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Der Paartherapeut: "Liebe heißt, Verantwortung zu teilen"

Liebe und Verantwortung gehören zusammen, weiß Paartherapeut Oskar Holzberg. Aber warum knallt es dann trotzdem in vielen Beziehungen genau deswegen?
Der Paartherapeut: "Liebe heißt, Verantwortung zu teilen"
© thetank / photocase.com

Tim ist ein guter Mann. Tim säuft nicht. Tim wickelt die Kleinen. Tim spricht seine Gefühle aus. Er räumt die Küche auf. Er macht weniger Hausarbeit als Judith, aber er arbeitet auch mehr. Alles sollte gut sein. Aber: Sie: "Wir haben keine Spülmaschinentabs mehr. Du hast leider vergessen, welche zu kaufen." Er: "Das konnte ich ja nicht wissen. Das hättest du mir sagen sollen!" Sie: "Das kannst du doch selbst sehen." Er: "Was, bitte schön, soll ich denn noch machen? Ich bügele, mache die Wäsche, bringe die Kinder in den Hort und unterstütze dich, wo ich nur kann." Sie (unterbricht ihn aufgeregt): "Genau! Du unterstützt mich! Als sei es völlig klar, dass alles meine Aufgabe sei!" Er: "Was willst du denn nun noch? Nie ist es genug! Ehrlich! Nur weil es nicht genau so läuft, wie du es dir vorstellst!" Sie: "Du verstehst nichts, fühlst dich immer nur dominiert. Und ich soll mich am besten noch für alles bedanken!" Er: "Exakt! Etwas Anerkennung wäre nicht schlecht..." Sie: "Es ist doch aber nicht automatisch meine Aufgabe."Tim hat längst anerkannt, dass Gott die Spülmaschine nicht exklusiv für Frauen geschaffen hat. Er weiß, dass Kartoffeln geschält und Waschbecken gewischt werden müssen. Er und Judith versuchen, sich die ungeliebte Hausarbeit einigermaßen gerecht zu teilen. Aber es fehlt trotzdem immer noch etwas. Tim teilt die Verantwortung nicht.

Was läuft falsch?

Oskar Holzberg ist seit über 30 Jahren verheiratet, seit mehr als 20 Jahren berät der Psychologe Paare. Dabei stellte er fest, dass einige Sätze für alle Beziehungen gelten. In jeder BRIGITTE stellt er einen davon vor.
Oskar Holzberg ist 60 Jahre, Psychologe und seit 30 Jahren verheiratet. Seit mehr als 20 Jahren berät er Paare und kennt die typischen Konflikte.
© Ilona Habben

Ein Partner kann noch so viele Aufgaben übernehmen. Er bleibt in der Kritik, solange er den Müll nur rausträgt, wenn sie ihn darum bittet. Er aber nicht reagiert, wenn der Mülleimer überquillt. Wenn er zwar zum Elternabend geht. Aber nie weiß, wann die Termine sind. Verantwortung ist der Schritt vom Kind zum Erwachsenen. Verantwortung wiegt schwer. Denn Verantwortung bindet. Kinder müssen ins Bett gebracht werden. Es gibt keine Ausnahme. Wir können es nicht einfach mal auslassen. Verantwortung braucht Zuverlässigkeit. Erst wenn er die Verantwortung mitträgt, ist die Partnerin vom historischen Fluch der Hausfrauenrolle befreit. Eine Fee, die das Haushalts-Chaos wegzaubert, wäre die effektivste Paartherapie. Denn nirgendwo sonst scheint es so viele Konflikte zu geben. Frauen hätten nicht mehr das Gefühl, dass von Abfall bis Zahnpasta letztlich doch alles ihre Aufgabe sei. Und Männer wären nicht mehr wütend, weil sie sich für die Familie auf dem Firmenschreibtisch opfern und daheim noch den Meister Proper machen sollen.

Da wir aber längst von allen guten Feen verlassen sind, müssen Männer die Verantwortung mit übernehmen. Und Frauen sie abgeben lernen. Was auch nicht leicht ist. Denn Verantwortung bietet Kontrolle, sie abzugeben ist eine Frage des Vertrauens. Der Haushalt ist nur die Hauptarena im Konflikt um Verantwortung. Sobald wir zu zweit sind, geht es immer auch darum, wer die Verantwortung trägt. Im Finanziellen, für die Gesundheit, füreinander, für die Beziehung. Was schmerzt, ist, mit Verantwortung allein gelassen zu werden. Denn dann fühlen wir uns allein gelassen. Und es ist ungerecht. Was die gleichberechtigte Partnerschaft in Frage stellt. Verantwortung ist eine Antwort. Auf viele Beziehungsfragen.

BRIGITTE 04/2014

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