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Vergeben, aber in einen anderen verliebt: Was soll ich jetzt tun?

Verliebtheit, das schönste Gefühl der Welt, kann zum Horrortrip werden - wenn man schon einen Partner hat. Was tun, wenn man sich fremdverliebt hat? Vier Fragen, vier Experten, 16 verschiedene Antworten.

Was soll ich tun, wenn ich mich trotz fester Beziehung ernsthaft in einen anderen verliebt habe?

Hans Jellouschek, Paartherapeut: "Mich entscheiden: Wenn mir die feste Beziehung so wichtig ist, dass ich sie nicht gefährden möchte, muss ich auf die Außenbeziehung verzichten. Wenn ich das nicht möchte, wird es zu einer ernsthaften Krise in der festen Beziehung kommen, weil der Partner dadurch sehr irritiert sein wird."

Gisela Runte, psychologische Beraterin: "Ganz tiiief durchatmen! Ich will damit sagen, dass man auf gar keinen Fall irgendetwas überstürzen sollte. Verliebt zu sein, stellt sich manchmal im Nachhinein als vorübergehender Rausch heraus. Wenn die Verliebtheit aufhört, fängt die Liebe an, hat einmal ein Kollege von mir gesagt - und mein Rat ist, erst einmal genau zu prüfen, ob es sich um das eine oder das andere handelt."

Michael Mary, Paarberater: "Die Frage ist weniger, was man tun sollte, als vielmehr, was man tun kann. Dass man sich trotz Beziehung verliebt hat, zeigt ja bereits, dass die Gefühle dem Willen nicht zur Verfügung stehen. Vielleicht hat man geglaubt, alles im Griff zu haben, und nun offenbaren sich Seiten, denen Treue-Absichten egal sind. Man kann sich nun fragen, welche Bedürfnisse sich auf diese Weise durchsetzen und ob man den Gefühlswelten, aus denen sie stammen, in den letzten Jahren zu wenig Aufmerksamkeit zukommen ließ. Auf diese Weise kann man die Verliebtheit als 'Information' nutzen, statt sich deswegen zu verurteilen. Wenn am Ende dabei herauskommt 'Ja, so bin ich, ja, das brauche ich', kann man in erster Linie sich selbst und natürlich auch dem Partner gegenüber dazu stehen. Dann kommt die Beziehung in Bewegung."

Julia Onken, Psychologin: "Erst einmal: sich darüber freuen, endlich wieder einmal Schmetterlinge im Bauch zu spüren, und sich vom Scheitel bis zur Sohle vitalisieren lassen!"

Ist das zwangsläufig ein Zeichen, dass mit meiner Beziehung etwas nicht stimmt?

Hans Jellouschek: "Davon gehe ich aus. Wenn ich in meiner festen Beziehung wirklich zufrieden bin, ist es sehr unwahrscheinlich, dass ich mich ernsthaft in jemanden anderen verliebe."

Gisela Runte: "Nicht unbedingt! Wir stellen an unsere Lebensgefährten meist eine ganze Reihe von Erwartungen, die eine Person allein gar nicht erfüllen kann. Menschen, die fremdgehen, schätzen bei genauerem Hinsehen häufig sehr wohl eine oder mehrere Seiten ihrer Beziehung. Beim Fremdgehen befriedigen sie Bedürfnisse, die in ihrer Hauptbeziehung keinen Platz haben. Trotzdem kann eine neue Liebe natürlich so etwas wie eine 'Absprunghilfe' aus einer unglücklichen Verbindung sein. In diesem Fall geht es allerdings eher um einen Partnerwechsel, nicht im engeren Sinn um Fremdgehen."

Michael Mary: "Nein, keinesfalls. Das glauben nur Leute, die von einer Beziehung alles verlangen, was zwischen Partnern überhaupt möglich ist. Eine Beziehung ist aber kein Rundum-Versorgungspaket, auch wenn wir das gern so hätten. Die konkrete Beziehung ist das, was Zweien miteinander möglich ist, und das ist auf Dauer niemals alles. Dennoch kann man mit dem, was eine Beziehung gibt, zufrieden sein. Dass man sich verliebt hat, zeigt allerdings, dass man damit nicht zufrieden ist."

Julia Onken: "Wer sich in eine andere Person verliebt, holt sich etwas, das ihm in der Partnerschaft fehlt. Wir wollen uns in einer Beziehung wertgeschätzt und verstanden wissen. Das gibt uns das Gefühl, geliebt zu werden. Wenn diese Bedürfnisse nicht erfüllt werden, dann braucht es nicht sehr viel, und wir verlieben uns in diejenige Person, die uns die Erfüllung dieser Wünsche in Aussicht stellt oder sie gar befriedigt. Dann ist ein Seitensprung so etwas wie eine Reparaturwerkstätte für das angeschlagene Selbstwertgefühl."

Wann muss ich beichten?

Hans Jellouschek: "Spätestens dann, wenn die Verliebtheit eine ernsthafte Nebenbeziehung geworden ist oder zu werden droht. Außerdem: Ich soll nicht 'beichten', der andere ist kein Beichtvater. Aber ich muss den anderen informieren. Sonst entsteht eine insgesamte Situation der Lüge."

Gisela Runte: "In der Liebe ist es von vielen Faktoren abhängig. In unserer Gesellschaft wird das Fremdgehen für den festen Partner als tief greifender Vertrauensbruch und große Kränkung erlebt. Wenn man sich offenbart, sollte man sich dessen bewusst sein, was man dem Partner damit zumutet. Die Person und die Beziehung müssen ein sehr stabiles Fundament haben, um diesen Einschnitt zu verkraften."

Michael Mary: "Das hängt von den zur Beziehung gehörenden Abmachungen und Regeln ab, egal, ob diese ausgesprochen oder unausgesprochen vorhanden sind. In letzter Konsequenz sollte man sowohl alle Mitteilungen als auch alle Verschwiegenheiten vor sich selbst rechtfertigen können, schließlich muss man mit den Folgen - also mit der jeweiligen Reaktion des Partners - zurechtkommen."

Julia Onken: "Wir sollten dann einen Seitensprung beichten, wenn er zu einer länger dauernden Affäre wird. Wenn wir insgeheim ständig nachschauen, ob eine SMS von ihm gekommen ist, wenn wir mit dem eigenen Mann im Bett liegen und an den anderen denken - dann ist es höchste Zeit, dem Partner zu sagen: Ich habe mich in jemanden verliebt. Wenn es sich hingegen um einen einmaligen Ausrutscher handelt, geht es nicht an, sich vom Partner auch noch die Absolution holen zu wollen, um die Schuldgefühle loszuwerden. Diese unangenehme Spannung muss ausgehalten werden."

Was, wenn ich mich nicht entscheiden kann?

Hans Jellouschek: "Ich muss mich aber entscheiden. Sonst wird es für alle ein Horrortrip. Oft braucht es Hilfe von außen: eine Paartherapie. Hier kann die Krise bearbeitet und auf eine gute Entscheidung hingearbeitet werden. Vor allem, wenn Kinder da sind, sollte ich die feste Beziehung nicht einfach aufs Spiel setzen. Eine Therapie kann auch eine Möglichkeit sein, die Hauptbeziehung wiederzubeleben, so dass die Außenbeziehung nicht mehr 'nötig' ist."

Gisela Runte: "Viele leben die Beziehungen eine Weile parallel, bis etwas passiert, das wie eine Entscheidungshilfe wirkt: Sie erkennen, was für die eine oder andere Beziehung spricht. Eine Entscheidung kann zwingend werden, wenn die Doppelbeziehung ein psychisch zu beanspruchender Balanceakt wird. Ist das Fremdgehen offen gemacht worden und der Akteur trifft keine Wahl, entscheidet der betroffene Partner. Damit muss man sich dann arrangieren."

Michael Mary: "Dann kann - und will - man sich nicht entscheiden. Manchmal hängt man zwischen den Stühlen und wird von der einen oder anderen Seite gedrängt, endgültig Platz zu nehmen. Die Herausforderung kann aber gerade sein, zu sich selbst und damit zur eigenen Unentschiedenheit zu stehen. Der Partner verlangt oft eine Entscheidung, weil er sich selbst nicht zu einer Entscheidung durchringen kann."

Julia Onken: "Da gibt es eine hilfreiche Methode. Wir stellen uns das Leben mit dem neuen Partner wie in einem Film vor und fragen uns dabei: Wie wird unser Alltag aussehen? Was passiert mit den Kindern, mit den Freunden? Beim Betrachten dieser Bilder achte ich auf mein Körpergefühl und frage mich, wie es sich anfühlt. Könnte ich dabei schnurren vor Wohlgefühl wie eine Katze? Dann sollte ich mich möglichst rasch dafür entscheiden. Wenn es sich aber nicht gut anfühlt, ist es Zeit, die alte Partnerschaft nochmals zu überdenken und zu bereinigen. Eventuell mit Hilfe von Paartherapeuten. Die Empfindungen lügen nicht, sie helfen mir, meine Welt zu ordnen."

Mehr zu den Experten

Hans Jellouschek, 60, Ammerbuch, Paartherapeut. Buchtipp: "Warum hast du mir das angetan? Untreue als Chance", Piper, über Amazon 8,99 Euro.

Gisela Runte, 46, Oldenburg, psychologische Beraterin. Buchtipp: "Wie Frauen fremdgehen", Sphinx, über Amazon 5,49 Euro.

Michael Mary, 55, Hamburg, Paarberater. Buchtipp: "5 Wege die Liebe zu leben", Lübbe, über Amazon 9,80 Euro.

Julia Onken, 63, Amriswil (Schweiz), Psychologin/ Psychotherapeutin. Buchtipp: "Die Kirschen in Nachbars Garten" Goldmann, über Amazon gebraucht ab ca. 1 Euro.

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BRIGITTE 18/08 Fotos: Getty Images/ Andreas Biesenbach, Jörg Oberheide Umfrage: Katrin Schmiedekampf

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