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Wie Krisen die Beziehung stärken

Wie Krisen die Beziehung stärken
© RG Images/Corbis
Eine Auseinandersetzung, ein Streit sind wichtig für die Beziehung. Denn Krisen bilden Wurzeln, weiß Paartherapeut Oskar Holzberg.

Jane und Dirk sind Kinder der 70er Jahre. Was nicht nur dazu führt, dass sie immer noch häufig Simon & Garfunkel in ihr CD-Fach schieben, sondern auch dazu, dass sie sich in schmerzhaften Affären verstrickten. Die Idee einer festen Partnerschaft erschien ihnen warm und anziehend und, als sie Kinder bekamen, auch absolut notwendig.

Aber andererseits sang Paul Simon in ihren Köpfen weiter "There must be fifty ways to leave your lover". Und genau das probierten sie aus in ihren ersten gemeinsamen Jahren. Wenn sie sehr enttäuscht voneinander waren, verdrängten sie ihren Frust durch Seitensprünge. Dirk ging zuerst fremd, und Jane, davon verletzt, tat es ihm gleich.

Der Schmerz über den Vertrauensbruch, die Wut, die Eifersucht, die Unsicherheit und Angst ließen sie manchmal fast scheitern. Sie durchlebten Zeiten endlosen Streits und Phasen völliger Beziehungslosigkeit. Bis sie wieder ins Gespräch miteinander fanden und, manchmal mit Hilfe von Therapien, aufarbeiten konnten, was sie getrennt hatte. Und sie allmählich wieder mehr und mehr Augenblicke von Verständnis, Nähe und Erotik miteinander teilten konnten.

Jane und Dirk durchlebten auf ihre schmerzhafte Art, was die amerikanischen Familientherapeuten Barry Dym und Michael Glenn für jede Liebesbeziehung beschrieben haben: Ein Paar durchlebt immer wieder drei Phasen - eine Phase der Offenheit, die von einer Phase der Enttäuschung und des Rückzugs abgelöst wird; worauf, sofern das Paar die schwierige zweite Phase bewältigt, die Phase der Entspannung einsetzt, in der sich die Beziehung festigt.

Wir dürfen im Schmerz nicht allein bleiben

Oskar Holzberg ist seit über 30 Jahren verheiratet, seit mehr als 20 Jahren berät der Psychologe Paare. Dabei stellte er fest, dass einige Sätze für alle Beziehungen gelten. In jeder BRIGITTE stellt er einen davon vor.
Oskar Holzberg ist 60 Jahre, Psychologe und seit 30 Jahren verheiratet. Seit mehr als 20 Jahren berät er Paare und kennt die typischen Konflikte.
© Ilona Habben

Wir kennen alle die Krise, die auf die erste Verliebtheit folgt. Wir beginnen, uns nicht mehr einigen zu können. Wir glauben zunehmend, die Arschkarte gezogen zu haben, weil wir es dem Partner nie mehr recht machen können. Wir fühlen uns nicht mehr unterstützt, wir zweifeln an unserer Liebe. Wir streiten ständig, und unser Partner scheint sich als egoistisch, uneinfühlsam und herrschsüchtig zu entpuppen. Schließlich fragen wir uns, ob wir an diese unzufriedene Kampfhenne oder diesen gefühlsfernen, sexfixierten Autisten unser Leben verschwenden wollen.

Wir sind nicht nur vom anderen tief enttäuscht, sondern auch von uns selbst. Denn wir schaffen es nicht, die Liebe aufrechtzuerhalten. Deutlicher, als uns lieb ist, erleben wir die Schattenseiten des anderen und er unsere. Aber genau das ist der Gewinn der Krisenzeiten. Wir werden authentisch, unsere Schwächen bleiben nicht verborgen. Wir wachsen als Paar zusammen, weil wir mit unserer Wut und unserem Schmerz nicht allein geblieben sind, weil unser Partner zu uns gehalten hat, obwohl wir ihm sehr weh getan haben. Wir sind ein stärkeres Paar, denn es weiß, dass es auch dunkle Beziehungszeiten meistern kann.

Krisen können das Ende bedeuten. Oder sie können das (un)ausgesprochene Versprechen einlösen, in guten wie in schlechten Zeiten zueinanderzustehen. Krisen bilden die Wurzeln, die unsere Beziehungen am Leben erhalten.

Aus: Brigitte 22/2014

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