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Klug im Herzen Was der Intimitäts-IQ mit der Qualität unserer Beziehung zu tun hat

Zwei Menschen umarmen sich (Zeichnung)
© Hatia / Adobe Stock
Menschen mit hoher Intimitätsintelligenz können Nähe mit ihren Partner:innen herstellen und halten. Woran du sie erkennen kannst.

Worte können nicht beschreiben, wie du dich mit deinem Lieblingsmenschen fühlst. Eine Verbundenheit, die ohnehin keiner Worte bedarf, weil die Intimität zwischen euch viel tiefgehender ist.

Da ist eine Kluft zwischen euch, tiefer als der Ozean. Ihr geht nebeneinander, lebt nebeneinander, doch ihr seid abgeschnitten, einst in Liebe vereint und nun vielleicht für immer voneinander getrennt.

Wie nahe fühlst du dich deinem Lieblingsmenschen emotional? Welche Beschreibung passt eher zu der Beziehung, die ihr führt? Was tust du für eine enge emotionale Verbindung, was tust du, um die Distanz zwischen euch wieder aufzulösen? Ist Intimität überhaupt etwas, das mit eigenem Zutun entstehen und gestärkt werden kann? Falls ja: Wie können wir dafür sorgen, öfter intime Momente mit unseren Partner:innen zu erleben? 

Was wir mit Intimitätsintelligenz meinen

Intelligenz wird von der American Psychology Association als Fähigkeit beschrieben, "Informationen abzuleiten, aus Erfahrungen zu lernen, sich an die Umwelt anzupassen, zu verstehen und das Denken und den Verstand richtig einzusetzen". Was bedeutet demnach Intimitätsintelligenz? Im Grunde meint es die Fähigkeit, eine emotionale, geistige und körperliche Nähe zu unserem:unserer Partner:in herzustellen – und aufrechtzuerhalten. 

Das mag in der Theorie erst einmal logisch und machbar klingen, doch die Praxis ist ein wenig komplizierter, denn nicht umsonst heißt es doch: "Du musst erst lernen, dich selbst zu lieben, bevor du jemand anderen lieben kannst." Zunächst müssen wir also mit uns selbst eine intime Beziehung aufgebaut haben, um unsere Bedürfnisse und Gefühle wissen, bevor wir eine derartige Beziehung mit einem anderen Menschen aufbauen können. Und genau hier liegt für viele Menschen die Krux, weiß Paartherapeut Robert N. Johansen.

Eine kurze Einschätzung des Intimitäts-IQs

Als Therapeut arbeitet Johansen regelmäßig mit Paaren zusammen, die sich emotional voneinander distanziert fühlen, die zu "leidenschaftslosen Mitbewohner:innen" geworden sind und in getrennten Welten leben, obwohl sie sich ein Dach teilen. In seinem Artikel auf "Psychology Today" verrät er die unerwartete Frage, mit denen er die meisten Menschen in dieser Situation aus der Reserve locken kann: "Wie sehr magst du die Person, die du bist, wenn du mit deinem:deiner Partner:in zusammen bist?" Und häufig würde er eine Antwort erhalten wie: "Nicht so sehr, wie ich es mir wünschen würde."

Beziehungen sind komplex, Kommunikation eine alltägliche Herausforderung. Gerade von Menschen, die uns nahestehen, können wir uns in gewissen Situationen missverstanden, unfair behandelt oder zurückgewiesen fühlen. Nur: Nicht immer wissen besagte Menschen darum – und manchmal können wir nicht einmal selbst genau sagen, was in uns brodelt. Doch wer über eine hohe Intimitätsintelligenz verfügt, der:die kann die eigenen Gefühle und Bedürfnisse klar erkennen, benennen und nach ihnen handeln. Der Therapeut nennt fünf Punkte, um eine erste Selbsteinschätzung zum eigenen Intimitäts-IQ möglich zu machen.

1. Selbsterkenntnis

Zunächst muss es darum gehen, sich selbst kennenzulernen – und zwar von allen Seiten. "Wenn wir unsere Bedürfnisse und die Gefühle, die sie umkreisen, kennen, wissen wir, wer wir in Bezug auf unsere Intimpartner:innen sind", schreibt Johansen. Menschen mit einer hohen Intimitätsintelligenz sind bereit, sich selbst transparent zu machen: Ihre Gefühle und Bedürfnisse für sich (und andere) vollständig sichtbar zu machen. Sie schauen hin – auch wenn es unangenehm wird. Denn nur so sind sie für sich und ihre Mitmenschen vollständig erkenn- und greifbar.

2. Sie respektieren ihre Bedürfnisse

Jeder Mensch hat bestimmte Ansprüche und Haltungen. Prinzipien, denen er folgt, nach denen er die Welt betrachtet und bewertet. Und diese gelten zumeist auch für ihn selbst. Doch was, wenn wir Emotionen und Bedürfnisse verspüren, die diesen Ansprüchen, Haltungen und Prinzipien entgegenlaufen? Wir können uns noch so sehr vornehmen, in Balance zu sein und beispielsweise so "niedere" Emotionen wie Missgunst und Neid nicht zu empfinden. Doch was, wenn wir sie doch spüren? Sind wir dann schlechte Menschen? 

Nein. Es ist legitim, Emotionen zu spüren und Bedürfnisse zu haben. "Ich empfinde diese Emotion – und das ist in Ordnung" – ist ein Mantra, das solchen Menschen bekannt ist. Es ist wichtig, mit unseren Gefühlen und Wünschen in Verbindung zu treten, hinzuhören und mit Mitgefühl zu reagieren – nicht mit Scham, Wut oder Ignoranz. Das ist Personen mit einem hohen Intimitäts-IQ klar.

3. Sie stehen für ihre Bedürfnisse ein

Nicht nur vor sich selbst sind Menschen mit einer hohen Intimitätsintelligenz offen in Bezug auf ihre Bedürfnisse – sie teilen sie auch mit ihren Mitmenschen, laden sie zu einem Dialog darüber ein. Mit dieser Öffnung machen sie sich manches Mal verletzlich – doch die Selbstoffenbarung macht sie auch zu authentischen Mitmenschen, die in anderen ein Gefühl des Vertrauens hervorrufen. Denn man weiß, woran man bei dieser Person ist.

4. Sie gehen Risiken ein

Wer sich öffnet, wer sein Innerstes offenbart, macht sich verletzlich und angreifbar. Doch solche Menschen gehen diese Risiken kalkuliert ein, schließlich ist der mögliche Gewinn es allemal wert: Eine vertrauensvolle Basis in der Beziehung zu schaffen, eine Atmosphäre, die auf Offenheit, Selbstoffenbarung, Reflektion und Respekt vor den eigenen und den Bedürfnissen und Emotionen des:der Partners:Partnerin besteht. Ein nährender Boden für ein tiefes, gesundes und glückliches Miteinander.

5. Die Angst ist nicht der Feind

Angst hat in unserer Gesellschaft keinen guten Ruf. "Niemand mag Angst, sie fühlt sich schlecht an. Und aus vielen Gründen könnten wir annehmen, dass alles, was sich so schlecht anfühlst, wahrscheinlich nicht gut für uns ist", erklärt Professorin und Psychologin Tracy Dennis-Tiwary im Gespräch mit dem "Greater Good Magazin". Das (falsche) Narrativ der Angst als etwas Schlechtes sage uns, dass wir Angst verhindern, ausrotten und vermeiden müssten, so die Wissenschaftlerin weiter. 

Doch Angst ist nicht unser Feind. Die Angst kann uns auf Missstände und Gefahren hinweisen, manchmal neigt sie aber auch dazu, ein wenig überdramatisch zu sein. Menschen mit hoher Intimitätsintelligenz wissen, dass Angst bei Beziehungen dazugehört: Wir haben Angst, etwas Falsches zu sagen und unsere Mitmenschen zu verletzen, wir haben Angst davor, sie zu verlieren. Doch es liegt allein in unserer Hand, wie viel Macht wir der Angst über unsere Entscheidungen – und unsere Beziehung – geben. Nicht andersherum.

Verwendete Quellen: psychologytoday.com, dictionary.apa.org, greatergood.berkeley.edu

csc Brigitte

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