Eine Frage sollte zwar nicht mit einer Gegenfrage beantwortet werden, aber: Sind es wirklich nur oder hauptsächlich Männer, die sofort den zündenden Funken wollen? Ich denke nicht. Denn die Internet-Dating-Kultur stellt alle schnell und drängend vor die Frage, ob es sich angesichts des großen Angebots noch lohnt, sich weiter zu treffen.
Die blitzartige innere Entscheidung für oder gegen jemanden passt allerdings auch zu unserem Liebesmythos, demzufolge wir sofort bemerken sollen, ob wir gerade dem Menschen begegnet sind, der für uns bestimmt ist. Deswegen geben wir der Liebe auf den ersten Blick so viel Bedeutung: "Ich sah sie und dachte sofort, das ist die Frau meines Lebens." Der romantische Mythos fordert, dass die Begegnung zweier Liebender vom ersten Moment an außergewöhnlich ist. Und wir warten auf den zündenden Funken, der uns entflammen lässt, weil es das Einzige ist, worauf wir uns bei der Partnerwahl verlassen. Wir checken keine Kriterien, wir lassen unsere Gefühle den schwierigen Job machen, für uns die Richtigen zu finden. Jede Nachhilfelehrerin wählen wir bedachter als den Menschen, an den wir uns möglicherweise lebenslang binden werden.
Hinzu kommen aber auch noch Genderstereotypen. Und deshalb kann es sein, dass heterosexuelle Männer tatsächlich besonders darauf lauern, ob sie ein Date auf Anhieb umwirft – was ja meistens bedeutet, dass es eine starke erotische Anziehung gibt. Denn "Mann" definiert sich im alten Rollenklischee als von Natur aus sexhungriger Dauergeilo, als der sexuell triebhaftere Partner. Und da wir in monogamen Liebesbeziehungen vorrangig nur mit einer Person Sex haben werden, ist so gesehen die erotische Anziehungskraft das logischste Auswahlkriterium. Gemeinsame Interessen, eine geteilte Weltsicht, emotionale Reife – alles schön und gut. Kann man ja möglicherweise alles hinbekommen. Aber ob man im Bett aufeinander abfährt, das muss dann einfach von Anfang an stimmen, glauben wir. Denn wenn unsere – und gerade die männliche – Sexualität wirklich von animalischer Triebhaftigkeit bestimmt sein sollte, dann hätten wir ja keinen Einfluss auf unsere Lust.
Nun spielen unbewusste Faktoren in unserer Sexualität sicherlich eine wichtige Rolle. Aber Sex ist niemals nur Sex, und gerade in Liebesbeziehungen immer auch eine emotionale Begegnung. Leider haben viele Männer immer noch gelernt, ihre Gefühle eher zu ignorieren. Der "Funke", der überspringen soll, ist also nichts anderes als Gefühle, die spürbar werden sollen. Und wenn Gefühle nicht leicht zugänglich sind, müssen sie schon drastisch und überwältigend sein, um überhaupt wahrgenommen zu werden und die Bindungsängste außer Kraft zu setzen. Leisere Gefühle der Übereinstimmung gehen unter oder sind zu schwach, um ihnen zu trauen.
Doch glücklicherweise überlassen viele Männer die Gefühlswelt nicht mehr allein den Frauen. Sie verabschieden sich vom einsamen Cowboy und gestehen sich ein, auch nach Halt und Geborgenheit zu suchen. Und Frauen begreifen sich als mindestens ebenso sexuell aktive Wesen wie Männer. Die Erkenntnis, dass die meisten Liebesbeziehungen langsam wachsen, aus Freundschaften, Vertrautheit und längerem Kontakt, auch sie wächst. Aber wohl genauso langsam wie die Liebe selbst.