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Wie es ist, wenn man die Liebe am anderen Ende der Welt findet

Wenn man die Liebe am andere Ende der Welt findet
© Getty Images
Zwischen Diedorf und der Insel Rarotonga liegen 17 000 Kilometer. Mona und Tairi kommen aus zwei Welten und fühlen sich als Seelenverwandte. Nicht so leicht, wenn man die Liebe am andere Ende der Welt findet. Eine Familie erzählt.
von Lena Schindler

Nur ein paar Tage bevor sie den Mann ihres Lebens kennenlernte, verliebte sich Mona wie nie zuvor. In eine Insel, deren Name so klingt, als wäre er dem Schnapsrausch eines rührseligen Seemanns entsprungen. Ein Ort, an dem die Frauen sogar an der Kasse Blumenkränze im Haar tragen und der Sand so fein ist, dass er unter den Füßen quietscht: Rarotonga. Dorthin buchte sie während eines Work-and-Travel-Jahres in Australien ein Ticket. Kleiner Trip ins Südseeparadies, wenn man schon so dicht dran ist. Aber dann waren da eben nicht nur türkisfarbenes Wasser und der Frangipani-Duft überall, sondern auch noch Tairi, den sie in einer Bar kennenlernte: Guide für Bootstouren durch die Lagune, Rugbyspieler und 22 Jahre alt wie Mona selbst. 

Große Nähe trotz 17.000 km Distanz

Obwohl sie sich in sein Englisch erst hineinhören musste, verstanden sie sich, als wären sie im selben Nest aufgewachsen. Große Nähe trotz 17 000 Kilometern Distanz zu ihrem Heimatort Diedorf in Bayerisch-Schwaben. Und zwei Wochen, in denen er ihr seine Welt zeigte. „Versprich mir, dass du wiederkommst“, bat er sie beim Abschied. Ohne daran zu glauben, dass sie es tun würde. Denn Geschichten von Urlaubsflirts enden meist an dieser Stelle. Weil alles dann eben doch nicht so gut passt, wenn man wieder im Alltag anlandet und der Bikini zwischen Büroklamotten auf der Leine trocknet. Auch Mona und Tairi hörten nichts mehr voneinander – weil er weder Handy noch Internet hatte. Aber einen Monat später lief die Frau, die ihn nicht mehr losließ, am Strand plötzlich direkt auf ihn zu. Sie war wieder da. Einfach so.

Mona erzählt:

"Irgendwie war ich mir sicher, dass Tairi auf mich warten würde, als ich zu ihm zurückflog, ohne ihn hätte vorwarnen zu können. Vorher hatte ich mich nie wirklich verlieben können, aber zwischen uns gab es sofort eine starke Verbundenheit – und ich bin knapp zwei Jahre geblieben.

Anfangs fehlte mir auf Rarotonga nicht viel, obwohl die Insel so klein ist, dass man sie in 32 Kilometern umfahren kann. Etwas Privatsphäre vielleicht inmitten einer großen Familie, mit der wir auf engstem Raum zusammenlebten. Oder die Möglichkeit, mal in eine Stadt zu fahren. Aber ich hatte ja das Paradies vor der Haustür!

"Irgendwann sehnte ich mich nach Vertrautem"

Ich hätte dort auch meine beruflichen Ziele verwirklichen können, ein Tourismus-Fernstudium hatte ich schon begonnen. Aber irgendwann sehnte ich mich nach Vertrautem, danach, mit Freunden in meiner Muttersprache Blödsinn zu reden, nach Winter, nach meinen Eltern, meiner Heimat. Wie sehr, wurde mir erst klar, als vor zwei Jahren unser Wunschkind Liana zur kam. 

Plötzlich fühlte ich mich isoliert, weil ich nicht mehr im Restaurant arbeitete, wir uns kein Auto leisten konnten und ich mit dem Baby nicht Roller fahren wollte. Vorher war ich immer mitgekommen, wenn Tairi ein Rugbyspiel hatte oder abends aufgetreten ist. Das ging mit der Kleinen nicht mehr so einfach. Auch wenn alle wahnsinnig nett zu mir waren und ich in seiner Schwester eine gute Freundin gefunden hatte, fühlte ich mich manchmal etwas einsam.

"Ein vollkommen anderes Leben!"

Als Tairi vor knapp anderthalb Jahren dann mit nach Deutschland umzog, habe ich ihn ermutigt, sich beim Rugby anzumelden, um sich etwas Eigenes aufzubauen. Wir haben hier eine Wohnung im Haus meiner Eltern, er arbeitet als Baumpfleger, und ich beginne im Herbst eine Ausbildung zur Finanzwirtin. Ein vollkommen anderes Leben.

MIR IST BEWUSST, wie viel er für unsere Liebe aufgegeben hat. Und ich fühle mich umso mehr für sein Glück verantwortlich. Vielleicht macht das eine Beziehung auch stärker, weil man sich mehr um den anderen bemüht. Obwohl unsere Kulturen so verschieden sind, gibt es wenig Konflikte, das liegt vielleicht daran, wie man sich in seiner Heimat begegnet: Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit gehen den Menschen über alles. Manchmal muss ich Tairi sogar sagen, dass er nicht immer nur an andere denken soll, sondern auch mal an sich. Es sind eher kleine Dinge, über die wir uns in die Haare kriegen. Etwa dass er unsere Tochter mit zu viel Süßem verwöhnt. Auf Rarotonga wird Wertschätzung eben häufig über Essen ausgedrückt.

Mein Wunsch wäre es, ein zweites Kind zu bekommen, auch in 30 Jahren noch mit ihm in Diedorf zu leben und im Urlaub so oft wie möglich auf die Cookinseln zu fliegen. Aber Angst habe ich schon, dass auch er seine Heimat irgendwann so vermissen wird, wie ich meine vermisst habe."

Tairi erzählt:

"Obwohl schon fast anderthalb Jahre vergangen sind, kann ich manchmal noch immer nicht glauben, dass ich in Deutschland wohne. Mona musste mich nicht überreden, mit ihr herzukommen, ich habe mich ja bedingungslos für unsere Beziehung entschieden. Angst hatte ich trotzdem. Mit meiner Familie lebte ich während meiner Schulzeit in Neuseeland, aber weiter weg war ich nie. Als ich herkam, fühlte ich mich wie ein König. Monas Familie ist nicht reich, doch verglichen mit meinem Elternhaus ist ihres ein Schloss. Alles ist so günstig hier, auf Rarotonga kostet eine Packung Windeln ein Vermögen.

"Nur mein Deutsch muss besser werden"

Anfangs war ich sehr abhängig von Mona. Meine Eigenständigkeit aufzugeben fiel mir schwer. Alles ist einfacher, seit ich Freunde und einen Job gefunden habe, der mir gefällt – auch wenn die Arbeit anstrengender ist als die Bootstouren mit den Touristen. Jetzt will ich mich zum Baumkletterer weiterbilden, kein Problem für jemanden, der mit Kokospalmen an jeder Ecke groß geworden ist! Nur mein Deutsch muss besser werden. Auch weil ich verstehen möchte, was meine Tochter und meine Freundin miteinander so reden. Ich spreche mit den beiden ja nur Englisch – und mit Liana manchmal Cook Islands Mãori, dieser Teil meiner Kultur soll nicht verloren gehen.

"Mona hat mir so viel von der Welt gezeigt"

An das Tempo hier gewöhne ich mich nur langsam, in meiner Heimat stehen die Uhren auf „Island Time“, alles geht gemächlich. Mir fehlt auch das Fischen, das Leben unter freiem Himmel und das Gefühl, Teil einer großen Gemeinschaft zu sein. Infrage stellen würde ich meine Entscheidung aber nie. Monas Eltern sind einfach wunderbar, von ihrem Vater lerne ich so viel Handwerkliches, für mich ist er nur „Superman Erwin“. Ich führe ein Leben hier, von dem viele Menschen auf Rarotonga träumen. Und Mona hat mir so viel von der Welt gezeigt, wir waren in Amsterdam, auf Bali und in Los Angeles. Das hätte ich ohne sie nie zu sehen bekommen.

"Wenn man zwei Zuhause hat, ist man auch irgendwie zerrissen"

Auch für unsere Tochter bin ich froh, dass sie in Deutschland aufwachsen darf, hier kann sie alles werden, was sie möchte. Aber es stimmt mich auch wehmütig. Auf Rarotonga gibt es keine Kriminalität, man kann die Kinder laufen lassen. Hier müssen die Eltern immer in ihrer Nähe bleiben.

Manchmal mache ich mir Sorgen, dass meine Eltern gebrechlich werden könnten. Wir sind damals von Neuseeland zurück nach Rarotonga gegangen, um für die Großeltern da zu sein. Wie sollte ich in so einer Situation allen gerecht werden? Wenn man zwei Zuhause hat, ist man auch irgendwie zerrissen.

Ich kann mir vorstellen, in Zukunft hier zu leben, aber ich will auf Rarotonga ein Haus für meine Familie bauen. Und ich möchte so bald wie möglich heiraten, am Strand vor meiner Lagune."

Monas Mutter erzählt:

"Bald wird es ihr zu eng, und sie kommt zurück! Das war mein erster Gedanke, als Mona nach Rarotonga ging. Aber ich irrte. Bei ihrem Besuch zu Weihnachten holte sie ein paar Babysöckchen hervor: „Mama, ich bin schwanger.“ Für mich brach da eine Welt zusammen. Ein Enkelkind in der Südsee! Ich sah uns nur noch für die Tickets dorthin sparen ...

Zwei Wochen vorm Geburtstermin sind mein Mann Erwin und ich zu unserer Tochter geflogen. Wir wurden so herzlich empfangen, als wäre Mona die Prinzessin der Cook Islands, das war überwältigend. Diese Erfahrung kann uns keiner nehmen. Ich verstand sofort, warum sie sich an diesem Ort so geborgen fühlte. Tairi und seine Familie haben wir fest ins Herz geschlossen.

ALS BEI MONA DIE WEHEN einsetzten, sind wir bei Nacht und strömendem Regen mit dem Roller ins Krankenhaus gefahren. Das war ein Schock: Zustände wie bei uns vor 50 Jahren! Ich habe Stoßgebete losgeschickt, dass alles gut geht.

"Ich weiß, wie weh das tut"

Merkwürdig, aber durch Monas Südsee-Liebe sind wir jetzt wieder ganz dicht zusammengerückt. Bei uns in Diedorf ist mit Tairi ein Stück der großen weiten Welt eingezogen, manchmal spielt er auf der Ukulele, wir telefonieren per Facebook Messenger mit Rarotonga, und ich bin so stolz auf meinen Mann, wie toll er mit 67 Jahren Englisch spricht, obwohl er es nie gelernt hat. Wenn ich an Lianas andere Großeltern denke, wird mir das Herz schwer. Weil sie ihr Wertvollstes loslassen mussten – und ich weiß, wie weh das tut."

Tairis Mutter erzählt:

"Was will jemand aus Europa mit unserem Inseljungen? Das habe ich mich gefragt, als ich von Mona hörte. Wir führen ein einfaches Leben, bauen Papayas, Ananas und Avocados an, feiern am Samstag Gottesdienste auf unserer Terrasse. Was sollten wir ihr bieten? Aber als Tairi sie zum Barbecue mitbrachte, waren alle Sorgen vergessen. Mona war gar nicht fremd, sie gehörte zu uns. Jeder konnte sehen, dass es Liebe war zwischen den beiden. Sie hören einander zu, beiden geht die Familie über alles, das verbindet sie. Außerdem war der Ururgroßvater meines Mannes ein deutscher Seemann, wer weiß, vielleicht hat das auch etwas zu bedeuten ...

Mein Mann Toru und ich haben geweint, als wir die zwei und unsere Enkeltochter zum Flugzeug nach Deutschland gebracht haben. Wir kennen es ja nur so, dass unsere Kinder nah bei uns wohnen. Aber es ist wunderbar, dass Tairi diese Erfahrungen machen darf – auch wenn wir jetzt all die kleinen Schritte unserer Enkelin nur aus der Ferne begleiten können.

"Frauen müssen einfach zusammenhalten"

Wenn ich Fotos aus Deutschland bekomme, sehe ich, dass mein Sohn als Mann und Vater gewachsen ist. Ungewohnt sind diese vielen Klamotten, hier hat er immer nur Shorts und Flipflops getragen.

Auf unserer Insel ist es Tradition, seinen Kindern etwas Land zu vermachen. Wir haben das Grundstück auf den Namen unserer Enkelin eintragen lassen. Sollte Tairi auf die absurde Idee kommen, sich zu trennen, gehört es Mona und Liana. Ich finde, Frauen müssen einfach zusammenhalten. Und eine andere Schwiegertochter kommt mir sowieso nicht ins Haus."

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