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"Liebe Alexandra ..." Ex-Frau schreibt Brief an seine Neue – und findet den perfekten Schluss

Trennung: Frau schreibt Brief
© Nitiphonphat / Shutterstock
Sie wollte nie etwas mit ihr zu tun haben. Aber inzwischen sind zehn Jahre vergangen, und das ist ein guter Anlass, sich doch mal zu Wort zu melden. Der Brief einer Ex-Frau an ihre Nachfolgerin.
Zuerst war da Wut, erst dann kam die Trauer. Und irgendwann war es dann okay. Zumindest fast.

Liebe Alexandra, dies ist der erste Brief, den ich an Dich schreibe, und vermutlich wird es der einzige bleiben. Du bist die Frau, wegen der meine Ehe in die Grütze gegangen ist. Ein Bedürfnis, Dich näher kennenzulernen, verspüre ich bis heute nicht. Aber inzwischen sind zehn Jahre vergangen, und das bringt mich mehr als sonst zum Nachdenken über mein Leben als geschiedene Frau und Mutter von zwei Kindern. Und über Dich, die Du den Alltag der Mädchen am Rande meines Sichtfelds eindeutig mitgeprägt hast.

"Ich konnte all das, was uns verband, nicht unter Hass begraben."

Als Eure Affäre aufflog, in den Monaten vor der Trennung und in denen danach, habe ich ständig über Dich geredet. Aber nie Alexandra gesagt, sondern immer "die Xandi". Jedes Mal, wenn ich diesen putzigen Spitznamen aussprach, tat ich es mit Häme und mitsamt Artikel. "Die Xandi" klingt wie ein Problem, das man in den Griff kriegt. Alexandra war mir zu erhaben. Vermutlich weißt Du, was Dein Name in der Übersetzung aus dem Griechischen bedeutet: "Die fremde Männer Abwehrende" – guter Witz. Die Wut auf Dich hat mich manchmal fast bersten lassen, sie war anfangs viel größer als die Trauer, leichter zu ertragen. Natürlich hat auch Thomas’ Verrat mich fassungslos gemacht, aber ihn habe ich geliebt, ich konnte all das, was uns verband, nicht unter Hass begraben. Ihn verstand ich, ein winziges bisschen jedenfalls, wir hatten diese zermürbende Routine zwischen Job und kleinen Kindern und ständiger Überlastung ja geteilt, und die Frage "Wo finde ich in diesem ganzen Wirbel eigentlich noch statt?", die haben wir uns wohl beide gestellt. Aber Du, wie konntest Du? Eine Frau, die selbst ein Kind großgezogen hat, die sich hat scheiden lassen, als ihr Sohn acht war, und die wusste, was es bedeutet, allein klarkommen zu müssen. Und dann gibst Du den Avancen eines Mannes nach, der – Überraschung – dringend ein bisschen Bewunderung braucht; weil er halt verheiratet und Vater von zwei kleinen Mädchen ist? Die Liebe ist keine Himmelsmacht, sie ist eine Entscheidung, und Du hast Deine getroffen, wissend, was es für uns alle bedeutet. Warum? Weil Dein Sohn kurz vorher ausgezogen und zum Studium in die USA verschwunden war, und plötzlich gab es wieder Platz in Deinem Leben? Es fiel mir nicht schwer, Dich ins Visier zu nehmen. Facebook, gemeinsame Freunde und die netteren unter Thomas’ Lehrerkollegen waren solide Quellen: seit einem Jahr an der Schule, Sport und Mathematik, Ex-Bundesligavolleyballerin, ehrgeizig, guter Humor. Geht jeden Morgen laufen und hört dabei Heavy Metal.

Was mich damals getröstet hat: dass Du nicht jünger und hübscher oder eindeutig geistreicher warst als ich. Und, noch wichtiger: dass es mit Dir keine weiteren Kinder geben würde. Eine neue kleine Familie wäre vernichtend für mich gewesen. Die Vorstellung, dass unsere Mädchen für immer die Kinder aus der gescheiterten Ehe sein würden, die zwei, die aus der Zeit stammen, bevor das Schöne, Wahre, Gute losging – schier unerträglich. So sind die Rollen zementiert. Die Mädchen und ich bleiben die Familie, die Thomas mal hatte. Jetzt ist er ein Mann mit zwei Töchtern, und Du bist seine Freundin.

Keine Begegnung

Ohne die Mädchen wärst Du mir längst vollkommen egal. Ich hätte Dich noch ein bisschen gehasst, und irgendwann wäre ich drüber hinweg gewesen. Wegen der Mädchen kann ich Dich nicht ganz ignorieren. Zweimal nur sind wir uns begegnet in der ganzen Zeit, zufällig beim Samstagseinkauf auf dem Wochenmarkt kurz nach der Trennung und dann letzten Sommer, als ich mit Freunden und den Kindern am Elbstrand lag. Zweimal Herzrasen und ein kurzes "Hallo, ihr auch hier? Tja, wir müssen dann mal weiter…" Das war’s.

Allen Anlässen, bei denen wir uns hätten begegnen können, bist Du fernge­blieben. Die Einschulungen, die Konfirmationen, die ganzen Schulkonzerte und Theateraufführungen der Mädchen – Thomas tauchte da jedes Mal ohne Dich auf. Ob das Deinem Einfühlungsvermögen geschuldet war oder seiner Aversion gegen emotional aufgeladene Situationen, weiß ich nicht, aber es hat mir viel Kummer und Stress erspart. An ein Patchwork-Idyll glaube ich nicht, und ich war nicht daran interessiert, es auszuprobieren. Mein Interesse galt immer nur den Mädchen. Dass sie die Trennung halbwegs gut überstehen. Und dass sie sich wohlfühlen können mit ihrem Vater und seiner neuen Freundin.

"Bonusmutter"

Was ich bis heute mitgekriegt habe: Es läuft gut. Du mischst Dich nicht in die Erziehung ein. Du nimmst Dir Zeit für sie und machst ihnen zu den Geburtstagen und an Weihnachten schöne Geschenke. Du bist nett zu ihnen, sie mögen Dich. Wäre es anders, hätte ich das inzwischen wohl mitgekriegt. Ich weigere mich standhaft, Dich als ihre Stiefmutter zu bezeichnen. Für alles, was den Begriff "Mutter" umfasst, betrachte ich mich als exklusiv ­zuständig. Trotzdem hat es mich beschäftigt, als ich irgendwann über die Wortschöpfung "Bonusmutter" gestolpert bin, die der dänische Familientherapeut Jesper Juul erfunden hat für all die Frauen, die dem Leben von Kindern durch die Liebesbeziehung mit deren Vater etwas hinzufügen.

Bonusmutter – das Wort fiel mir ein, als die Mädchen in den Ferien vorletzten Sommer am Strand sofort aufsprangen, nachdem ein paar Jungs in unserer Nähe ein Beachvolleyball-Netz aufgebaut hatten. Und beide selbstverständlich und souverän mitspielten, Spaß hatten und Punkte machten: Da habe ich gestaunt. Und gewusst: Du steckst dahinter. Ich hasse alle Ballsportarten, und ihr Musiklehrer-Vater ist trotz eifrigen Bemühens ein athletischer Totalausfall. Die zwei hingegen können inzwischen alles ganz gut, Tennis und Tischtennis, Fußball und Volleyball, sogar Wasserball spielen sie angeblich wie entfesselt, wenn Ihr zusammen Ferien macht und ein Pool in der Nähe ist.

Was ich inzwischen auch würdigen kann: dass Ihr ihnen vorlebt, was es heißt, eine Beziehung zu führen. Im Guten wie im Schlechten, mit Zoff und Versöhnung. Ich weiß, dass es wichtig und prägend ist, wenn man das als Kind erlebt, und ich hab den Mädchen in dieser Hinsicht nichts zu bieten. Mein wechselhaftes Liebesleben beschränkt sich auf die acht Tage im Monat, an denen sie bei Euch sind.

Ein Tabu?

Beide reden wenig darüber, weder über Dich und Thomas und erst recht nicht über Eure Liebe, es ist fast ein Tabu. Ich betrachte das als unser größtes Versagen. Thomas und ich hatten uns bei der Trennung geschworen, nicht schlecht übereinander zu sprechen vor den Mädchen. Das ist uns tatsächlich gelungen, aber mehr nicht. Unser Verhältnis ist kühl, über wichtige Absprachen hinaus quasi nicht existent. Die ­Mädchen sehen es wohl als einen unausgesprochenen Auftrag, diese beiden Leben so gut wie möglich voneinander getrennt zu halten.

Aber manchmal sickert eben doch etwas durch. Ich weiß zum Beispiel, dass Du sonntagabends ziemlich oft "Kacklaune" hast. Erzählte die Kleine kürzlich am Abendbrottisch. Und die Große daraufhin gleich zu ihrer Schwester: "Was redest Du denn da für einen Scheiß?" Und zu mir: "Da geht Dir gleich einer ab, oder?" Als würde ich mich freuen, sobald ich mal was Negatives über Dich höre. Was natürlich vollkommen zutreffend ist. Aber ich habe versucht, es mir nicht anmerken zu lassen. Und Verständnis gemimt: ist ja wohl klar, arme Lehrer, harte Woche, blablabla. Mal abge­sehen von meinem kleinen billigen Triumph, habe ich tatsächlich ein großes Herz für gestresste berufstätige Frauen mit schlechter Laune.

Nicht so lustig fand ich es hingegen, als die Große mir mal beim Abendbrot erklärte, dass man Mayonnaise echt nicht essen könne, weil da so irre viel Fett drin sei – das hättest Du zu ihr gesagt. Na, herz­lichen Dank, liebe Frau Chefpädagogin, als wüssten wir nicht beide, dass sich pubertierende Mädchen einen möglichst unbefangenen Umgang mit Nahrungsmitten bewahren sollten: Alles ist erlaubt, allein die Menge macht’s. Ich hoffe wirklich, dass meine normale Figur den Mädchen ausreichend Vorbild ist. Ein fettarmer Superbody ist ein schönes Hobby für eine 53-jährige Sportlehrerin, aber keines, dass ich mir für meine Töchter wünsche.

"Ich bin nicht neidisch. Eher kleinlich und missgünstig."

Oh, ich weiß, ich klinge neidisch. Bin ich gar nicht, wirklich. Eher eifersüchtig und kleinlich und missgünstig. Manchmal. Wie nach Eurem Winterurlaub in Nordschweden in der Hütte mit Sauna. "Und stell Dir vor, Mama, da war es so unfassbar heiß drin, und dann sind wir raus und haben nackig nur in Stiefeln Schneeballschlacht gemacht, und die Xandi hat mich voll eingeseift." Das erzählte die Kleine ganz begeistert. Ich stellte mir vor, wie Du mein nacktes Kind an Deine nackte Brust gedrückt und ihm lachend eine Portion Schnee ins Gesicht gerieben hast. Und hätte kotzen können. Alle nackt. Mit Anfassen! Das sollte ich mal bringen, umgekehrt mit einem nackten Mann, der mit uns in den Urlaub fährt, da wär dann aber die Hölle los. Oh, war ich aufgebracht.

Aber das ist dann auch schon alles, was mir nach zehn Jahren an Schrecklichem zu Dir einfällt: ein bisschen Mayonnaise und ein bisschen blanke Haut. Ich habe Dir wirklich nichts vorzuwerfen außer dem weggenommenen Mann, und der ist inzwischen verjährt. Was bleibt, sind zwei liebende Eltern und erstklassiges Bonusmaterial. Nein, das war nix, noch mal: Was bleibt, sind drei Erwachsene, die ge­nügend Rücksicht aufeinander nehmen und sich aufrichtig darum bemühen, dass es den Kindern gut geht. Dafür, liebe ­Alexandra, danke ich Dir von Herzen.

BRIGITTE 16/2020

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