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Paartherapeut erklärt Warum beim Geld die Liebe meistens aufhört

Paar sitzt auf dem Sofa und rechnet
© Syda Productions / Adobe Stock
In der Kolumne unseres Paartherapeuten Oskar Holzberg dreht sich alles um typische Liebesweisheiten und ihren Wahrheitsgehalt, er seziert Sprichwörter, Songtexte und berühmte Zitate. Diesmal: "Beim Geld hört die Liebe auf"

Kurz gesagt: Weil die Liebe zum Geld die einfachere Liebe ist.

Jetzt mal ausführlich: Herr und Frau M. stritten sich über die Verteilung von Aufgaben und die Liebe hörte auf. Genau in dem Moment, als Herr M. wutentbrannt sagte: "Aber wem gehört das denn alles hier? Was bringst du denn ein? Du lebst doch ganz auf meine Kosten!" Frau M. erstarrte und murmelte nur noch: "So siehst du das also! So siehst du das?" Auch Herr M. wusste, dass er das Gebiet der Liebe verlassen hatte und es mit "Das war doch nicht so gemeint" nicht wieder gutmachen könnte. Plötzlich war die Kuscheldecke weg, und die böse Wahrheit kam zum Vorschein. Die böse Wahrheit war nicht, dass Frau M. mit in seiner Eigentumswohnung wohnt und Herr M. das bessere Gehalt hat. Die böse Wahrheit war, dass er die ökonomische Keule gegen sie schwingt, um überlegen zu sein.

Die kalte Rationalität des Mammons durchzieht jede Beziehung voller noch so warmer Gefühle. Liebesbeziehungen als Lebensgemeinschaft sind immer auch Wirtschaftsbeziehungen. Geiz trifft auf Verschwendung, das gute Leben heute auf Sparen für eine bessere Zukunft. Es gibt die Macht der Bankkonten und des Immobilienbesitzes. Es gibt Abhängigkeiten aufgrund von Verträgen und aufgrund von fehlenden Verträgen. Doch damit in einer emotionalen Auseinandersetzung zu drohen, ist ein Akt der Gewalt. Und wo Gewalt herrscht, verliert sich die Liebe.

Grundsätzlich ist uns klar, dass die Liebe beim Geld aufhört. Sonst würden nicht Millionen Menschen in einer unglaublich reichen Welt verhungern, sonst hätten nicht Kitas rissige Wände, sondern Banken. Rosenkriege, in denen um jeden Euro gerungen wird, begleiten etliche Scheidungen. Geld und Liebe vertragen sich nicht, weil es gegensätzliche und doch ähnliche Kräfte sind: beide mächtig, beide abstrakt und real zugleich. Sie können sich auf alles richten und uns mit allem verbinden. Wir können für alles Liebe entwickeln. Und allem einen Preis geben. Die Liebe wertet auf und macht einzigartig. Geld entwertet und macht austauschbar.

Liebe vs. ökonomische Macht

Wenn wir verlassen werden, oder wenn wir fürchten, die Liebe zu verlieren, dann ersetzen wir die Liebe oft durch Geld. Wir ersetzen eine Macht durch eine andere. Die verloren gegangene emotionale Sicherheit in der Liebe durch eine emotionale Sicherheit, die uns auch Besitz vermitteln kann.

Doch die Sicherheit in der Liebe beruht auf gegenseitiger Verletzlichkeit, die des Geldes aber auf Kontrolle. Und genau diese Kontrolle versuchen wir wie- der zu erlangen, wenn wir uns in unserem Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung bedroht fühlen: indem wir in eine Sicherheit flüchten, in der wir nicht auf den anderen angewiesen sind. Das ist die Botschaft der ökonomischen Keule, wie sie Herr M. geschwungen hat: Ich bin nicht so auf dich angewiesen wie du auf mich.

Deshalb wird die Liebe immer wieder durch Geld ersetzt. Wir sollten nie vergessen, dass das geschehen kann. Das stets im Hintergrund lauernde Monster der ökonomischen Macht lässt sich auch in einer Liebesbeziehung eben nicht für immer besiegen. Wir können ihm seine Kraft nur nehmen, solange die Liebe noch stark ist. Und alles dafür tun, unsere ökonomischen Abhängigkeiten so gering wie möglich halten und sie so klar wie möglich regeln. Das ist verdammt unromantisch. Aber Macht war nie romantisch.

Neu in den Partner verlieben: Oskar Holzberg
Oskar Holzberg, 67, berät seit über 20 Jahren in seiner Hamburger Praxis Paare und ist seit über 30 Jahren verheiratet. Sein aktuelles Buch heißt "Neue Schlüsselsätze der Liebe" (240 S., 11 Euro, DuMont).
© Ilona Habben

Brigitte

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