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Liebe: Die Freunde mögen den Freund nicht

Er ist nett, intelligent, charmant, ein echter Hauptgewinn, findet sie. Er ist laut, unhöflich, distanzlos, ein Wichtigtuer, finden ihre besten Freunde. Eine schwierige Situation, meint Martina Wimmer.

Großes Gefühl. Das Leben kann losgehen. Endlich ist wieder einer da, der es mit einem teilt. Die anderen, meine Freunde und Freundinnen, die Menschen, die mich kennen und lieben, werden sich mit mir freuen.

Wenn der erste Zweisamkeitsrausch vorbei ist, hat der neue Mann Premiere in der Welt, die uns umgibt. Was soll schon schief gehen, wenn der offenste, witzigste und zugleich feinfühligste Mann aller Zeiten auf ein knappes Dutzend ähnlich großartiger Menschen trifft?

Kritische Blicke, gezwungene Atmosphäre

Nur: Tanja, die allerbeste Freundin, wird auch nach dem zweiten Glas Wein ihren kritischen Blick nicht los, wenn sie mit ihm spricht. Der gute alte Robert versorgt ihn regelmäßig mit frischem Bier, aber das macht er immer und für jeden. Britta, eine sonst niemals um Worte verlegene Plaudertasche, tanzt vorbei und guckt nur fragend. Scheint ein fröhlicher Abend für alle, nur der Neue, mein Neuer, steht außen vor. Alle behandeln ihn freundlich und höflich, mehr aber auch nicht.

Wenn der Mann nicht zu den Freunden passt, hat man zweierlei Problem: Die Vision der friedlichen Kleingruppenidylle verabschiedet sich ziemlich abrupt. In der eigenen Fantasie wurden schon gemeinsame Ferien in großzügigen Fincas geplant, in der Realität können Partner und beste Freunde noch nicht mal an einem Abendbrottisch sitzen, ohne dass eine qualvoll gezwungene Atmosphäre entsteht. Das stört die Harmonie im Kopf, das Leben sollte schöner werden durch den neuen Mann und wird nun plötzlich kompliziert.

Auch weil die Zweifel der Freunde die eigene Unsicherheit bedienen. Die rosarote Brille trübt sich ein. Hat der Traummann Macken, Schwächen, so groß, unübersehbar für alle, nur ich selber war vor Liebe blind? Oder kann, darf, muss ich den althergebrachten Vertrauenspersonen doch misstrauen?

Liebe braucht keine Rechtfertigung

Loyalitätskonflikt nennt das die Psychologie, wie ein Scheidungskind klemmt man plötzlich zwischen den Fronten. Ganz wichtig wird es dann, zunächst mal auf sich selbst zu schauen und vor allem auch sich selbst zu trauen. Liebe ist eine Herzensangelegenheit, eine höchst private Übereinkunft zwischen zwei Menschen, die nicht für jeden völlig verständlich sein muss. Schon gar nicht auf den ersten Blick.

Wer sich verliebt, braucht sich nicht zu rechtfertigen, muss nichts erklären oder richtig stellen. Weil es in der Liebe nur ein einziges wichtiges Kriterium gibt - das eigene Gefühl. Und genau das muss auch mal gesagt werden, wenn Kritik von außen kommt: Wir sind glücklich miteinander, mir geht's gut, und euer Genörgel will ich jetzt nicht hören.

Manchmal hilft einfach abwarten ...

Nur weder lässt sich Sympathie erzwingen, noch hilft es, sich von lieb gewonnenen Menschen trotzig zu distanzieren. Man will sie alle, die Freunde und den Partner. Sie müssen sich nicht mögen, aber Verständnis sollten sie haben für den Menschen in der Mitte, für einen selbst. Genauso wie sie umgekehrt auch Verständnis erwarten können.

Manchmal hilft auch einfach nur abwarten. Mit etwas Glück nähern sich Freund und Freunde irgendwann ganz von allein, eines Abends an der Bar. Und zwei Stunden später stehen sie dann einträchtig grinsend nebeneinander, trinken das vierte Bier und beteuern sich gegenseitig, wie unglaublich ätzend sie sich anfangs fanden. Oder sie streiten sich richtig zünftig, dann sind die Fronten wenigstens klar.

Martina Wimmer

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