Im US-amerikanischen Bundesstaat Virginia ist eine Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern verboten. An der Universität von Virginia forscht der Psychologe Prof. James Coan über Bindung und Paare. Und so lernte Prof. Coan in einer seiner Studien etwas über das Verheiratetsein, das ihn nach eigenen Worten "ziemlich ausfreaken ließ".
Beziehungen schenken Geborgenheit
Für seine Untersuchungen hat Coan verheiratete Menschen in einen Magnetresonanztomografen gesetzt, um ihr Gehirn beobachten zu können. Dann wurden die Versuchspersonen Stress ausgesetzt – in diesem konkreten Fall, weil sie leichte Stromstöße befürchten mussten. Zunächst waren sie dabei allein. Dann hielt ihr Ehepartner ihre Hand. Es stellte sich heraus, dass dadurch die Stressreaktion deutlich geringer wurde. Das wunderte Coan nicht: Es ist keine Gefühlsmetapher, wenn wir uns in einer Beziehung sicher und aufgehoben fühlen, sondern eine in unserem Gehirn nachweisbare Tatsache. Wir sind Bindungswesen und darauf ausgerichtet, nicht allein zu existieren. Durch unsere Beziehungen zu anderen regulieren wir unsere Gefühle und bewältigen die Anforderungen unseres Lebens.
Inneres Commitment von großer Bedeutung
Doch dann kam die Überraschung: Als James Coan seine Ergebnisse an gleichgeschlechtlichen, also allesamt unverheirateten Paaren überprüfte, beruhigte sich nur bei der Hälfte der Paare das Gehirn wie erwartet. Bei den anderen trat kein Effekt auf. Null. Gar nichts. Und es gab nur einen entscheidenden Unterschied zwischen beiden Gruppen: Sie fühlten sich unterschiedlich stark mit ihren Partner*innen verbunden. Wer das Gefühl hatte, einfach zusammenzuleben, fand keine Sicherheit im Partner. Wer sich dagegen wie verheiratet fühlte, dessen Gehirn beruhigte sich. Entscheidend war das innere Commitment der Partner, also, wie sehr sie sich auf ihre Beziehung eingelassen hatten. Selbst ein geringer emotionaler Abstand wirkte sich aus. Das heißt: Nur wenn wir uns wirklich fest gebunden fühlen, signalisieren wir unserem Gehirn, dass es sich auf den anderen verlassen kann. Wenn "heiraten" bedeutet, dass wir uns voll und ganz auf unsere Liebesbeziehung einlassen – was ja die Idee der Heirat ist – , dann ist sie viel mehr als ein super Steuersparmodell.
80 Prozent aller Paare leben eh schon vor dem Gang zum Standesamt zusammen. Doch die Hochzeit, das offizielle "Ja" zu den guten und schlechten Zeiten, die Freunde und Familie als unsere Zeugen, die Musik, das Fest der Sinne, sie festigt unser gegenseitiges "Commitment", sie ist der endgültige Schritt aufeinander zu. Der Ringtausch ist das äußere, unterstützende Ritual. Aber wir "heiraten" auch innerlich – oder eben nicht. Und so sagt mancher vielleicht "Ja" und meint in Wahrheit doch "mal sehen". Andere Paare dagegen können auch ohne Trauschein "verheiratet" sein. Doch wie auch immer: Unser Gehirn bemerkt offenbar, ob wir uns eine Hintertür offen lassen. Und die kann auch heißen, dass wir den letzten Schritt eben nicht gehen: zu heiraten.
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