’ Roll. Aber ich kannte auch den Preis, den man für ein aufregenderes Liebesleben zahlte: abends vor dem Telefon warten, morgens ins Müsli weinen. Meine beste Freundin sah das ähnlich. Die hatte einen schwiegersohntauglichen Jurastudenten an ihrer Seite. Zu viert kochten wir Risotto und fachsimpelten über "Twin Peaks". Wir sahen unser Frührentnerleben als Zeichen besonderer Reife. Bis zu jenem Abend, an dem sie mit leicht irrem Blick in meine Küche stürmte und das Kartenhaus mit ein paar Sätzen zerlegte. Knall auf Fall hatte sie ihre sichere Bank für einen Musiker verlassen, schwärmte von Orgasmen am Morgen und nie dagewesenen Gesprächen. Ihre Worte waren wie ein kalter Luftzug, von dem ich ahnte: Der würde auch meine mittelmäßige Zweierkiste wegpusten.

Plötzlich steigt auch das eigene Trennungs-Risiko

Das klingt nach typischen Twenty-something-Turbulenzen. Ja, wir waren jung und Beziehungen noch nicht durch Kind und Kegel festgekittet. Wir konnten gehen, und zwar schnell. Aber das, was da passierte, zeigt trotzdem sehr gut, dass Trennungen im Freundeskreis auch immer etwas mit einem selbst machen. Forscher der amerikanischen Brown University ermittelten im Rahmen einer Studie sogar, dass das Trennungsrisiko eines Paares um satte 75 Prozent steigt, wenn enge Freunde auseinandergehen.

Das verwundert nur auf den ersten Blick. Denn Freunde sind ein wichtiger Spiegel der eigenen Befindlichkeit. "Je nach Lebenssituation hat Freundschaft für viele Menschen auch im mittleren Lebensalter einen hohen Stellenwert, für manche Menschen höher als die Verwandtschaft", sagt die Entwicklungspsychologin Insa Fooken, die seit Jahren an der Universität Siegen zu diesen Beziehungsthemen geforscht hat. "Besonders bei kinderlosen Paaren spielen die Wahlverwandtschaften oft eine große Rolle." Ein spätes Erbe des 68er-Zeitgeistes, der freiwillig gewählte Bindungen ebenso idealisierte wie er der Familie generell misstraute. Deshalb können Trennungen in Cliquen besondere Sprengkraft entfalten. In kinderreichen Freundeskreisen mag der Domino-Effekt ein wenig schwächer ausfallen, aber auch Elternpaare stürzt ein Liebes-Aus im Freundeskreis nicht nur in praktische Probleme - allein schon, weil die Orga der Kleinen ungleich komplizierter wird -, sondern auch in emotionale. Heißt, wir spüren: Da geht noch was! Noch wäre es vielleicht Zeit, eingefahrene Gleise zu verlassen – später könnte zu spät sein.

Nicht nur die Symmetrie beim Brunch ist futsch

Eines ist allen Paaren gemein, ob Eltern oder nicht: Das Scheidungskindergefühl, das einen überkommen kann, wenn gute Freunde getrennte Wege gehen. Nicht nur, weil die Symmetrie beim Sonntagsbrunch futsch ist, sondern auch, weil die Freunde Loyalität einfordern, Verständnis, Unterstützung. Nicht mehr als Paar, sondern jeder für sich. Am besten auch gleich noch für die neue Frau, den neuen Mann an der eigenen Seite. Und das kann ganz schön ins Auge gehen - denn selten sind Trennungen so einvernehmlich, dass man es beiden Seiten recht machen kann. Der Berliner Psychotherapeut Wolfgang Krüger, Autor von mehreren Büchern über Paarbeziehungen und Freundschaft, rät: sich nicht verstricken lassen. Eher die Rolle des mitfühlenden, aber kritischen Beobachters einzunehmen. "Man muss sich nicht auf eine Seite schlagen, man muss auch den neuen Partner nicht lieben. Aber man kann Fragen stellen: Was fasziniert dich an ihm, wie hat er vorher gelebt? Auch das ist ein wichtiger Freundschaftsdienst."

Kann man mit beiden befreundet bleiben?

Beziehungs-Kennerin Insa Fooken weiß allerdings auch: Dass die Freundschaft zu beiden Ex-Partnern anhält, ist eher selten. "Es gibt Sollbruchstellen - meistens sind es die alten Bindungen, die nach einer Trennung bestehen bleiben." Wenn unsere beste Freundin aus Schulzeiten sich scheiden lässt, nimmt man eher in Kauf, dass der Kontakt zu ihrem Ex abbricht. Auch wenn man in guten Zeiten gemeinsam Nächte durchgemacht oder Ferienhäuser geteilt hat. Oberflächlichere Alltags-Allianzen zwischen zwei Paaren werden vom Trennungs-Beben dagegen oft komplett weggefegt. Nun ist aber auch nicht jeder abbröckelnde Kontakt ein schlimmer Verlust, und Freundeskreise bindet kein Ewigkeitsversprechen. Wir neigen immer dazu, uns mit Menschen zu umgeben, die ähnlich ticken und in ähnlichen Lebenssituationen sind. Wer nicht mehr ins Raster passt, hat einen schwereren Stand. Jeder kann Opfer dieser Erosion werden, mal die anderen, mal wir selbst.

Was aber, wenn uns die Freundschaft zu zwei auseinandergeliebten Menschen tatsächlich gleich viel bedeutet? Doch, man kann beide Beziehungen aufrechterhalten, sagt Insa Fooken. Unter zwei Bedingungen: viel reden. Auf Sicht fahren. "Man sollte seine Freunde nicht bevormunden. Nicht von oben herab entscheiden, etwa: Zu diesem Ausflug kann ich meine Freundin nicht einladen, weil da ihr Ex mit seiner neuen Partnerin ist. Sondern lieber mit beiden reden, ausloten, was für die beiden stimmt und was schmerzlich ist. Dann kann man Lösungen finden, die passen - und in einem halben Jahr eventuell anders aussehen." Und noch etwas gehört dazu: gemischte Gefühle aushalten. Mag schon sein, dass die neue Partnerin unseres alten Weggefährten uns ein Dorn im Auge ist: zu jung, zu blond, zu sehr Venusfalle. Aber: Trotzdem bleibt er im Kern der Mensch, den wir aus guten Gründen schätzen. "Es ist ein Talent, wenn Menschen fähig sind zu Ambivalenz, und wenn sie bestimmte Themen auch großzügig umschiffen können", findet Insa Fooken.

Die Trennung der Freunde ist auch eine Chance

Wie es nach dem Abend in meiner WG-Küche weiterging, vor 20 Jahren? Meine Freundin hat den Musiker tatsächlich geheiratet und zwei Töchter mit ihm bekommen. Ich habe mit dem Sänger seiner Band geschlafen - das lag irgendwie nah -, ordentlich Tränen ins Müsli vergossen, mich von meinem Freund getrennt. Danach folgten einige Affären, bis ich ein paar Jahre später leicht gerupft und lebenssatt den Mann traf, mit dem ich noch immer alt werden möchte.

Völlig immun gegen die gelegentlichen Virus-Epidemien in unserer Umgebung macht mich das nicht. Schließlich bin ich gerade selbst in einem gefährlichen Alter, und ich weiß das. Aber Trennungen in der Nähe sind ja auch eine Chance: Bei sich selbst genauer hinzuschauen, Dinge vielleicht anders zu machen, unbequeme Fragen nicht zuzulassen. Ob’s hilft? Ich kann’s nur hoffen. Fragt mich in 20 Jahren noch mal.

Verena Carl erlebte im Lauf der letzten Jahre drei Scheidungen im Freundeskreis. Die hat ihre Beziehung bis dato ganz gut verkraftet.

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Text: Verena Carl&lt;br /&gt;<br />Ein Artikel aus BRIGITTE 7/2017

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