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Verschwendete Jahre "Ich hätte mich schon viel früher trennen sollen!"

Partner loslassen: Paar sitzt vor Sonnenuntergang
© Pavel Talashov / Shutterstock
BRIGITTE-Autorin Luise Wetzel kämpfte jahrelang für eine Beziehung, die weder ihr noch ihrem Partner guttat. Warum konnte sie so lange nicht loslassen?
von Luise Wetzel

"Eine Empfehlung, ob ein Paar sich trennen sollte, gebe ich nie ab. Doch ich sage Ihnen offen: So wie Sie miteinander reden, wird es verdammt schwierig." Unser Paartherapeut sah uns ernst durch seine Brille an. Beinahe hätte ich mich gerechtfertigt: "Wir haben eben Temperament!" Auf der Straße nahm Moritz meine Hand. "Er hat recht. Wir müssen loslassen, es tut keinem von uns gut."

Die Angst, erneut zu scheitern

Ich merkte, wie es tiefdunkel in mir wurde. Verzweifelt begann ich mit meinem Plädoyer für unsere Beziehung: Dass unser Sohn kein Trennungskind werden solle, nicht schon wieder eines. Dass wir uns sehr viel mehr liebten als andere, wie sonst hätten wir so lange durchgehalten? Und überhaupt, dass der Therapeut uns doch gar nicht richtig kennen könne. Dass er, ich grinste Moritz verschwörerisch an, auch ordentlich selbstverliebt sei, oder wie sonst sei sein Anspruch, ein Paar in nur drei Sitzungen auf Kurs zu bringen, zu deuten? Das letzte Argument zog. Gemeinsam über ihn lästernd gingen wir zum Auto. Das war knapp.

Zu dem Zeitpunkt war unser Sohn acht, und wir waren zehn Jahre zusammen. Wie viele davon gut waren? Keines. Zumindest, wenn man "gut" so definiert, dass man sich in seiner Partnerschaft geborgen fühlt. Wir hatten extreme Glücksmomente, auf Reisen, beim Sex, wenn uns der Alltag nicht im Würgegriff hatte, aber ebenso viele schockierende Tiefs. Unser Streiten war laut, böse und nicht immer so unter Kontrolle, dass unser Sohn nichts davon mitbekam. Ich wusste, dass er litt. Aber würde es mit einer Trennung besser sein? Und ganz ehrlich: Ich hatte selbst viel zu viel Angst, erneut zu "scheitern". So wie bei meiner ersten Ehe, die nach sechs Jahren zerbrach, meine Tochter war damals drei. Leichtfertig war ich gegangen. Ich wollte ewig Schmetterlinge im Bauch – was war ich naiv.

Warum wir uns stritten? Da gab es handfeste Gründe. Etwa Moritz’ lange Arbeitslosigkeit, entstanden aus einer Laune heraus. Wir wollten zwei Monate mit Baby durch Europa reisen, sein Chef stellte ihn nicht frei – wir fuhren trotzdem. Aber vor allem: unsere Patchwork-Situation. Ich hatte bereits ein Kind, er auch, seine Ex und meiner waren die Pest in ihrer Verletztheit. Doch ich glaube eher an die weicheren Gründe. Ich brauchte Planung und Organisation, er hasste es, sich festzulegen. Beide verbissen wir uns in die Idee, den anderen zu dem zu formen, der er nicht war. Aber beide konnten wir nicht loslassen, irgendwie war da immer zu viel Gefühl. Ging ich, holte er mich mit Liebesbriefen zurück. Ging er, wurde ich zur "Wunderfrau", die auf einmal alles richtig machte.

Ich hätte schon viel früher loslassen sollen

Wir verschlissen noch zwei Therapeuten, bevor er eines Morgens sagte: "Ich kann meine inneren Widerstände dir gegenüber nicht überwinden." Auf einmal verstand ich. Es würde nie so sein, wie ich es mir wünschte. Ein alter Spruch, den ich immer für eine Binse gehalten hatte, hallte schon seit einiger Zeit in mir und wurde immer lauter: "Es gibt kein richtiges Leben im falschen." Immer wenn ich versucht war, Moritz anzurufen, war da dieser Satz. Wie ein Stoppschild. Für mich wurde er zum Mantra, das mir Kraft gab.

Ich stellte fest: Eigentlich fehlte mir gar nicht so sehr der Mann, sondern das Familien-Gefühl. Ich nahm meine Freundinnen stärker in die Pflicht, was mir früher immer unangenehm gewesen war. Außerdem meldete ich mich in einem Chor an und in einem Yoga- & Meditations-Studio. Wenn wir nach der Stunde zusammen in "Savasana", der Ruhehaltung, lagen, machte ich mir bewusst, dass ich nicht allein war. Ich gehörte dazu, auch ohne mich dafür zu verbiegen, wie ich es in meiner Beziehung hatte tun müssen. Dieses neue Gefühl wuchs und wuchs und war sensationell schön!

Auch mein Sohn reagierte seltsam entspannt, als er hörte, dass wir uns endgültig getrennt hatten. "Give me five!", sagte er und klatschte mich ab. Jetzt, zwei Jahre später, ist mir so viel leichter ums Herz; Energie und Freude sind zurück. Und ich denke: Ich hätte schon viel früher loslassen sollen.

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BRIGITTE 22/2020

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