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Wenn Väter zu sehr lieben

Er wickelt sie, er spielt mit ihr, die kleine süße Tochter ist Papis ganzer Stolz. Wenn Väter zu sehr lieben, bleibt die Ehefrau dabei auf der Strecke - und hat obendrein noch Schuldgefühle.

Am Anfang machen sie oft die scheuen Hirsche. Wissen nicht, wie sie so ein Baby anpacken sollen, sind verschnupft, dass sie deinen Busen mit der Kleinen teilen müssen, und wenn du Pech hast, hätten sie ohnehin lieber einen Jungen gehabt. So ist es, wenn ein Mann Vater einer Tochter wird. Das sagten zumindest Christinas Freundinnen. Aber Richard war anders, gott sei dank. Stundenlang schaukelte er seine süße Natascha im Arm, wärmte Fläschchen oder spielte dem achtwöchigen Wonneproppen auf der Geige vor, bis sie einschlief. Irgendwann ließ er sogar die "Tagesschau" sausen, um mit Christina über ein paar Pickelchen in Nataschas Gesicht zu diskutieren. Und nahm sich dann in der Firma einen halben Tag Urlaub, um mit der Kleinen zum Hautarzt zu gehen. "Übertreib's mal nicht", hatte Christina gelacht. Doch Richard hatte es nicht übertrieben. Er wollte es so. Genau so.

"Ich dachte immer, er tut das alles, um mich zu entlasten. Und um mir zu zeigen, dass er voll hinter seiner kleinen Familie steht", erzählt die 37-Jährige. Doch Richards väterliche Fürsorge hatte mit Christina nichts zu tun. Das merkte sie, als seine ersten Vorwürfe kamen. Weil sie auf dem Klo saß, während Natascha nach ihr brüllte. Weil sie einen Babysitter organisierte, um in Ruhe einkaufen zu gehen, und Natascha just während dieser wenigen Stunden leichtes Fieber kriegte. "Richtig reden konnte ich mit ihm nicht mehr. Höchstens über das Kind. Zusammen ins Kino gehen oder gemütlich essen wie früher, das interessierte Richard null", erinnert sich Christina. "Da fühlte ich mich mies. Total abgestellt irgendwie. Verraten von der Liebe - der Vaterliebe."

Da probt man erstmals als Familie, und schon verlangt Papa die Umbesetzung: Die neue Hauptrolle geht ans Töchterlein, seiner Frau bleibt nur ein Nebenpart - ein bisschen Amme, ein Touch von Putzfrau, nur als Herzensdame hat sie offensichtlich ausgedient. "Gerade in den ersten drei Jahren ist das bitter, wenn das Kind einen ohnehin stark fordert", sagt die Diplom-Psychologin Claudia Clasen-Holzberg.

"Da hat man als Mutter selbst auch mal das Bedürfnis, verhätschelt zu werden." Außerdem wollte man das Kind seiner Liebe doch gemeinsam genießen, das Wunder zusammen erleben. Und nun kann man plötzlich die vielen Kosenamen des Vaters für die Kleine nicht mehr hören. Klammheimlich hat sie sich in die Seele geschlichen, die Eifersucht. Verzweifelt sucht sie ein Ventil, aber es gibt keines. Unruhig fordert sie ein Ziel, aber da ist nur ein unschuldiges Baby. Und schon weckt jeder Anflug von Groll und Missmut einen Schwarm giftiger Plagegeister: die Schuldgefühle. Da gönnt eine ihrer Tochter die Liebe des Vaters nicht? Rabenmutter!

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