Wenn Sie eine feste Bindung möchten, vergessen Sie den Mann lieber, das wird nichts. Man sollte den anderen schon ernst nehmen in seinen Aussagen. Auch wenn es wehtut, denn eine solche Ablehnung ist immer auch ein Schlag fürs Ego. Aber vielleicht liegt es daran, dass der nette neue Freund einfach nicht beziehungsfähig ist.
Könnte gut sein, dass er das selbst nicht so genau durchschaut. Manche Menschen haben große Schwierigkeiten mit Nähe - vielleicht, weil sie in einer vergangenen Beziehung nicht gut behandelt wurden. Oft liegt der Auslöser für die Ängste noch viel länger zurück: Wer als Kind schlechte Erfahrungen mit den Eltern gemacht hat, der schleppt das eventuell ein Leben lang mit sich herum. "Mit einem Bindungsphobiker eine Beziehung einzugehen oder ihr hinterherzulaufen ist eine Garantie zum Unglücklichsein", sagt die Psychotherapeutin Stefanie Stahl.
Nein, auch die Gene und die Lebensphase, in der wir gerade stecken, bestimmen, wie nah wir uns auf andere Menschen einlassen. Das ist ganz normal. Kompliziert kann es werden, wenn wir uns als kleine Kinder der Liebe von Mutter oder Vater nicht sicher sein konnten. Wer als Kind so etwas über Jahre erlebt hat, der hat Angst, sich in einer Liebesbeziehung wieder zu sehr verbiegen zu müssen, um Zuneigung zu bekommen. Das Selbstbewusstsein ist angeknackst.
Typisch für Menschen mit Bindungsängsten ist, dass sie diejenigen sind, die über die Nähe und die Distanz in einer Beziehung bestimmen wollen. Sie wollen entscheiden, wann und wie oft man sich sieht. Wenn es ihnen zu eng wird, flüchten solche Menschen einfach: Sie sitzen bis spät abends im Büro, stürzen sich mit Übereifer auf Hobbys oder haben immer wieder Affären. Oder mäkeln an jeder infrage kommenden Wohnung herum, auch wenn sie erklärtermaßen mit dem Partner zusammenziehen wollen.
So viel Sie und Ihr Partner brauchen. Alles ist in Ordnung, wenn Sie beide grundsätzlich aufeinander bezogen sind, wenn Sie füreinander Verantwortung übernehmen. "Verlässlichkeit", nennt Bindungsexpertin Stahl da als wichtigstes Stichwort. Man muss Dinge gemeinsam aushandeln können und sich dann auch sicher sein, dass der andere sich daran hält. Wenn der Funkkontakt öfter einfach abreißt - dann sollten Sie hellhörig werden.
"Partner empfinden die Größe ihrer Verlustangst oft als Indiz für die Größe ihrer Liebe", sagt Stefanie Stahl. Es ist wie eine Droge: Dass man sich des anderen nie sicher sein kann, ist ja auch aufregend. Die meisten von uns haben solche Beziehungsdramen schon durchlebt. Wichtig ist, dass man sich die Mechanismen, in denen eine solche Liebe gefangen bleiben muss, klar macht. Dann kann man einen Schritt beiseite treten und sich ein großes Stück unabhängiger vom Partner machen. Ganz wichtig: nicht ständig in langen, zermürbenden Gesprächen in die Abgründe der Beziehungsangst mit eintauchen. Es ist sein Problem.
Ja. Aber man muss sich erst einmal des Problems bewusst sein und sich klar machen, dass der Mann nicht der tyrannische Vater von damals, die Freundin nicht die ablehnende Mutter aus der Kindheit ist. Am wichtigsten ist, dass man selbst nicht mehr die Rolle des hilflosen Kindes innehat, das Angst vor zu hohen Erwartungen haben muss.
Da können wir von den Männern noch viel lernen: Die fangen ja auch nicht gleich mit Yoga an, bloß weil die neue Freundin stundenlang im Lotussitz hocken kann. Und das Bier mit den Kumpels streichen sie erst recht nicht vom Wochenplan, nur weil Sie jetzt da sind. Ihr Liebster hat Sie als eigenständige Person kennen- und begehren gelernt. Und dabei sollte es auch bleiben.
Das kennen wir alle: Wenn sich einer in der Beziehung mehr Nähe wünscht als der andere, gerät er leicht in die Rolle des Unterlegenen, der verzweifelt um mehr Zuwendung und damit auch mehr gefühlte Liebe kämpft. Der andere hat plötzlich eine Machtposition, er erlebt den geliebten Menschen als schwach und hilflos, und er weiß irgendwann nicht mehr, ob er ihn überhaupt noch liebt. Oft hilft da nur eins: Erst mal auf Abstand gehen, auch wenn es schwerfällt. Wenn zwei Menschen ihr Bedürfnis nach Nähe und Distanz aber grundsätzlich nicht auf einen Nenner bringen können, ist das ein echter Lustkiller und letztendlich auch meist das Ende der Beziehung. "Man sollte sich in einer Beziehung regelmäßig fragen, ob das eigene Nähekonto ausgeglichen ist", sagt Stefan Brandt, Paartherapeut aus Hamburg (www.diepaartherapeuten.de).
Es ist schon wichtig, sich über seine eigenen Wünsche und Sehnsüchte klar zu werden und sich zu fragen, ob der andere genug oder gar zu viel aufs Nähekonto eingezahlt hat: Bin ich damit zufrieden, wie es ist? Verbringen wir genug Zeit miteinander? Passiert beim Sex genug Neues? Bei Miesen auf dem Konto sollte man reden, ohne vorwurfsvoll zu sein, dem anderen zuhören, verhandeln. Bei Paaren, die gut miteinander kommunizieren, regeln sich viele Nähe-Distanz-Fragen irgendwann fast von allein.
Natürlich kann die ständige räumliche Nähe zur Falle werden: Wenn man alles zusammen macht, aber keinen echten Austausch miteinander hat. Wenn der eine die Wäsche bügelt und der andere im Nebenraum die Einkaufsliste schreibt, dann ist das keine gemeinsam verbrachte Paarzeit! Und wenn die alltäglichen Haushaltsaufgaben im lange ersehnten Urlaub dann plötzlich wegfallen, kann sich eine große Leere auftun. Nur Paare, die Übung darin haben, sich gegenseitig Auszeiten zu erlauben, können auch gemeinsame Ferien genießen.
"Kommt drauf an, welchen Sex Sie wollen", sagt Paartherapeut Stefan Brandt. Klar kann der One-Night-Stand mit einem Fremden eine aufregende Erfahrung sein. Aber letztendlich ist der Sex in einer guten Partnerschaft am Ende wahrscheinlich intensiver und damit befriedigender - solange er nicht zur regelmäßig anberaumten Turnübung mit festem Ablauf verkommt. Die Chancen, sich gegenseitig immer weiter zu begehren, sind am größten, wenn in einer Partnerschaft auch mal die Fetzen fliegen und Konflikte offen ausgetragen werden. Lassen Sie ruhig zu, dass Sie sich in mancher Hinsicht fremd bleiben!
Manchmal geht es eher darum, zu uns selbst zu stehen und nicht den anderen auszuforschen. David Schnarch, einer der führenden Paartherapeuten in den USA, sieht den Schlüssel zu glücklichen Paarbeziehungen darin, dass wir uns sehr viel mehr auf uns selbst beziehen und konzentrieren - auch beim Sex. Wir müssen zu einer sogenannten "selbstbestätigten Intimität" finden, also dazu, uns zu öffnen, ohne zu erwarten, dass der Partner da immer gleich mitzieht. Raunen Sie ihm ein paar Schweinereien ins Ohr, verbinden Sie seine Augen, führen Sie seine Hände. Statt zu überlegen, ob er das gut findet, denken Sie beim Sex mal nur an sich. Schnarch nennt Menschen, die das gut können, "differenzierte" oder "sicher gebundene" Persönlichkeiten. Stark vereinfacht könnte man auch sagen: Harmoniesucht macht mit Sicherheit keinen guten Sex - und auch keine glückliche Partnerschaft.
Viele Menschen empfinden tatsächlich den Austausch von Küssen als besonders intim: Im Mundbereich haben wir sehr viele Nervenrezeptoren, wir riechen und schmecken den anderen sehr unmittelbar. Sex kann auch mal nur der Triebbefriedigung dienen, intensives Küssen hat immer etwas mit Begehren zu tun. Da meint man den Menschen. Beim Zungenkuss kann man nicht an einen anderen denken.
Für manche Menschen ist diese Art von körperlicher Nähe total alltäglich und normal, andere finden sie einfach nur unsexy. Tendenziell ist es reizvoller, sich ein paar kleine Geheimnisse zu bewahren. Es gibt Männer, die kennen die wirkliche Haarfarbe ihrer Freundin überhaupt nicht - und finden das völlig in Ordnung. Also, im Zweifel lieber einmal zu viel: Badezimmertür zu.
Die meisten Studien in Deutschland beschäftigen sich mit Partnerschaften, die in einem Haushalt zusammenleben, aber seit Kurzem gibt es auch einige Untersuchungen zu den sogenannten LAT-Beziehungen. LAT heißt Living Apart Together, geprägt hat den Begriff der niederländische Journalist Michel Berkiel. Und der kommt zu dem Ergebnis: Paare, die bewusst nicht zusammenwohnen, haben nicht nur häufigeren, sondern auch besseren Sex. Sie streiten sich weniger, logisch: Es gibt in solchen Partnerschaften naturgemäß nicht so viele Alltagsreibereien. Aber diese Beziehungen sind auch instabiler. Es ist leichter, sich zu trennen, wenn jeder noch seine Wohnung, sein eigenes soziales Umfeld hat.
Sie sind, statistisch gesehen, genauso stabil wie andere Beziehungen, das hat die Berliner Persönlichkeitspsychologin Fanny Jimenez gerade im Rahmen ihrer Doktorarbeit festgestellt. Etwa neun Prozent aller Paare führen in Deutschland derzeit eine Fernbeziehung. Die Distanz bringt aber oft ein Wechselbad der Gefühle mit sich: Die aufregenden Momente des Wiedersehens, das intensive Zusammensein und die Sehnsucht wechseln sich ab mit Gefühlen der Einsamkeit und des Zweifels, wie das alles weitergehen soll.
Sie dürfen sich ausheulen, so viel Sie wollen, das muss eine Beziehung schon mal aushalten. Es gibt aber Grenzen: Wenn der Partner signalisiert, dass es ihm zu viel wird, dass er sich überfordert fühlt mit Ihren Problemen, dann sollte auch mal Pause sein. Sie müssen akzeptieren können, dass er Ihre Sorgen und Nöte vielleicht anders bewertet als Sie. Wenn's ans Grundsätzliche geht, ist das Gespräch mit einem Coach oder einem Therapeuten allemal angebrachter als das mit dem Liebsten.
Dass Sie in mancherlei Hinsicht ähnliche Ansichten haben, ist schon wichtig, macht sich aber nicht unbedingt daran fest, dass Sie die gleiche Partei wählen. Es geht eher um andere Fragen: Wie halten wir es mit der Treue? Wie wichtig sind materielle Dinge? Was erwarten wir vom Leben? "Gleich und gleich gesellt sich gern", das alte Sprichwort gilt für die Psychologin Stefanie Stahl immer noch. Ihrer Ansicht nach kommt es vor allem auch darauf an, dass Persönlichkeitstypen zusammenpassen. Wenn ein extrovertierter, kreativer, aus dem Bauch heraus entscheidender Mensch auf einen trifft, der eher leise ist, gern präzise und penibel Aufgaben erledigt und nur seinem Verstand traut, dann ist das vielleicht auf den ersten Blick für beide anziehend. Aber es braucht auch viel Kommunikation und Toleranz, um zwischen beiden Partnern Brücken zu bauen, die eine Beziehung tragen können.
Wenn man zusammen ein Unternehmen aufbaut, "ist man mit ähnlichen Problemen konfrontiert, wie wenn man eine Familie gründet", so Stefan Brandt. Und das bekommen schließlich viele Paare gut hin. Man sollte die private Beziehungsebene aber nicht aus den Augen verlieren, rät er: Dazu gehört es, sich immer wieder zu fragen, was man außerhalb der Firma noch für gemeinsame Interessen hat - und diese Privatsphäre unbedingt zu pflegen. Das heißt auch, klar zu vereinbaren, wann zu Hause über Firmendinge gesprochen werden darf. Und wann Schluss ist.
In einer Partnerschaft sollte man den anderen in Gedanken einplanen und ihm Aufmerksamkeit schenken - aber ein eigenes Individuum bleiben. Wir können da von den Paaren in Fernbeziehungen viel lernen: Probleme gleich ansprechen, schöne Alltagsrituale schaffen, den anderen überraschen, ihn loslassen, um sich anschließend umso mehr auf ihn zu freuen. Machen Sie sich klar: Distanz kann man als Erwachsener auch mal aushalten. Denn das Verrückte ist: Sie macht richtige Nähe erst möglich.
Stefanie Stahl: "Jein! Bindungsängste erkennen und bewältigen", Ellert & Richter, 272 S., 14,95 Euro Heike Barnitzke: "Auf Immerwiedersehen. So gelingen Fernbeziehungen", Humboldt, 160 S., 8,90 Euro