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Oskar Holzberg Wie verlieben sich Männer?

Wie verlieben sich Männer?: Mann mit Rosenstrauß in der Hand
© ftelkov / Shutterstock
Verlieben sich Männer wirklich anders als Frauen? Psychologe und Paartherapeut Oskar Holzberg nimmt das Thema mal genauer unter die Lupe.

Kurz gesagt: Wozu ist es wichtig, das zu wissen? Jetzt mal ausführlich: Wieso nur beschäftigen wir uns so unermüdlich mit den Unterschieden zwischen den Geschlechtern? Als wäre dort das Geheimnis der glücklichen Beziehung versteckt. Doch kommen wir ihm auch nur ein Stück näher, wenn wir diese Frage beantworten könnten?

Nehmen wir einmal an, wir hätten bewiesen, wie sich Männer und Frauen beim Verlieben unterscheiden. Und, weiter angenommen, wir wüssten jetzt, dass sich Männer schneller, aber oberflächlicher verlieben. Nähmen Frauen dann die Liebesbekundungen ihrer Verehrer nicht mehr ernst?

Oder umgekehrt: Wir wüssten, dass sich Männer ernsthafter und langsamer verlieben. Wäre die Folge, dass verliebte Frauen unendlich geduldig warten würden, bis bei den Kerlen der Verliebtheitsgroschen gefallen ist? Und würden sie in der Zwischenzeit mit ihren Freundinnen Wetten darauf abschließen, wie lange es bis dahin noch dauert? 

Bringt uns die Geschlechterunterscheidung weiter?

Nein, die Fragen nach Geschlechtsunterschieden sind letztlich Sicherheitsfragen. In ihnen verbirgt sich der Wunsch, der Liebe die Ungewissheit auszutreiben. Damit auch das Verlieben so komfortabel wie ein Einkauf im Supermarkt wird. Dummerweise aber auch so langweilig. Wir würden uns gern nur noch dann auf unsere Verliebtheitsgefühle einlassen, wenn wir sicher wären, der andere tut es auch. Perfektes Geben und Nehmen. Wie Einkaufen. 

Unser Liebesleben wäre dann endlich so vorhersehbar, wie es die Beziehungs-Nerds aus dem Silicon Valley fantasieren. Sich zu verlieben wäre nur ein weiterer Algorithmus, der uns sagt: Jetzt kommt der Schritt und dann dieser und dann jener. Wir möchten das Unberechenbare berechnen. Damit wir nicht mehr dem ungewissen Strom unserer Gefühle folgen müssen. Denn das macht uns Angst.

Oskar Holzberg ist seit über 30 Jahren verheiratet, seit mehr als 20 Jahren berät der Psychologe Paare. Dabei stellte er fest, dass einige Sätze für alle Beziehungen gelten. In jeder BRIGITTE stellt er einen davon vor.
Oskar Holzberg ist seit über 30 Jahren verheiratet, seit mehr als 20 Jahren berät der Psychologe Paare. Dabei stellte er fest, dass einige Sätze für alle Beziehungen gelten. In jeder BRIGITTE stellt er einen davon vor.
© Ilona Habben

Wir können unsere Sexualität heute relativ frei ausleben, über digitale Medien unzählige Kontakte knüpfen. Wir fürchten deshalb weniger, niemals jemanden kennenzulernen, der uns gefällt. Wir fürchten vielmehr, zu tiefe Gefühle für jemanden zu entwickeln, der sich nicht darauf einlässt. Wir fürchten, uns auf jemanden einzulassen, der Angst bekommt, wenn aus Spaß ernste Absichten werden. Der seine Gefühle nicht kennt, Aufregung mit Verliebtheit und Lust mit Liebe verwechselt. Und manchmal fürchten wir, selber diese Person zu sein. Die Sicherheit, die wir suchen, können wir nur finden, wenn wir wissen, wer wir sind. 

Einen anderen Menschen lernen wir stets neu kennen

Aber uns selbst können wir immer besser kennen - und damit auch unsere Gefühle unterscheiden lernen. Verlieben ist eben kein Puzzle, bei dem wir nur die vorgefertigten Teile richtig aneinanderfügen müssen. Es ist ein Prozess, der sich unbestimmbar und unvorhersehbar entwickelt.

Dabei verlieben sich Männer anders. Und Frauen auch. Und jeder Mann und jede Frau anders. Und jeder Mann mit jeder anderen Frau und jedem anderen Mann und jede Frau mit jedem anderen Mann und jeder anderen Frau noch einmal anders. Verlieben, das bleibt: no risk, no fun. Und ist es nicht das, was wir suchen?

Brigitte 10/2018

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