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Wer in der Beziehung "Nein" sagt, hat die Macht

Wer in der Beziehung "Nein" sagt, hat die Macht
© Pinto/Corbis
Der Partner, der sich verweigert, hat die Macht in der Beziehung. Paartherapeut Oskar Holzberg zeigt Auswege aus der Sackgasse.

Wer sich verweigert, hat das Sagen

Der Schweigsame bestimmt die Gespräche

Manchmal passt das Leben auf eine Postkarte. Ein Schwarz-Weiß-Foto: Ein älteres Ehepaar sitzt an den gegenüberliegenden Seiten eines kleinen Tisches, der in einem Garten vor einer Hauswand steht. Die beiden haben sich mit den Armen auf diesen Tisch gestützt und gucken etwas mürrisch aus dem Bild heraus. In den Sprechblasen über ihren Köpfen steht folgender kleiner Dialog: Die Frau: "Sag was!" Der Mann: "Nö!"

Das ganze Paardrama in drei Worten. Es ist ein lustiges Bild, weil der Mann so rigoros ist und sich überhaupt keine Mühe gibt. Und weil seine Partnerin, das ist auch klar, absolut keine Chance hat. "Nö" gewinnt. Und weil uns das "Nö" in diesem Fall nichts anhaben kann, lachen wir erleichtert darüber.

Aus Erfahrung aber wissen wir, wie schrecklich es sich anfühlt, wenn wir tatsächlich einem "Nein" hilflos ausgeliefert sind. Wer sich verweigert hat die Macht. Das erleben wir nirgendwo so direkt und heftig wie in der Sexualität. Wenn einer Lust hat, aber der andere nicht - dann war es das mit dem schönen Abend. Der amerikanische Sexologe David Schnarch wird nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen, dass Partner mit dem geringeren Begehren die Sexualität des Paares bestimmt. Die machtvollste Handlung in einer Beziehung ist immer, sich aus der Beziehung zurückzuziehen. Wer bestimmt letztlich die Gespräche? Der Schweigsame. Denn die Kommunikation ist am Ende, bevor sie begonnen hat, der Sex hat sich erledigt, der Partner ist aufgeschmissen.

Solange "Nein" gewinnt, haben alle verloren

Oskar Holzberg ist seit über 30 Jahren verheiratet, seit mehr als 20 Jahren berät der Psychologe Paare. Dabei stellte er fest, dass einige Sätze für alle Beziehungen gelten. In jeder BRIGITTE stellt er einen davon vor.
Oskar Holzberg, 61, ist seit 30 Jahren verheiratet. Seit 20 Jahren berät der Psychologe Paare. Dabei stellte er fest, dass einige Sätze für alle Beziehungen gelten. In jeder BRIGITTE stellt er einen davon vor.
© Ilona Habben

Innerhalb eines Paares entwickeln sich mit der Zeit solche Beziehungsmuster. Nehmen wir mal an, Eva ist sexuell aktiver und Adam fühlt sich dadurch zunehmend unter Druck. Er beginnt, Situationen auszuweichen, in denen er Eva direkt zurückweisen müsste. Eva merkt, dass Adam sich entzieht - und versucht nun erst recht, ihn zu erreichen: Sie hält ihm sozusagen einen Apfel nach dem anderen vor die Nase. Adam fühlt sich dadurch allerdings so bedrängt, dass auch noch seine letzten spontanen erotischen Impulse erlöschen. Es endet damit, dass Eva auf wirklich jede erdenkliche Weise fordert "Sag was!", während Adam immer hinter einem fetten "Nö!" zu verschwinden scheint. Irgendwann schnappt sich Eva fluchend ihr Bettzeug und zieht unter Absingen hässlicher Litaneien über ihren schlappschwänzigen Ehemann aufs Wohnzimmersofa. So stinkwütend wirkt sie bedrohlich und entschieden. Doch tatsächlich ist sie traurig, fühlt sich einsam und wertlos. Und natürlich fühlt sich auch Adam keineswegs mächtig, sondern ganz im Gegenteil: unverstanden und verzweifelt.

Der Weg aus dem Dilemma

Den Weg aus diesem Dilemma finden Paare nur, wenn Neinsager wie Adam ihre Macht anerkennen und sich wieder in die Beziehung einbringen. Und zeigen, wie entwertet und unsicher sie sich wirklich fühlen. Gleichzeitig müssen Verfolger wie Eva aufhören, zu wüten, und stattdessen mehr von ihrer Trauer und Einsamkeit mitteilen. Das alles ist natürlich alles andere als leicht. Aber es ist möglich - und es ist auch nötig. Denn solange "Nein" gewinnt, haben alle verloren.

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