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Paartherapeut verrät Das kannst du tun, wenn dein Partner an eine Verschwörung glaubt

Verschwörungstheorien: Mann mit Aluhut und Plastikbrille vor Fernseher
© Nomad_Soul / Shutterstock
Liebe ist die Antwort auf alle Fragen? Nicht ganz. Sie stellt auch ziemlich viele. Psychologe und Paartherapeut Oskar Holzberg beantwortet sie alle.

Was mache ich, wenn mein Partner plötzlich an Verschwörungsmythen glaubt? Dann geht der Riss durch die Welt mitten durch die Beziehung.

Wir möchten unsere Sicht auf das Leben teilen. Wir sehnen uns zutiefst danach, uns in unserem Erleben verstanden, begleitet und unterstützt zu fühlen. Deshalb sind wir in der Verliebtheit geradezu berauscht davon, endlich unseren Seelenpartner oder -partnerin gefunden zu haben. In unseren Liebesbeziehungen suchen wir das Gemeinsame, hier wollen wir Isolation und Einsamkeit endlich für immer überwinden.

Wenn die Nähe verloren geht

Doch zurzeit brechen überall trennende, unüberwindlich scheinende Gräben auf. Gesellschaftlich, auch zwischen Freunden, Familienmitgliedern – und Liebespartnern. Und damit ist die Nähe, die uns alles bedeutet hat, plötzlich verloren. Das Schlimmste, was in einer Beziehung geschehen kann, ist eingetreten: Wir können den anderen nicht mehr erreichen. Wir stehen fassungslos davor und erleben entsetzt, wie jede Diskussion unserem Partner nur weiter in Argumente und Scheinargumente treibt.

Neu in den Partner verlieben: Oskar Holzberg
Oskar Holzberg, 67, berät seit über 20 Jahren in seiner Hamburger Praxis Paare und ist seit über 30 Jahren verheiratet. Sein aktuelles Buch heißt "Neue Schlüsselsätze der Liebe" (240 S., 11 Euro, DuMont).
© Ilona Habben

Was immer uns in einem solchen Fall als Meinung, Information, Erkenntnis oder Überzeugung begegnet und letztlich in Verschwörungstheorien münden kann, ist von Gefühlen getragen. Wir sind keine vernünftigen Wesen, wir ringen nur immer darum, es zu sein. Also ist es klug, erst einmal zu versuchen, die neue Position unseres Partners nachzuvollziehen. Fragen zu stellen, verstehen zu wollen. Dies geht aber nur bis zu dem Punkt, wo wir nur noch kruden Behauptungen, verwirrenden Widersprüchen und unbelegten "Wahrheiten" begegnen. Dann können wir nicht mehr fragen, wie unser Partner zu seiner Sicht kommt, sondern nur noch, was sie ihm bedeutet. Welche Gefühle er dabei erlebt. Und weil wir unseren Partner oder unsere Partnerin ja gut kennen, können wir ihn oder sie vielleicht auf diese Gefühle ansprechen. Darauf, ob sie ihm bekannt vorkommen, ob sie ihn an etwas erinnern, was wir von ihm kennen und wissen.

Neue Weltsicht kann Beziehung beeinflussen

Aber vor allem können wir fragen, wie er denkt, dass es mit unserer Beziehung weitergehen kann. Was seine neue Weltsicht mit uns als Paar machen wird. Kann er noch anerkennen, dass ich die Welt anders verstehe? Und können wir noch gemeinsam betrauern, welche Nähe uns dadurch verloren geht? Oder bekämpft er mich wie jeden anderen, wenn ich ihm nicht folge?

Wir können uns nicht mehr als Mühe geben, einen sanften, verständnisvollen und fragenden Dialog zu führen. Aber letztlich kann alles vergeblich sein. Weil alles geleugnet und verdrängt werden kann. Und dann müssen wir unseren Partner damit konfrontieren, dass unser gemeinsamer Weg endet, weil wir ihm in seine geistige Sackgasse nicht folgen werden. Wenn wir ihn durch unsere Trauer darüber auch nicht erreichen, dann haben wir ihn verloren.

Uns bleibt nur die Hoffnung, dass wir ihn, trotz allem Leugnen, doch irgendwie erreicht haben. Dass es vielleicht doch einen Teil in ihm gibt, der sich irgendwann durchsetzt, und er seine Blase wieder verlässt. Weil er uns und unsere Welt nicht verlieren will. Aber vielleicht haben wir uns dann schon so endgültig getrennt, dass er uns jetzt nicht mehr erreichen kann.

Noch mehr Antworten gibt es im neuen Podcast von Oskar Holzberg und seiner Frau Claudia. ("Paaradox", u. a. auf Audio Now oder über brigitte.de/podcast). Beide sprechen offen über die Themen, die Beziehungen immer wieder herausfordern. 

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BRIGITTE 26/2020

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