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Kann man einen Betrug ganz hinter sich lassen?

Betrug: Pärchen im Bett
© Kiselev Andrey Valerevich / Shutterstock
Liebe ist die Antwort auf alle Fragen? Nicht ganz. Sie stellt auch ziemlich viele. Diesmal erklärt uns Psychologe und Paartherapeut Oskar Holzberg, ob man einen Betrug wirklich hinter sich lassen kann.

Nein. Und vielleicht sollten wir das auch nicht. Aber eine Narbe muss nicht ewig schmerzen.

Jetzt mal ausführlich:

Wenn unser Liebster eine andere Frau liebt. Wenn er vorgibt, seine Doktorarbeit zu schreiben, aber stattdessen mit seinen Freunden den Tag verzockt. Wenn er unser Vermögen in Derivaten versenkt, obwohl er uns versprochen hat, nichts zu riskieren. Dann erschüttert ein Erdbeben unsere Beziehung. Der Boden, auf dem wir so sicher zu stehen dachten, schwankt. "Ich hätte nie gedacht, dass das passieren könnte!", sagen wir. Natürlich wissen wir, dass es überall Affären, Betrug und Lügen gibt. Wieso sollten ausgerechnet wir davon verschont bleiben? Aber genau das haben wir nicht nur gehofft, sondern wirklich geglaubt. Und jetzt stehen wir vor den Trümmern unserer Beziehung.

Es ist ein hartes Stück Arbeit

Durch einen Betrug verlieren wir das Vertrauen in den anderen, und damit den Glauben an die besondere Qualität unserer Beziehung. So geht uns das Gefühl absoluter Sicherheit verloren. Die romantische Märchenburg "Zweisamkeit" inmitten der bösen Wirklichkeit existiert nicht mehr. Die Realität hat uns wieder. Und nun stehen wir vor der Frage, wie viel emotionale Sicherheit wir wieder in unserer Beziehung finden können. Wir sehr wir darauf vertrauen können, dass unser Partner, unsere Partnerin für uns da ist und an unserer Seite steht. Können wir gemeinsam die eingetretene Bindungsverletzung wieder heilen? Das kommt drauf an.

Porträt Oskar Holzberg
Oskar Holzberg berät seit mehr als 20 Jahren in seiner Hamburger Praxis Paare und bekommt immer wieder Beziehungsfragen gestellt. Sein aktuelles Buch heißt: "Neue Schlüsselsätze der Liebe".
© Ilona Habben

Am schwierigsten ist es, wenn wir bereits in unserer Kindheit keine oder wenig Sicherheit erlebt haben. Wenn wir durch frühe Verluste traumatisiert sind, reißt der Betrug alte Wunden auf. Das macht es noch schwerer, wieder zueinanderzufinden, als es ohnehin schon ist. Und schwer ist es immer. Es ist echte Beziehungsarbeit, bevor wir wieder Vertrauen "schenken" können. Manchen Paaren gelingt es nicht. Der Schmerz über den Betrug flammt zwischen ihnen ständig wieder auf: Eine Nachricht auf dem Handy, ein zu intensiver Blick auf die attraktive Tischnachbarin - und Eifersucht und Misstrauen brechen wieder auf, alles wird wieder infrage gestellt. Die Beziehung droht daran zu zerbrechen. Anderen Paaren dagegen gelingt es, den Betrug zu integrieren. Sie haben zwar die Illusion der unbedingten Sicherheit verloren, aber sie vertrauen in ihre Beziehung. Sie bleiben vorsichtiger miteinander, aber sie rechnen es sich auch als ihre gemeinsame Stärke an, dass sie sogar eine große Krise gemeinsam bewältigt haben. Das schafft ein neues, anderes Vertrauen ineinander.

Jeder geht mit einer Krise anders um

Und einige Paare wachsen sogar an dem Erdbeben ihrer Beziehung. Für sie wird tatsächlich der gern bemühte Spruch wahr, dass Krisen auch immer Chancen für Wachstum sind. Der Betrug hat sie aufgeweckt. Sie sehen, dass es zu dem Vertrauensbruch nicht zufällig gekommen ist, sondern weil sie als Paar eben nicht offen, nicht nah, nicht intim, nicht ehrlich genug miteinander gewesen sind. Der Betrug wird zum Auslöser für intensive Gespräche, für eine Klärung, für eine Beziehung 2.0: eine andere, mehr aufeinander bezogene Partnerschaft, die jetzt nicht weniger, sondern mehr Bedeutung für beide hat. Aber erst mit der Zeit wird sich klären, ob die Narbe gut abheilt und zu einem stolz getragenen Zeichen dieser Beziehung wird - oder ob sie ewig schmerzt.

BRIGITTE 15/2019

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