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Trennung - was jetzt?

"Ohne Schmerz geht es nicht": BRIGITTE-Psychologe Oskar Holzberg über die Chance zum fairen Abschied.

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BRIGITTE: Wie viel Verantwortung trägt derjenige, der geht, für den Verlassenen?

Oskar Holzberg: Wenn ich mich von meinem Partner trenne, löse ich den gemeinsamen Beziehungsvertrag auf, das heißt, ich gebe die Verantwortung gerade ab. Deshalb spreche ich lieber von Fairness, und die kann der Verlassene natürlich verlangen. Dazu gehört vor allem, dass man nicht einfach still und heimlich verschwindet und eine Aussprache nicht verweigert.

BRIGITTE: Kann ich denn gehen, ohne wehzutun?

Oskar Holzberg: Wir alle würden alte Beziehungen am liebsten mühelos entsorgen wie den Hausmüll - aus dem Haus, aus dem Sinn. Aber ich kann dem anderen den Schmerz nicht ersparen. Ich muss ihn aber auch nicht unnötig vergrößern, kann zum Beispiel helfen, indem ich ehrlich sage, warum ich gehe.

BRIGITTE: Setzt dann nicht beim Verlassenen erst recht die Selbstzerfleischung ein, nach dem Muster "Hätte ich bloß..."?

Oskar Holzberg: Das richtige Maß an Offenheit zu finden, das Klarheit verschafft, aber nicht unnötig verletzt, ist immer schwierig. Trotzdem sollte man versuchen, die eigenen Motive nachvollziehbar zu machen. Auch wenn ich meine Zweifel habe, dass im Moment der Trennung überhaupt etwas beim anderen ankommt. Verlassen zu werden ist ja ein bisschen wie Ertrinken: Man macht keine überlegten Schwimmzüge, sondern schlägt wild um sich.

BRIGITTE: Nach der Trennung noch und noch eine Aussprache - bringt das was?

Oskar Holzberg: Wer sich darauf einlässt, tut dies meist aus Schuldgefühl. Aber es hilft dem Verlassenen nicht! Sinnvoller ist es auf alle Fälle, eine ordentliche Aussprache zu führen und dann auf Abstand zu gehen. Sonst füttere ich die Erwartung des anderen.

BRIGITTE: Ich habe die Trennung ausgesprochen – und mein Partner bricht völlig zusammen, droht mir: "Wenn du gehst, bring ich mich um!" Muss ich das ernst nehmen?

Oskar Holzberg: Eine heikle Frage. Liebeskummer ist einer der Hauptgründe für Selbstmord, die Drohung ist also nicht völlig abwegig. Andererseits riskiere ich, wenn ich darauf eingehe, emotionale Erpressung. Ich denke, da muss jeder auf seine Kenntnis des anderen vertrauen. Wenn ich weiß, dass mein Partner immer schon zu Depression und Weltuntergangsstimmung neigte, sollte ich aufhorchen, nachfragen und andere informieren, die Mutter, einen engen Freund oder, beim Verdacht auf akute Gefahr, auch einen psychiatrischen Hilfsdienst.

BRIGITTE: Gibt es den Typus des "Verlassenen"?

Oskar Holzberg: Tatsächlich sind manche Menschen noch nie und andere jedes Mal verlassen worden. Dahinter stecken bestimmte Verhaltensmuster, wie wir mit Trennungsangst umgehen – und die hat jeder. Nur reagiert der eine, indem er klammert, und der andere, indem er, sobald Probleme auftauchen, das Weite sucht – und so gar nicht erst in die Gefahr gerät, verlassen zu werden.

BRIGITTE: Ist die Trennung für den, der geht, leichter?

Oskar Holzberg: Erst einmal: Bei Trennungen gibt es keinen Bösen und keinen Guten. Die Rollenverteilung entspricht fast immer der während der Partnerschaft. Einer muss die Trennung vollziehen, meist übernimmt das, wer auch vorher die Beziehungsarbeit gemacht hat. Aber angenehm ist das nicht. Ein kleiner Vorteil liegt vielleicht in der aktiven Rolle, das Schlimme an Trennung ist ja der Kontollverlust. Doch auch wer geht, hatte sich einmal viel erhofft von der Partnerschaft und ist nun genauso desillusioniert wie der Verlassene.

Interview: Susanne Fischer

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