Auch wenn es unromantisch klingt: einiges. Der Berliner Paartherapeut Wolfgang Krüger behauptet sogar, dass bereits in den ersten Stunden und Tagen einer Beziehung eine Hierarchie ausgehandelt wird: "Während sich der eher naive Partner im Liebesrausch befindet, werden vom taktierenden Partner die Machtfragen geklärt." Wer ist der Stärkere, wer der Schwächere? Solange sich dieses Gefälle immer wieder ändert - gut. Verfestigen sich aber die Strukturen, wird es schwierig. Deswegen gibt es Machtkämpfe allein schon deshalb, um die Partnerschaft gerecht auszubalancieren.
Selbst wenn beide Partner aus einem ähnlichen kulturellen, finanziellen und sozialen Umfeld kommen, hat jeder Interessen, die er, bewusst oder unbewusst, in der Beziehung durchsetzen will. Gleich starke Partner sind beim Verhandeln um die Macht aber nicht auf eine Rolle festgelegt, sondern loten sie ständig neu aus.
Sehen Sie die Verhandlungen um die Macht als Schutz für sich - und für Ihre Liebe. Würden wir dem Partner gegenüber keine "Begrenzungsmacht" ausüben, wie es die Schweizer Sozialwissenschaftlerin Silvia Staub-Bernasconi nennt, würden wir uns irgendwann selbst verlieren. Dann dringt der Partner zu sehr in das eigene Reich - Freundeskreis, Hobby, Arbeit oder Finanzen - ein. Unsere Begrenzungsmacht zeigt: "Bis hierhin und nicht weiter, das ist meins, du darfst gucken, aber nichts anfassen." Schwierig wird es nur, wenn wir dem anderen die Möglichkeit nehmen, sich in der Beziehung wohl zu fühlen, indem wir ihm Sex, Nähe oder Respekt verweigern und ihn so der Dinge berauben, die essenziell für eine Beziehung sind.
Wir fühlen uns entweder im wahrsten Sinne "ohnmächtig" dem Partner gegenüber und entziehen uns mit solchen Methoden seiner Macht. Oder wir glauben, Besseres verdient zu haben, weil wir ihm vermeintlich mehr (Intellekt, Attraktivität, Geld) bieten, und lassen den anderen unsere Enttäuschung auf diesem Weg spüren.
Na ja, auf der Suche nach Harmonie übersehen wir oft, dass wir ständig kleine Kämpfe auszufechten haben: um Anerkennung, Zuwendung, Zärtlichkeit, Sex, Sicherheit, Freiheit oder Geld. Man beklagt sich bei der besten Freundin, dass er so wenig zu Hause mithilft oder dass er nie zuhört. Aber das eigentliche Problem ist ein Machtproblem.
Stimmt so nicht. Der bekannte Paartherapeut Hans Jellouschek meint, dass es eine Macht gibt, die ganz wichtig ist: die Macht der Ermöglichung. Man versucht durch Annäherung und Kompromisse, den Partner zu etwas zu bewegen, was er von allein nicht gemacht hätte. Zum Beispiel: Er will im Urlaub Kultur erleben und gut essen, sie möchte Sport machen - gemeinsam beschließen sie, eine Radreise an den Schlössern der Loire entlang zu machen. Dadurch entsteht etwas Neues für beide. Doch diese Form der Machtausübung ist die Königsdisziplin.
Banal gesagt: Wenn der Wechsel von Geben und Nehmen zwischen den Partnern nicht (mehr) stimmt. Denn der muss flexibel bleiben: Mal bin ich an der Reihe, mal du. Oft entwickelt sich ein Ungleichgewicht in Beziehungen, in denen das Selbstwertgefühl des einen Partners zu sehr an die Beziehung gekoppelt ist. Um Macht gerecht auszubalancieren, müssen beide über eine gleichwertige Ichstärke verfügen, damit äußere Umstände nicht das Innere gefährden. Beispiel: Er arbeitet am Theater als Schauspieler, verdient wenig bis gar nichts, sie hat einen Topjob. Macht er seinen Selbstwert allein vom Geld abhängig, haben die beiden ein Problem. Definiert er seine Person aber über sein Talent, kann sie die Karriereleiter höher und höher klettern, ohne dass ihn das groß aus seiner seelischen Bahn wirft. Machtkonflikte entstehen außerdem häufig nach der Geburt des ersten Kindes, weil das Paar sich komplett neu finden muss. Er ist vorübergehend auf einmal Alleinverdiener, sie die Hausfrau.
Sie setzen zumindest unterschiedliche Strategien ein. Und die der Männer sind leider meistens erfolgreicher
Sie sitzen das Problem aus. Männer überschätzen häufig ihr Engagement in der Beziehung, im Alltag oder in der Kindererziehung. Sie sehen keinen Grund für eine Veränderung. Deshalb tun sie einfach nichts. Und ignorieren die Anliegen der Partnerin. Warten ab, bis diese mürbe vom ständigen Einfordern ist und aufgibt. Das Aussitzen wirkt erst einmal mächtig. Auf Dauer stellt es aber eine große Schwäche dar, weil Männer dadurch nicht in der Lage sind, die Beziehung zu erneuern und ihr Ende in Kauf nehmen. Denn irgendwann wird auch die geduldigste Partnerin den Schluss-Strich ziehen. Frauen taktieren dagegen indirekt und vorsichtig, riskieren selten einen Streit. Das bringt sie nicht weiter.
Na ja, Sie könnten sich an den Psychologen Krüger halten und sich vom ersten Date an bewusst machen, dass der andere schon in den ersten Sekunden abschätzt, wo Schwächen oder Stärken liegen. Oder Sie machen sich bewusst, dass Sie und Ihr Partner zwei Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen sind, die nie zu einem Wesen verschmelzen werden. Dass es immer wieder Konflikte um die Macht geben wird, weil jeder eine eigene Idee vom Leben hat. Krüger rät, von Anfang an darauf zu achten, wie rücksichtsvoll der Partner ist. Überschreitet er permanent Grenzen? Liest er Nachrichten auf Ihrem Telefon? Kritisiert er Sie andauernd? Kommt er ständig zu spät? Und - Sie könnten ihn natürlich testen.
Wie ein Mensch seine Macht über andere nutzt, erkennt man an seinem Umgang mit Familie und Freunden. Welche Rolle nimmt er in seinem Umfeld ein? Ist er bei seiner Mutter das anhängliche Unschuldslamm, weil er weiß, dass sie ihm jeden Wunsch erfüllt, und spielt dagegen seinen Intellekt bei Freunden aus? Würde er seinem Bruder in einer Notsituation Geld leihen? Kann er Konflikte ertragen oder schweigt er, wenn es zu einer Diskussion am Familientisch kommt? So erkennen Sie, zu welchen Machtquellen Ihr Partner Zugang hat und ob er diese gegen Sie verwendet.
Eine solche Machtressource ist zum Beispiel die Bindung zu den Kindern, die Mütter häufig gegen ihre Partner verwenden. Nach dem Motto: Machst du nicht, was ich von dir will, entziehe ich dir die Kinder. Aber auch die Beziehung zu Eltern oder Freunden kann eine Machtquelle sein. Jemand, der ein stabiles soziales Umfeld hat, tritt dem Partner gegenüber stärker auf. Attraktivität spielt eine Rolle - ein Partner, der seinen Marktwert kennt, kann sein gutes Aussehen als Waffe gegen den anderen einsetzen: "Schau her, ich kann noch andere haben." Oder man verweigert Sex. Auch wenn einer von beiden Zugang zu wesentlich mehr Geld hat, etwa durch eine Erbschaft, ist das ein Machtfaktor. Gerade Männer haben oft ein großes Problem damit, wenn die Frau mehr Geld in die Beziehung einbringt - Frauen haben dies aber genauso.
Auch ein Arbeitsplatz ist eine große Machtquelle. Sie sind fest ins Leben eingebunden, Ihr Freund ist es nicht mehr. Weil ihm die Wertschätzung im Job fehlt, hat er ein Problem mit seinem Selbstwert, das er Sie spüren lässt. Ähnlich machtvoll kann übrigens auch eine Krankheit wirken. "Sieh doch, wie schlecht es mir geht. Du musst für mich da sein." Das sorgt beim anderen für ein ständiges schlechtes Gewissen. Manchmal schreiben wir dem Partner aber auch eine Form von Macht zu, die er gar nicht besitzt.
Sie üben in diesem Fall passive Opfermacht aus. Wenn es in einer Beziehung zu massiven emotionalen Verletzungen gekommen ist, die vom "Opfer" nie wirklich aufgearbeitet wurden, belässt man den anderen in seiner Schuld - oft auch bewusst, um ihn auf diese Weise in der Partnerschaft kleinzuhalten und ihm nicht noch ein weiteres Mal die Möglichkeit zu geben, sich verletzend zu verhalten. Der Betrogene selbst spürt nach Verletzungen zwei große Bedürfnisse: das nach einem Neuanfang und das nach einer stärkeren Position gegenüber dem Partner, die er durch die jetzige Opfermacht erhält. Gibt er die auf, muss er sich etwas anderes suchen, was ihn ebenbürtig macht. Das fällt nach einer Enttäuschung jedoch schwer, genauso, wie zu verzeihen.
Das nennt man passive Machtausübung. Vielleicht reagiert Ihr Mann so, weil er keinen anderen Weg der Abgrenzung sieht, das geschieht unbewusst. Oder er bleibt absichtlich stumm, weil er weiß, dass Sie das wütend macht. So kann er das Machtgefüge innerhalb der Beziehung zu seinen Gunsten verschieben, wenn er sich Ihnen gegenüber sonst nicht stark genug fühlt.
Es hat letztendlich mit der Wahrnehmung des Partners zu tun. Oft stimmt das Bild, das wir vom anderen haben, nicht mit der Beziehungsrealität überein. Wir haben von Anfang an ein festes Konzept vom Partner (er ist der Starke, der Geldverdiener, der Intellektuelle, der Frauenschwarm). Damit zementieren wir aber auch unsere Rolle in der Partnerschaft. Vielleicht sieht Ihr Mann Sie nur noch als dominante Erfolgsfrau, der er als Kummerkasten, nicht aber als Ratgeber dienen soll. Deswegen sollte man versuchen, hin und wieder aus der Beziehung heraustreten, um sie und sich selbst von außen zu betrachten.
Dahinter könnte ein schwaches Selbstwertgefühl stecken. Lernen Sie etwas, das Ihnen Spaß macht und worin Sie besonders gut sind, registrieren Sie, dass andere Sie schätzen - Ihr Selbstbewusstsein wird wachsen, und Sie können leichter dem anderen mal den Vortritt lassen.
Streiten Sie. Aber richtig. Paare mit einem Machtproblem haben oft Angst vor Nähe - oder vor einer Trennung. Deshalb gehen sie ihr Beziehungsproblem nie richtig an.
Irgendwann kommt es zum Liebes-Aus. Meist versucht einer der Partner den Machtkampf durch Fremdgehen oder Verweigerung zu beenden.
Wer nicht streitet, kann sich gleich trennen. Es geht nicht darum, wegen jeder Kleinigkeit die Fetzen fliegen zu lassen. Sondern um ein "interpersonales Tauschgeschäft ", sprich: das Ausbalancieren zwischen Geben und Nehmen. Dafür muss man Konflikte riskieren. Zu viel Harmonie stört jede Beziehung, denn Leidenschaft braucht Unausgewogenheit, insofern hat das ständige Neuverhandeln um Macht sein Gutes.
Sie lassen sich nicht festlegen. Beide nehmen im Wechsel eine schwache oder eine starke Rolle ein. Sie wollen den Partner nicht um jeden Preis von der eigenen Meinung überzeugen, sondern wechseln die Perspektive, nähern sich dem Partner an. Sie wissen: Unterschiedlichkeit ist nichts Bedrohliches, man muss nur damit umgehen können.
BRIGITTE-Umfrage: Wie Paare Macht in der Beziehung erleben
Einigkeit: Die große Mehrheit der Befragten (89 Prozent) sind sich einig, dass sie in ihrer Beziehung gleichberechtigte Partner sind. Männer und Frauen sehen das identisch.
Frauenpower: Dennoch meinen knapp ein Drittel der Befragten (34 Prozent), dass meistens die Frauen sagen, wo's langgeht. Besonders die 18- bis 29-Jährigen sehen das so.
Störfaktor: Das Gleichgewicht einer Beziehung ist bedroht, wenn die Frau mehr verdient als der Mann. Dieser Meinung sind 19 Prozent aller Befragten. Allerdings sehen nur 11 Prozent der Männer darin eine "Bedrohung", aber immerhin 28 Prozent der Frauen selbst.
Nachwuchs: Neben Geld der zweite große Faktor, der Beziehungen aus den Fugen geraten lässt, aber nur 10 Prozent aller Befragten sehen darin ein Problem. Allerdings sind Männer und Frauen hier sehr unterschiedlicher Meinung: Bei den Frauen sind es 16 Prozent, bei den Männern dagegen nur 5 Prozent.
Machtmittel: Mehr als ein Viertel aller Frauen sagen, dass sie oft zum Mittel der Erpressung greifen, um ihre Interessen durchzusetzen. Sexentzug als Druckmittel ist jedoch wenig populär und wird nur von 7 Prozent der Frauen benutzt (bei den Männern sind es lediglich 3 Prozent).
Quelle: Forsa, September 2009