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Ständig Streit in der Beziehung – was tun?

Ständig Streit in der Beziehung: Kleine Ärgernisse hinnehmen
© JKstock / Shutterstock
Ist es klug, kleine Ärgernisse in der Beziehung irgendwann wortlos hinzunehmen? Psychologe und Paartherapeut Oskar Holzberg beantwortet diese und mehr Fragen.

Kurz gesagt: Das erscheint mir nicht nur klug - das ist ein Muss.
Jetzt mal ausführlich: Im Kopf jedes halbwegs aufgeklärten Mitteleuropäers treibt mittlerweile der idealistische Beziehungsberater sein Unwesen. Er wird bei dieser Frage eindringlich flüstern, dass wir in einer guten Beziehung alles ansprechen, keinem Konflikt ausweichen und immer authentisch sein sollen.

Beziehungen sind niemals ideal

Wenn wir auf jede Kleinigkeit reagieren würden, die uns an unserem Liebsten nervt oder auch nur irritiert, kämen wir vor lauter Beziehungsklärung nicht mehr zum Duschen. Es ist zudem höchst unwahrscheinlich, dass unser Ärger mit "Oh Schatz, wie recht du hast! Es tut mir unendlich leid, es wird nie wieder vorkommen" beantwortet wird (mal ganz abgesehen davon, dass uns so eine Streber-Entschuldigung erst recht auf die Palme bringen könnte). Stattdessen wird unser Liebster eher die Augen verdrehen und stöhnen: "Mein Gott, was ist denn jetzt schon wieder los!?" Und eine Minute später fetzen wir uns darüber, ob Männer immer denken, recht zu haben, oder ob Frauen sich immer zum Opfer machen. Und niemand weiß noch, dass es ursprünglich nur darum ging, dass das Handykabel unauffindbar war.

Alles Ansichtssache?

Im Grunde müssen wir ständig entscheiden, ob es sinnvoll ist, unseren Ärger auszusprechen - mit dem Risiko, dass die Sache eskaliert. Solange wir uns gut miteinander fühlen, bleiben Kleinigkeiten eher Kleinigkeiten, die wir wohlwollend hinnehmen. Aber es kann auch passieren, dass der Ärger die gute Stimmung verhagelt wie ein Gewitter ein Open-Air-Konzert. Wenn die Stimmung dagegen ohnehin schon mau ist, nervt jede Petitesse und wir geraten darüber blitzschnell in die uns bekannten, unbefriedigenden und verzweifelt machenden Streitereien. Wir erleben die unumstößliche Beziehungswahrheit, dass es niemals die Ereignisse an sich sind, die uns stören - sondern dass es immer die Sicht ist, die wir auf diese Ereignisse haben. Und diese Sicht ist abhängig von unseren ständig schwankenden Beziehungsgefühlen. Diese Erkenntnis hilft uns schon ein wenig weiter.

Oskar Holzberg ist seit über 30 Jahren verheiratet, seit mehr als 20 Jahren berät der Psychologe Paare. Dabei stellte er fest, dass einige Sätze für alle Beziehungen gelten. In jeder BRIGITTE stellt er einen davon vor.
Oskar Holzberg ist seit über 30 Jahren verheiratet, seit mehr als 20 Jahren berät der Psychologe Paare. Dabei stellte er fest, dass einige Sätze für alle Beziehungen gelten. In jeder BRIGITTE stellt er einen davon vor.
© Ilona Habben

Das neue Stichwort: Resignative Reife

Natürlich kann die Lösung nicht sein, wortlos alles in sich reinzufressen und innerlich zu grollen. Das führt auf Dauer nur dazu, dass wir uns aus unserer Beziehung zurückziehen. Und irgendwann in den Armen des netten Arbeitskollegen landen. Wortlos hinzunehmen ist nur sinnvoll, wenn wir dabei auch innerlich loslassen können. Wir brauchen die von dem Paartherapeuten Arnold Retzer so treffend benannte Wunderdroge namens "resignative Reife". Die gelebte Erkenntnis, dass wir noch so um alles kämpfen könnten und doch nie in einer Beziehung ankommen würden, in der wir niemals enttäuscht und verärgert wären. Wir brauchen Humor und die Fähigkeit, auch mal allein mit unseren schlechten Gefühlen fertigzuwerden und die Perspektive des anderen einnehmen zu können.

Ein verlegtes Handykabel gehört mit Sicherheit nicht dazu. Und das, was uns wirklich wichtig ist, sollten wir nicht im Ärger über die kleinen Dinge zeigen - sondern in wichtigen Gesprächen klären lernen. 

Brigitte 08/2018

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