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Psychologie Darum ist nicht dein Partner toxisch, sondern eure Beziehung

Illustration von streitendem Paar: Darum ist nicht dein Partner toxisch, sondern eure Beziehung
© Good Studio / Adobe Stock
Ertappst du dich auch immer öfter dabei, Personen in deinem Umfeld das Label "toxisch" zu verpassen? Mit der Bezeichnung solltest du womöglich etwas vorsichtiger umgehen.

Das Wort toxisch wird inzwischen fast inflationär verwendet. Ständig bezeichnen wir damit Menschen: Unsere Partnerin ist toxisch, weil sie dies macht, ein alter Freund ist toxisch, weil er das macht, und unsere Chefin ist sowieso toxisch, wenn sie uns unliebsame Aufgaben überträgt. Dabei übersehen wir allerdings häufig einen zentralen Umstand: Menschen sind nicht toxisch – Verhaltensweisen und zwischenmenschlichen Dynamiken können es aber sein.

Denn an einem Problem zwischen zwei Menschen ist sehr selten bis nie nur eine Person schuld. In den Beziehungen, die wir typischerweise als toxisch bezeichnen, entstehen oft starke Eifersucht, Kontrolle, Manipulation oder Demütigungen. Auch wenn diese problematischen Dynamiken in der Regel von einer Seite ausgehen, ist diese Person deshalb nicht per se ein schlechter Mensch. Was toxisch ist, sind ihr Verhalten und die Muster, die sich zwischen den Partner:innen gebildet haben.

Warum es falsch ist, die Person als toxisch zu bezeichnen

"Nicht Menschen sind schädlich, sondern ihr konkretes Verhalten und dessen Wirkung", erklärt der Psychologe Stefan Junker gegenüber "geo.de". "Der Begriff 'toxisch' hilft vielleicht, mir einzugestehen, dass etwas in der Beziehung nicht funktioniert. Aber er verleitet gleichzeitig dazu, lediglich mit dem Finger auf den anderen zu zeigen", so der Experte.

Indem wir unsere Freundin, die immer so lange zum Antworten braucht und ständig Treffen absagt, uns dann aber um Hilfe bei ihrem Umzug bittet, als toxischen Menschen abstempeln, machen wir es uns zu einfach. Klar, ihr Verhalten ist nicht in Ordnung, aber es ist auch an uns, das nicht mehr hinzunehmen und klare Grenzen zu setzen. Problematisch ist hier die Dynamik in der Freundschaft – nicht die Person selbst.

Typisch toxische Konstellationen: Das sagt die Wissenschaft

Studien zeigen, dass toxische Konstellationen besonders häufig zwischen einer Person mit vermeidendem Bindungsstil und einer Person mit ängstlichem Bindungsstil entstehen. Denn Erstere hat Angst vor Nähe und hält ihr Gegenüber intuitiv eher auf Abstand, während Letztere ein großes Bedürfnis nach Nähe hat. Sie fühlt sich nur dann sicher, wenn ihr:e Partner:in ihr durch Worte und Berührungen ständig signalisiert, wie sehr er:sie sie liebt. Genau das kann diese Person aber aufgrund ihrer eigenen Prägungen nicht. Ihre Antwort auf die Situation: Rückzug.

Es wäre zu kurz gedacht, nur der Person, die Nähe nicht gut zulassen und geben kann, die Schuld zu geben und sie als toxisch zu bezeichnen. Denn das Problem ist nicht sie allein, sondern ein Teufelskreis aus Klammern auf der einen und Abblocken auf der anderen Seite – eine typische toxische Beziehung.

Natürlich gibt es auch eindeutigere Fälle, in der eine Person die andere offensichtlich schlecht behandelt und ihr – physisch oder psychisch – Gewalt antut. Aber auch hier sollten wir vorsichtig sein, diesen Menschen per se als toxisch bezeichnen. Solche Verhaltensweisen sind selbstverständlich nicht in Ordnung, das Problem besteht aber auch hier in der Dynamik der Beziehung, in der eine Person diese Dinge tut – und die andere diese zulässt.

Ganz abgesehen davon, dass solche problematischen Verhaltensweisen in der Regel ihren Ursprung in eigenen psychischen Problemen und Traumata haben. Das soll auf keinen Fall die Situation verharmlosen oder gar die Verantwortung auf die Opfer übertragen, sondern nur deutlich machen, dass wir möglicherweise einen Schritt zurücktreten und die gesamte Situation betrachten sollten, bevor wir einen Menschen toxisch nennen.

Das kannst du tun, wenn du in einer toxischen Beziehung bist

Wenn du das Gefühl hast, in einer toxischen Dynamik gelandet zu sein, kann es ein wichtiger Schritt sein, dir Hilfe von außen zu suchen. Ein gute:r Therapeut:in kann dir helfen, herauszufinden, ob es noch berechtigte Hoffnung gibt, dass die Schieflage, in die die Beziehung geraten ist, korrigiert werden kann. Je nach Situation könntet ihr eine Paartherapie machen oder du sprichst (zunächst) alleine mit einem:einer Therapeut:in. So kannst du erst einmal für dich herausfinden, ob du überhaupt noch Interesse daran hast, die Beziehung zu retten und eure problematischen Verhaltensmuster anzugehen – oder ob du Unterstützung dabei möchtest, dich aus der toxischen Beziehung zu lösen.

Verwendete Quellen: instagram.com/quarks.de, geo.de, American Psychological Association, psychologytoday.com

mbl Brigitte

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