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Mit Gottes Segen? Warum heiraten in der Kirche das Größte ist

Mit Gottes Segen?: Warum heiraten in der Kirche das Größte ist
© Alex Gukalov / PR
Nur sechzehn Prozent der Deutschen Heiratswilligen entscheiden sich für eine kirchliche Trauung, obwohl nach wie vor viel mehr Mitglied in einer der beiden Kirchen sind. Es gibt ja auch viele andere schöne Locations, in denen man romantisch heiraten kann – oder geht es um mehr? Unsere Autorin findet: Ja, aber sowas von.

Ich geb’s zu, ich bin ein Dino: Ich lese noch Zeitung, stehe kurz vor der Menopause (oder bin schon mittendrin; gereizt bin ich jedenfalls öfter mal, sagt mein Mann) – und ich bin verheiratet, auch noch kirchlich. Und, Achtung, jetzt kommt’s: seit 17 Jahren. Manchmal kann ich es selbst kaum glauben. Meine Güte.

Kurz vorm 30 Geburtstag vor den Altar getreten, mit 32 das erste Kind, das zweite mit 33, das dritte mit 39 – ich weiß, alles ein bisschen letzte Eisenbahn und nicht grad super originell, aber für mich hat’s gepasst. Ich mag das Stinknormale, ich mag auch Alltag, vielleicht hat genau das mir geholfen 17 Jahre durchzuhalten.

„Ich wollte große Gefühle, große Versprechen, große Party und – ja: Gottes Segen.“

Aber am Tag der Hochzeit wollte ich es nicht stinknormal. Ich wollte große Gefühle, große Versprechen, große Party und – ja: Gottes Segen. Die Kirche, in der wir geheiratet haben, ist die, in der meine Eltern schon geheiratet hatten. Ok, die waren zwar sechs Jahre später wieder geschieden (wie 38,5 Prozent der deutschen Ehepaare im Jahr 2020), aber trotzdem. Schon das Gebäude lag mir deshalb am Herzen; auch weil ich dort getauft worden war und weil es schon backsteinern mitten bei uns im Dorf stand, lange bevor ich auch nur gezeugt wurde. Aber nicht nur deshalb. Ich wollte ein „heiliges“ Versprechen, ich wollte, dass wir es einer höheren Instanz versprechen als uns selbst. Vier Tage vorher hatten wir natürlich auch standesamtlich geheiratet. Erst da war mir klar geworden: ‚Au backe, wenn ich jetzt anders will, müssen wir uns richtig juristisch scheiden lassen‘!(Leichtes Panikgefühl, ehrlich gesagt bei aller Freude) Aber diese Art von Instanz mein ich nicht: Was ich quasi obendrauf wollte, war ein zutiefst moralisches, laut ausgesprochenes Versprechen in einer jahrtausendealten Tradition, so richtig mit Bart und Talar – im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Versprechen, das sich zumindest ausrichtet an den zehn Geboten. Wir haben wahrscheinlich alle zehn irgendwie gebrochen (mindestens eine Fliege ist mal durch unsere Hand gestorben, Ehebruch gab’s meines Wissend noch nicht, aber selbst wenn, well) – dennoch: Sie sind trotzdem ein guter Leitfaden, finde ich. Und ich glaube daran, dass mein Leben ein Geschenk ist, wie auch immer der/die Schenker:in oder Schöpfer:in heißen mag.

„Ich glaube daran, dass mein Leben ein Geschenk ist, wie auch immer der/die Schenker:in oder Schöpfer:in heißen mag.“

Ich kann total gut verstehen, wenn andere sagen: ‚Lieber nicht so ein Riesenfest, das weckt nur zu hohe Erwartungen und überhöht das alles ungut, lieber jeden Tag um die Liebe kämpfen. Und schon gar nicht kirchlich: die Institution hat zuviel am Stecken und an Gott glaub ich eh nicht, das ist romantische Augenwischerei.“ Ich glaube, dass da viel dran ist, ich kann das alles nachvollziehen. Ich kann auch voll respektieren, dass man nicht glauben kann und auch gar nicht will. Aber ich glaube nunmal, und deshalb wollte ich kirchlich heiraten. Mein Mann ebenso.

Gott bzw. Petrus hat sich dann ziemlich von der Arschlochseite gezeigt an dem Tag, ehrlich gesagt: Es hat unglaublich geschüttet, ich hatte total nasse Füße als ich (Achtung nächste konservative Anwandlung) von meinem Vater in die Kirche geführt wurde (obwohl meine Mutter mich alleinerziehend groß gezogen hat; das würde ich heute sicher anders machen. Obwohl: es hatte auch etwas Heilendes). Und diesen Moment habe ich aber trotzdem als den allerschönsten meines Lebens in Erinnerung: Noch heute kann ich all die mir zugewandten, freundlichen, strahlenden Gesichter von Freund:innen und Weggefährt:innen abrufen, an denen ich gefühlt in traumtänzerischer Zeitlupe vorbeigegangen bin, als würde mein ganzes bisheriges Leben noch mal an mir vorbeiziehen. Ich weiß noch sehr viele Worte, die der Pastor zu unserem Trauspruch sagte („Einer trage des Anderen Last“, denn das sollten wir noch ziemlich brauchen können die Jahre danach.) Und ich erinnere mich, dass es mich nahezu innerlich umgehauen hat, als der eigens angereiste Pastor, der meinen Mann schon konfirmiert hatte und eigentlich längst außer Dienst war, nach der Trauung die Hand auf unsere gesenkten Häupter legte für den Segen.

„Danach gab es eine ziemlich unchristliche riesige Party“

Danach gab es eine ziemlich unchristliche, fette Party, deren Ende ich leider irgendwie nicht mehr erinnere. Unsere Freunde haben dann am Abend noch lauter Unverschämtheiten in sehr komischen Poltereien untergebracht, die mich sonst sicher auch getroffen hätten, aber ich war nach diesem Segen dermaßen auf Wolke sieben, dass ich das Gefühl hatte: Ich bin safe, wir sind safe. Und das ist bis heute geblieben. Trotz mancher Last, trotz allem. Die einzigen Feste oder Momente, die sich mir mehr eingebrannt haben als unsere kirchliche Hochzeit, waren dann die Taufen und Konfirmationen unserer Kinder. Vielleicht machen die irgendwann alles anders; auch ok. Was immer uns auch geschehen mag, es fühlt sich dennoch safe an.

Brigitte

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