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Strategische Inkompetenz "Mach du mal, du kannst das besser" – wie du dich gegen diese Haltung wehren kannst

Strategische Inkompetenz führt dazu, dass eine Partei mit Aufgaben überhäuft wird
Strategische Inkompetenz führt schnell dazu, dass eine Partei mit Aufgaben überhäuft wird
© Mariakray / Adobe Stock
Mit strategischer Inkompetenz vermeiden Menschen unerwünschte Aufgaben – und laden sie bei anderen ab. Wie du dich dagegen wehren kannst.

Strategische Inkompetenz als Ausdruck kennen vielleicht nicht viele – aber so ziemlich jeder Mensch ist ihr im Leben schon häufiger begegnet. Oder ist selbst jemand, der:die sie fleißig praktiziert. Denn der Mensch nutzt strategische Inkompetenz bei all den Aufgaben, die er nur ungerne selbst erledigt. Nicht nur auf TikTok sammeln sich zu dem Thema unzählige Beiträge – von witzigen Tanzvideos mit Augenzwinkern bis hin zu bitterernsten Geschichten von Menschen, die unter dem Thema leiden.

Sätze wie "Kannst du nicht auf das Kind aufpassen? Du bist da doch viel besser drin" oder "Magst du vielleicht das Regal aufbauen? Ich bin handwerklich einfach nicht so begabt wie du" sagen das eine, meinen aber zumeist: "Ich möchte das nicht machen, also schiebe ich es auf dich ab." Das geht so lange gut, bis sich die Person, die ständig zusätzliche Aufgaben erledigt, weil die anderen es "einfach nicht so gut" hinbekommen komplett ausgebrannt und -genutzt fühlt. Wie du strategische Inkompetenz erkennen – und dich dagegen wehren – kannst, haben wir in diesem Artikel zusammengefasst.

Strategische Inkompetenz – ein Versagen, das immer wieder gelingt

Das Wallstreet Journal hat den Begriff "strategic incompetence" bereits im Jahr 2007 etabliert. Laut des Autors handelt es sich dabei nicht, wie der Name vielleicht andeuten mag, um eine Strategie, die scheitert, sondern vielmehr um "ein Versagen, das immer wieder gelingt".

Im Kern geht es darum, eine unliebsame Aufgabe auf eine andere Person abzuwälzen – aus unterschiedlichen Gründen und nicht zwingend aus einer bösartigen Intention heraus. Psychologin und Verhaltenstherapeutin Nadine Rheindorf spricht im Interview mit der "Zeit" von einer automatisierten Handlung. "Oft ist es eben erlerntes Verhalten, das man gar nicht unbedingt reflektiert", so die Psychologin. 

Bei strategischer Inkompetenz handelt es sich um passiv-aggressives Verhalten

Problematisch ist hierbei vielmehr die passiv-aggressive Komponente: Es wird nicht kommuniziert, dass man eine bestimmte Sache – zum Beispiel den Abwasch – nicht machen möchte, weil man schlicht keine Lust hat oder gar Unsicherheiten damit verbindet. Ein Teufelskreis. "Wenn ich etwas noch nie gemacht habe, ist die Gefahr groß, dass ich beim ersten Mal Fehler mache oder sogar scheitere. Um sich davor zu schützen, kritisiert zu werden, hilft es, es gar nicht erst zu versuchen", so Rheindorf im Interview.

Wenn strategische Inkompetenz zum Problem wird

Strategische Inkompetenz führt schnell zum Streit
Strategische Inkompetenz führt schnell zum Streit, weil sich eine Partei ungerecht behandelt fühlt
© junce11 / Adobe Stock

Strategische Inkompetenz – die im Englischen mit "weaponized incompetence" (zu Deutsch etwa "gezielte Inkompetenz") eine zweite Bezeichnung hat, kann sich für beide Parteien zum echten Beziehungsproblem entwickeln.

Niemand glaubt mehr an Tom, nicht einmal er selbst

Die eine Seite, die diese Strategie anwendet, baut so in ihrem Umfeld eine immer größere Toleranz für die eigenen Unzulänglichkeiten auf. "Ach, das ist Tom, der ist handwerklich einfach überhaupt nicht begabt" ist in so einem Beispielfall schon gar keine Kritik mehr. Vielmehr kann man hier von "Erwartungsmanagement" sprechen, wie es von Unternehmen verwendet wird und das "The Guardian" so beschreibt: "Wenn du zufriedene Kund:innen haben willst, ist es ratsam, so zu handeln, dass du sie befriedigst. Es ist aber genauso ratsam, auf ihre Kriterien für die Zufriedenheit zu achten (und sie im besten Fall zu beeinflussen)."

Meint: Wer konsequent strategische Inkompetenz anwendet, der:die wird von Menschen für bestimmte Dinge einfach nicht mehr gefragt. Die Wohnung ist unheimlich dreckig? Mist, Tom ist wirklich schlecht im Saubermachen, da muss man am Ende sowieso noch mal drüber, dann mache ich es lieber selbst. Jemand muss auf das Kind aufpassen? Das letzte Mal, als Tom dafür zuständig war, hat das Kind nur Chips gegessen und die Wohnung war ein Saustall. Mach ich lieber selbst! Und Tom kann sich freuen, denn niemand erwartet von Tom irgendetwas. Was bei Tom aber über kurz oder lang dazu führt, dass er selbst von sich nichts mehr erwartet, geschweige denn sich noch irgendetwas zutraut.

Die anderen machen es "mal eben selbst" – bis es nicht mehr geht

Auch die andere Person kommt nicht gut weg bei dieser Strategie: Sie hat entweder die Wahl, darauf zu bestehen, dass der:die Vermeider:in der Aufgabe nachgeht. Dann muss sie aber damit rechnen, dass diese Aufgabe sehr schluderig ausgeführt wird ("Ach, du wolltest die Wäsche auch aufgehängt haben?") oder so schlecht, dass sie selbst noch einmal ran muss ("Wie, du wolltest, dass ich jede einzelne Fliese im Bad saubermache?").

Augenscheinlich ist es einfacher, die Aufgabe von Anfang an selbst zu erledigen – so spart man sich Diskussionen und muss nicht der:die "Böse" sein: Der perfektionistische Mensch nämlich, der alles gerne so hat, wie er es mag und jede andere Art und Weise nicht annehmen kann. Oder – um in die Gender-Klischeekiste zu greifen – die "meckernde Mutti", die alles besser macht und der es niemand recht machen kann. Problematisch wird es spätestens dann, wenn man irgendwann nicht mehr die Kraft hat es "mal eben schnell selbst" zu machen, dann nämlich, wenn nichts anderes mehr gemacht wird, als die Aufgaben des eigenen Alltags zu erledigen und die der anderen Menschen noch dazu.

Wie du dich gegen strategische Inkompetenz wehren kannst

Dass in einer Beziehung jeder Art die Aufgaben nach Stärken und Schwächen aufgeteilt werden, ist für sich nur logisch. Doch bei der strategischen Inkompetenz geht es nicht darum – vielmehr wird eine andere Person, ob beabsichtigt oder nicht, ausgenutzt. Dieses Ungleichgewicht kann sich im schlimmsten Fall negativ und irreparabel auf die Beziehung auswirken. Bevor es dazu kommt, hier ein paar Tipps, wie man mit strategischer Inkompetenz umgehen kann:

  • Der erste und wichtigste Schritt ist offene Kommunikation – sag deinem Gegenüber (Partner:in, Arbeitskolleg:in usw.), wie du die Situation empfindest, was das mit dir macht und warum sich das ändern muss.
  • Achtung: Hier geht es nicht darum, einer Person die alleinige "Schuld" zuzuweisen – alle Beteiligten sind dafür verantwortlich, dass eine Situation so ist, wie sie ist. Genauso sind auch alle Beteiligten mitverantwortlich, die Situation zu ändern.
  • Schreib dir alles auf, was du regelmäßig (z. B. im Haushalt, auf der Arbeit, in der Erziehung) erledigst und was die andere Person tut – sei da sehr genau und notiere wirklich jede "Kleinigkeit". Die andere Person tut das auch.
  • Geht dann gemeinsam die Listen durch und besprecht die einzelnen Punkte, teilt die Zuständigkeiten neu.
  • Das meint auch: Die Person ist von nun an alleine dafür verantwortlich und sollte nicht regelmäßig an ihre Aufgaben erinnert werden müssen.
  • Nach ein paar Wochen setzt ihr euch noch einmal zusammen und besprecht, wie gut (oder weniger gut) das geklappt hat und warum.

Verwendete Quellen: wsj.com, zeit.de, theguardian.com, tiktok.com, theeverymom.com

Brigitte

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