Affären sind furchtbar schmerzhaft - aber für ein Paar überlebbar
Es herrscht eine gewisse Spannung im Therapieraum. Es ist die erste Sitzung für Falk und Jana. "Willst du anfangen?", fragt Jana ihren Mann. Aber Falk schüttelt den Kopf: "Nein, mach du mal!" Jana atmet tief durch und sagt dann schließlich: "Ich hatte eine Affäre." Und wie sie es sagt, klingt es ein wenig wie: "Ja, und damit habe ich unsere Beziehung wohl endgültig zerstört."
Es ist nicht schwer, hinter ihren beiden ernsten Gesichtern einen Gefühlsaufruhr aus Angst, Schuld, Wut und tiefer Trauer zu erahnen. Ich sage es zwar nicht, aber ich denke in diesem Moment: Ja, Affären sind furchtbar schmerzhaft, aber sie sind für ein Paar überlebbar. Ich frage stattdessen: "Mögen Sie ein wenig mehr dazu sagen?"
Affären sind immer ein doppelter Schmerz. Unser Partner hat etwas ganz Intimes, nämlich Sexualität und meistens auch Zärtlichkeit mit jemand anderem geteilt. Er hat die unsichtbare Mauer durchbrochen, die uns als Paar zusammenhält. Durch die Affäre ist Sex als verbindende Sicherheit verloren gegangen. Und zusätzlich wurden wir betrogen und angelogen. Er hat verheimlicht, was er gefühlt hat und so unsere Beziehung in Gefahr gebracht. Denn aus Lust wird schnell Liebe. Bei jedem Orgasmus schüttet unser Körper Bindungshormone aus.
Niemand ist immun gegen sexuelle Abenteuer
Wenn die Gelegenheit günstig und die sexuelle Anziehung überwältigend ist, ist niemand immun gegen ein sexuelles Abenteuer. Da kann die eigene Beziehung Güteklasse AAA sein. Wer das bezweifelt, versucht sich vor der Macht der Erotik zu schützen.
Ungefähr 40 Prozent aller Partner gehen offenbar irgendwann mindestens einmal fremd. Sehr häufig befand sich ihre Partnerschaft zu dem Zeitpunkt bereits in irgendeiner Krise. Das ist aber auch die Chance, die eine (aufgeflogene und wirklich beendete) Affäre bietet: Sie macht schwelende Probleme unübersehbar. Sie bringt zur Sprache, was vorher nur ein diffuses oder verleugnetes Unbehagen war.
"Häufig haben wir Affären nicht, weil wir eine andere Person suchen, sondern weil wir uns selbst suchen. Es geht gar nicht so sehr darum, dass wir die Person verlassen wollen, mit der wir zusammen sind, als dass wir die Person verlassen wollen, zu der wir geworden sind", sagt die amerikanische Sexualexpertin Esther Perel. Tatsächlich scheinen sich nur rund 10 Prozent aller Affären in feste Liebesbeziehungen zu verwandeln. Die meisten Affären bleiben vorübergehende Nebenbeziehungen.
Die meisten Affären zerstören eine Beziehung nicht
Affären sind kein notwendiger Trennungsgrund. Eine Affäre aufzuarbeiten ist ein langwieriger, aber möglicher Prozess. Das zu wissen, macht es leichter, den Betrug einzugestehen. Jana hatte Angst, dass Falk sich von ihr trennen würde, wenn sie ihm ihr Fremdgehen gestehen würde. Und genau diese Angst hat sie paradoxerweise über eine lange Zeit in der Affäre festgehalten.
Die meisten Affären zerstören eine Beziehung nicht. Das ist keine Aufforderung, mehr Affären zu haben. Sondern sie eher zu gestehen. Wenn Affären wirklich verstanden und aufgearbeitet werden, dann kann eine Affäre für eine Beziehung weniger ein Ende, als vielmehr ein Anfang sein. Affären sind überlebbar.