Anzeige

Oskar Holzberg Das sind die Anzeichen einer guten Ehe

Paar kuschelt
© bernardbodo / Adobe Stock
In der Kolumne unseres Paartherapeuten Oskar Holzberg dreht sich alles um typische Liebesweisheiten und ihren Wahrheitsgehalt, er seziert Sprichwörter, Songtexte und berühmte Zitate. Diesmal: "Das Anzeichen für eine gute Ehe ist, dass immer nur einer zurzeit durchdreht" – Heinz Kohut, österreichisch-US-amerikanischer Psychoanalytiker.

Kurz gesagt: Das gilt nicht nur, wenn wir ausflippen. In einer Beziehung muss immer einer "die Fahne hochhalten".

Und jetzt mal ausführlich: "Du hast rumgeschrien wie ein Verrückter", sagt Frau M. und ihre Fassungslosigkeit ist ihr anzusehen. "Ach, komm, so schlimm war es nun auch wieder nicht", beschwichtigt ihr Lebenspartner. "Doch, ich hatte richtig Angst vor dir" – "Wow, ich scheine ja ein richtiges Monster zu sein", sagt er gereizt. Und die Wut scheint wieder in ihm aufzusteigen. Aber ich wende mich an seine Partnerin: "Und wie ging es Ihnen damit?" "Na ja, ich war schon wütend. Aber es macht ja keinen Sinn, wenn ich auch noch rumschreie." Dass Frau M. nicht auch ausrastet, liegt nicht daran, dass sie konfliktscheu ist. Es liegt daran, wie das System Zweierbeziehung funktioniert.

Es passiert, wir geraten außer uns. Wir flippen aus, gerade in der aufgeladenen Nähe unserer Beziehung. Liebesbeziehungen laden dazu ein. Denn der wichtigste Mensch in unserem Leben versteht uns dann nicht, sieht uns nur grotesk verzerrt und behauptet Falsches über uns, und das in der Vertrautheit der Beziehung, in der wir unsere soziale Maske absetzen, uns am wenigsten kontrollieren. Dort, wo wir viel zu schnell mal wie (überforderte) Eltern mit ihren Kindern reden: "Hör einfach auf damit, wie blöd kann man sein!"

Einer für alle, alle für einen?

Doch in der Paarbeziehung gibt es keine Hierarchie, die einem das Recht gibt, sich so durchzusetzen. Also kämpfen wir verbissen und werden verrückt, weil wir beide nicht durchdringen und sich jeder von uns völlig ohnmächtig fühlt.

Gut, wenn dann eine die Nerven behält und die eigenen Gefühle steuern kann. Denn sonst fliegt uns unsere Beziehung um die Ohren, unsere Konflikte eskalieren. Es fallen Sätze, die schwer wiedergutzumachen sind. Der emotionale Stress in der Beziehung steigt und unter Stress reagieren wir noch heftiger und es wird noch schwieriger, einander wieder entspannt zu begegnen. Ein Teufelskreis, in den Paare geraten, wenn keiner von beiden mehr mäßigt und beruhigt.

Dass in guten Paarbeziehungen immer wenigstens eine oder einer ausgleichend wirken muss, gilt aber nicht erst ab Puls 120. Es gilt immer. Eine Liebesbeziehung überlebt nur, wenn nur einer zur selben Zeit beleidigt schmollt, nur eine gerade im Job verschwindet, zu viel trinkt, ständig trainiert, nur noch mit ihren Freundinnen abhängt oder vor lauter Selbstoptimierungskursen die Beziehung ignoriert. Einer muss stets die Beziehung schützen und erhalten. Und es sollte möglichst nicht immer dieselbe Person sein.

Wichtiger Ausgleich

In stabilen Beziehungen funktioniert dieser Ausgleich wie ein unbewusster Automatismus. Die Bedrohung der Beziehung ist spürbar und eine wie Frau M. reagiert darauf. Sobald die Beziehung auf der Anklagebank sitzt ("Es macht doch alles keinen Sinn mehr, wir liegen uns nur noch in den Haaren"), beginnt die Partnerin die Liebe zu verteidigen ("Hey, wir versuchen doch gerade besser klarzukommen! Und gestern Abend war doch schön!").

Sobald sich aber niemand mehr für die Beziehung starkmacht und die guten Seiten hochhält, wird es brenzlig. Heinz Kohut hat das gesehen. Und wir tun gut daran, dieses Wechselspiel im Blick zu behalten. Denn wenn es endet, wenn wir beide nur noch zweifeln und bezweifeln, dann ist unsere Liebe in großer Gefahr.

Neu in den Partner verlieben: Oskar Holzberg
Oskar Holzberg, 67, berät seit über 20 Jahren in seiner Hamburger Praxis Paare und ist seit über 30 Jahren verheiratet. Sein aktuelles Buch heißt "Neue Schlüsselsätze der Liebe" (240 S., 11 Euro, DuMont).
© Ilona Habben
Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel