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Abschied nehmen Was mir dabei half, mit dem Tod meines Opas abzuschließen

Hände legen sich tröstend auf andere Hände
© LIGHTFIELD STUDIOS / Adobe Stock
Schon bevor mein Opa starb, steckte ich in der Phase der Verleugnung fest. Ich sagte mir immer wieder: "Das wird schon wieder", dachte, dass es nur ein kurzer Krankenhausaufenthalt würde. Deshalb traf mich sein Tod hart und unvorbereitet. Was mir half, seinen Tod zu verarbeiten.

Meine Mutter hatte mehrmals versucht, mich und meine Schwester darauf vorzubereiten. Sie hatte uns erzählt, dass es unserem Opa, ihrem Vater, immer schlechter ging, aber ich wollte es nicht wahrhaben. Teilweise wurde ich wütend, schirmte jegliche Gedanken daran ab, dass es bald vorbei sein könnte. Behauptete in meinen Gedanken, dass das alles nur Übertreibung war. 

Ich war mitten im Studium, etwa 650 Kilometer von zu Hause entfernt – und der Alltag hielt mich gut auf Trab und lenkte mich von den Gefühlen ab, denen ich keinen Raum geben wollte. Als er starb, brauchte ich deswegen eine ganze Weile, um seinen Tod überhaupt zu realisieren. Zuerst fühlte es sich für mich so an, als hätte sich gar nichts geändert. Mein Körper wollte sich mit dem Verlust nicht beschäftigen. 

Ich konnte erst trauern, als es einfach passierte

Erst als die Beerdigung anstand, fuhr ich zurück nach Hause. Ich fühlte bis dahin überwiegend nichts, auch auf der Rückfahrt war ich nur ruhig und gefasst. Ich fragte mich, was mit mir denn bitte nicht stimmte. Und dieses Gefühl hielt an, als ich meine Mutter, meinen Vater und meine Schwester sah. Erst als wir an der Kirche standen, tat sich langsam etwas. Weil so viele Menschen da waren, die über ihn reden wollten. Die ihn gekannt und geliebt hatten, wegen der unterschiedlichsten Begegnungen. Tanten, Onkel, Bekannte, Menschen, die ich nie gesehen hatte, aus dem Musikverein oder der Nachbarschaft. Und als wir uns in dem kalten Raum in Winterjacken und auf den unbequemen Holzbänken niederließen, fing meine Fassade endlich an, zu bröckeln.

Die Kunst, Abschied zu nehmen

All diese Menschen saßen um mich herum, die gemeinsam mit mir um meinen Opa trauerten. Das Gefühl von Verständnis, Mitgefühl und der gemeinsamen Andacht an ihn löste die Tränen, die ich so lange zurückgehalten hatte. Mit dem ersten Lied, das angestimmt wurde, weinte ich bis zum Ende der Trauerfeier. Als ich rauskam, hatte ich immer noch Probleme damit, wieder aufzuhören. Meine Schwester, meine Mutter und meine Tanten umarmten mich und wir liefen alle gemeinsam zum Grab, um seinen Sarg zur Erde zu lassen. All das war ein erster Schritt, der mich mit meinen Emotionen verband, die ich zuvor nicht hatte fassen oder zulassen können. Der Zusammenhalt meiner Familie und die gemeinsame Erinnerung aller Anwesende rührte mich, machte mich traurig und glücklich zugleich. Ohne diese Erfahrung und die gemeinsamen Tage danach, hätte ich all das vermutlich weitere Zeit nicht gespürt.

Gemeinsame Erinnerungen und Geschichten

Die ganze Familie traf sich später im Haus meiner Oma. Die persönlichen Geschichten über meinen Opa waren damals besonders schön. Jeder meldete sich mal zu Wort mit einem "wisst ihr noch" oder "ich weiß noch" Gedanken. Bei uns Jüngeren, meinen Cousins und mir waren es oft witzige Momente von Familienfeiern wie das erste, heimliche Mischbier oder ein lebhafter Auftritt mit seinem Akkordeon im Musikverein. Bei meiner Cousine die gemeinsame Zeit, in der sie Kreuzworträtsel lösten und schnackten, wie man bei uns zum gemütlichen Plaudern sagt. Der groß gefeierte Geburtstag, bei dem seine Kinder lustige Stücke und Reime aufgeführt hatten ... es gab so viele Gespräche im Raum und Stück für Stück heilten wir uns gegenseitig. Auch wenn die Trauer natürlich deutlich länger anhielt. 

Was ich in diesen Momenten aber gemerkt habe, ist, die Kraft von liebenden Menschen. Dass es eine der größten Hilfen sein kann, nicht allein zu sein. Und ich weiß, dass nicht jede Person dieses Glück hat. Aber ich hoffe, dass diese Menschen stattdessen Freund:innen oder eine:n Partner:in bei sich haben. Vertraute, mit denen man weinen und denen man erzählen kann, warum der:die Verstorbene so ein wichtiger Teil unseres Lebens war. Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, sich die Zeit zum Trauern zu nehmen. Vermutlich hätte ich weitere Wochen in meinem gefühlsleeren Zustand verbringen können. Aber stattdessen weiß ich nun, dass Verletzlichkeit die bessere Entscheidung sein kann. Stärke war bei mir nur eine Fassade. Viel wichtiger war, sie fallenzulassen, mich menschlich und verletzlich zu zeigen. Erst dadurch, dass ich meine Emotionen rauslassen und zeigen konnte, fühlte ich mich am Ende zwar unglaublich müde, aber auch befreit und dankbar für die Menschen, die ich immer noch in meinem Leben habe.

Brigitte

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