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Oskar Holzberg Das Paar als Problem

Oskar Holzberg: Pärchen sitzt auf Sofa
© stockbusters / Adobe Stock
In der Kolumne unseres Paartherapeuten Oskar Holzberg dreht sich alles um typische Liebesweisheiten und ihren Wahrheitsgehalt, er seziert Sprichwörter, Songtexte und berühmte Zitate. Diesmal: "Ein Paar hat keine Probleme, ein Paar ist ein Problem" - Terry Real, US-amerikanischer Paartherapeut.

Kurz gesagt: Wir stecken voller Widersprüche, und die verstärken sich im Paar.

Und jetzt mal ausführlich: Terry Real ist ein erfahrener, in den USA sehr anerkannter Paartherapeut. Er weiß, was er schreibt. Ein Liebespaar ist ein Problem an sich. Existenziell, biologisch, kulturell, psychologisch. Und zwar lange, bevor es seine ganz eigenen Probleme entwickelt.

Existenziell: In der menschlichen Liebe treffen zwei unvollkommene Wesen aufeinander – was die Unvollkommenheit eher vermehrt. Wir Menschen sind eben nicht die Krone der Schöpfung, sondern halbfertige Baustellen der Evolution. Wir sind Teil der Natur, aber erleben uns wie getrennt davon, stecken voller Widersprüche und Ängste und haben keine Ahnung, was unser Platz im Universum ist.

Wenn wir unserem Bedürfnis nach Bindung folgen – verliebt wie nichts Gutes –, meinen wir, unsere Einsamkeit und unsere unerfüllten Sehnsüchte hinter uns lassen zu können. Tun wir aber nicht. Es gehört zu unserem Menschsein, uns nur in besonderen Augenblicken völlig aufgehoben und erfüllt fühlen zu können. Doch häufig geben wir unseren Liebespartner:innen die Schuld für unsere unauflösbaren existenziellen Nöte.

Biologisch: Ein Paar ist stets durch das sexuelle Begehren gefährdet. Denn wir sind weder eindeutig monogam noch polygam. Wir spüren immer wieder sexuelle Bedürfnisse, die sich auf Dritte richten, oder wir leben sie aus. Das ist das Problem, das jedes Paar auf seine Weise lösen muss. Kulturell: Familie und gemeinschaftliche Werte haben für uns heute an Bedeutung verloren. Wir verstehen und erleben uns als unabhängige Individuen. Doch zwei ganz an den eigenen Bedürfnissen und Wünschen ausgerichtete Menschen geraten notwendigerweise in Konflikte. Sie müssen alles aushandeln. Ihr Streben nach Selbstverwirklichung wird zur Konkurrenz.

Und psychologisch? Liebe lernen wir als Kinder. Meistens mit unseren Eltern. Die versagen entweder dabei, sodass wir voller Ängste sind, sobald wir lieben. Oder sie schenken uns ihre aufopferungsvolle, selbstlose Liebe, die wir dann vergeblich von unseren Partnerinnen oder Partnern erwarten. Außerdem waren wir ja als Kinder klein, unwissend und ungeschickt. Wir waren oft das Problem und wollen es nicht wieder sein. Deshalb halten uns Scham und Schuld davon ab, uns verletzlich zu zeigen.

Um uns nicht klein zu fühlen, zeigen wir unsere Gefühle nicht so offen, wie es für die Verbindung in unserer Liebesbeziehung nötig wäre. Oder wir wehren unsere Minderwertigkeitsgefühle ganz ab und halten uns für so großartig, dass sich unsere Liebesbeziehung in eine narzisstische Vorhölle verwandelt. Zusätzlich …

Warum Probleme eine Chance sind

Genug! Paare sind Probleme! Die gute Nachricht aber ist, dass wir keine Vollpfosten und Versager sind, nur weil wir die Liebe schwierig finden und Paarprobleme haben. Ein Paar ist ein Problem. Und nur weil das so ist, gibt es wohl diese ungeheure Kraft, die Liebe, um diese Hindernisse zu überwinden. Um "Ja" zu den Schwierigkeiten, der gegenseitigen Fremdheit und den schmerzhaften Enttäuschungen zu sagen.

Nur über unsere "Probleme", über einen aufwendigen Prozess der Selbsterkenntnis lernen wir unsere unbewussten Erwartungen zu überwinden und unsere Partner wirklich anzunehmen. Wir können lieben, weil Paare Probleme sind. Wir lieben uns, wenn wir die Probleme annehmen, die wir haben.

Neu in den Partner verlieben: Oskar Holzberg
Oskar Holzberg, 67, berät seit über 20 Jahren in seiner Hamburger Praxis Paare und ist seit über 30 Jahren verheiratet. Sein aktuelles Buch heißt "Neue Schlüsselsätze der Liebe" (240 S., 11 Euro, DuMont).
© Ilona Habben
Brigitte

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