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Jüngerer Mann: "Finger weg, dachte ich..."

Gudrun Baumgartner, 39, war eine gestandene Hotel-Chefin, als sie sich vor fünf Jahren in den 18-jährigen Azubi Daniel verliebte. Heute sind sie verheiratet und haben zwei Kinder - doch das Gerede in der kleinen niederbayerischen Gemeinde ist noch immer nicht verstummt.

BRIGITTE: Frau Baumgartner, was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie Daniel kennen lernten?

Gudrun Baumgartner: Fescher Kerl. Bräuchte noch ein paar härtere Winter, dann könnte es vielleicht was werden mit uns beiden. Der war noch so jung damals, 18! Mich hat sein Alter sehr erschreckt. Ich hatte ihn auf mindestens 22, 23 geschätzt. Ich dachte: Gudrun, das kannst du nicht bringen. Lass die Finger davon. Du stehst mitten im Berufsleben, hast eine elfjährige Tochter, bist schon einmal geschieden, warte ab. Daniel ist ein Teenager! Aber ich konnte nichts machen... es war die viel beschriebene Liebe auf den ersten Blick.

Daniel Baumgartner: Als wir uns auf einer Weihnachtsfeier näher kamen, wusste ich sofort: Die ist es. Sie ist eine attraktive Frau, hat viel Humor, sie strahlt eine Reife und Lebenserfahrung aus, die Mädchen meines Alters nicht haben. Dieses Zukunftsorientierte, Anpackende an ihr, das mag ich. Ich bin schon so einer, der gern alles in seinem Leben geregelt hat, mir war wichtig, früh eine Familie zu gründen. Das heißt aber nicht, dass ich gezielt nach einer älteren Frau gesucht habe. Es hat nur einfach gepasst mit Gudrun.

Gudrun: Du hast von Anfang nicht gezweifelt. Dir auch keine großen Gedanken gemacht: Was sagen die anderen? Wie werden Freunde und Familie reagieren?

Daniel: Ich stehe eben zu meinen Entscheidungen. Und der Rest ist mir egal.

BRIGITTE: Wirklich? Keine Angst davor gehabt, dass Freunde sich abwenden? Oder Ihre Eltern schwer enttäuscht sind?

Daniel: Ich hätte mit meinen Eltern gebrochen, wenn sie gegen die Beziehung gewesen wären. Es hat doch niemand das Recht, sich gegen mein Glück zu stellen. Meine Devise war: kein großes Brimborium machen. Nicht unnötig problematisieren. Ich habe Gudrun einfach zu Veranstaltungen, auf denen auch viele meiner Freunde waren, mitgenommen und gesagt: Darf ich vorstellen, das ist Gudrun, meine neue Freundin. Natürlich haben manche komisch geschaut, und natürlich ging hintenrum das Gerede los. Was will der mit der alten Tante? Aber nur einmal hat mir einer ins Gesicht gesagt, was er wirklich dachte. Ich saß mit meinen Lehrlingskollegen zusammen und gab bekannt, dass Gudrun und ich heiraten würden. Da fand sich einer besonders witzig und blökte: "Dann kannst du den Sarg gleich mitbestellen.

Gudrun: Ich war nicht so unbekümmert wie Daniel. Ich dachte schon: Wenn meine beste Freundin, meine Mama, meine Tochter zu meiner Beziehung zu Daniel sagen, das akzeptieren wir nicht, das unterstützen wir nicht, du stürzt dich ins Verderben mit diesem jungen Kerl - was mache ich dann?

BRIGITTE: Wie groß war die Angst, diesen wichtigen Menschen in Ihrem Leben zu gestehen: "Ich habe da jemanden kennen gelernt"?

Gudrun: Mir war sehr mulmig. Ich konnte nur schwer einschätzen, wie sie reagieren. Was ich mir anhören muss. Komischerweise waren sowohl meine beste Freundin als auch meine Mutter sehr entspannt. Beide haben gesagt: Du wirst schon wissen, was du tust. Auch meine Tochter war ganz cool. Für sie ist Daniel sowieso mehr ein älterer Bruder, der ihr auch mal den Roller repariert. Sie alle haben mir vertraut, das hat mir viel Rückhalt gegeben. Man spürt, wie in der Arbeit, beim Bäcker und so weiter die Köpfe zusammengesteckt werden und die Tuschelei losgeht: Die hat sich jetzt einen jungen Kerl zum Spielen geschnappt. Wird wohl nicht mehr als eine heiße Affäre sein. Da muss man drüber stehen, aber als Daniel dann auch noch bei mir im Hotel anfing zu arbeiten, war das manchmal nicht leicht. Wir wollten ja ernst genommen werden.

BRIGITTE: Sie haben sich kurz vor Weihnachten ineinander verliebt, an Silvester bereits verlobt und im darauffolgenden April geheiratet. Wollten Sie mit dieser Rasanz der ganzen Welt zeigen: Das hier ist viel mehr als eine heiße Affäre?

Daniel: Das war bestimmt nicht der Hauptgrund. Wir sind, auch wenn das vielleicht kitschig klingt, seelenverwandt. Wir waren uns einfach sehr schnell sicher, dass wir zusammengehören. Und dass wir unsere Liebe besiegeln wollen.

Gudrun: Aber auch da sind wir auf Widerstände gestoßen. Wir wollten kirchlich heiraten, was auch gegangen wäre, weil meine erste Ehe nur standesamtlich war.

Daniel: Also sind wir zu unserem Pfarrer hier gegangen. Ich habe bei ihm jahrelang ministriert, und auch Gudrun kannte ihn gut. Alles schien in Ordnung.

Gudrun: Bis mir eine Freundin erzählte, der Pfarrer gehe in der ganzen Gemeinde damit hausieren, er könne nicht vor Gott verantworten, dieser Ehe, die sowieso scheitern würde, seinen Segen zu geben. Das hat mich sehr verletzt. Wie viele Ehen traut er, die von Anfang an keine Chance haben? Und dieser Mann Gottes hat nicht einmal den Mut, uns gegenüber seine Zweifel zu äußern? Aber so ist das hier auf dem Land: nach vorn hin freundlich, und hinter dem Rücken kommen die fiesesten Kommentare. Die Ehefrau darf einfach nicht wesentlich älter als der Mann sein, das passt nicht in das traditionelle Schema. Vermutlich darf sie auch nicht so selbstbewusst auftreten wie ich. Was glauben Sie, was meine Schwiegereltern sich bis heute anhören müssen!

Daniel: Ich habe wirklich Hochachtung vor meinen Eltern. Sie sind immer noch - zum Teil ganz offenen - Anfeindungen ausgesetzt. Eine Bekannte sagte meiner Mutter, sie sei eine verantwortungslose Rabenmutter, ihren einzigen Sohn eine so viel ältere Frau heiraten zu lassen, das habe doch keine Zukunft. Aber meine Eltern haben uns immer unterstützt, von Anfang an.

Gudrun: Ich hatte in meiner ersten Ehe eine Schwiegermutter, die sich überall einmischte. Deswegen wollte ich unbedingt ein gutes Verhältnis zu Daniels Eltern. Zum ersten Treffen habe ich sie bei mir zu Hause schwer bekocht. Ich war aufgeregter als bei der Führerscheinprüfung. Ich habe zu Daniel gesagt: Ich bete wirklich, dass deine Eltern nett sind. Noch einmal stehe ich einen Teufel als Schwiegermutter nicht durch. Jetzt habe ich eine Freundin als Schwiegermutter, die nur neun Jahre älter ist als ich.

BRIGITTE: Wenn man Ihnen zuhört, hat man das Gefühl, die 16 Jahre Altersunterschied wären für Sie selbst als Paar überhaupt kein Thema. Ist das wirklich so?

Daniel: Ich sehe den Unterschied nur an den Geburtsdaten in unserem Ausweis: 1967 und 1983. Alter ist doch relativ. Gudrun sieht nicht wie Ende 30 aus, und in ihrem ganzen Wesen und ihrer Einstellung ist sie jünger als manche 25-Jährige. Wir haben die gleichen Vorstellungen vom Leben, wir hören sogar die gleiche Musik, wir sind uns einfach sehr ähnlich.

Gudrun: Was ich schon manchmal merke: Ich habe mehr Lebenserfahrung. Und deswegen weiß ich manche Dinge besser - zum Beispiel habe ich schon ein Kind aufgezogen, bevor wir jetzt gemeinsam noch David und Greta bekommen haben. Das ist manchmal ein Problem, wenn wir uns streiten: dass er sich da nur ungern von mir belehren lässt.

Daniel: Ich glaube, unsere Streitereien sind nicht größer als in anderen Familien auch.

Gudrun: Aber wir sind eine ungewöhnliche Familie. Zumindest in den Augen vieler anderer. Und man muss lernen, damit zu leben. Dieser verstörte Blick, wenn Daniel mal wieder für meinen Sohn gehalten wird, das Gerede, das wohl nie verstummen wird. Daniel betreibt ein Nachtlokal, und jetzt kommen Sprüche wie: Daniel ist den ganzen Abend von jungen hübschen Mädchen umgeben, irgendwann wird er da doch zugreifen, der muss sich doch noch austoben. Ich kann nur sagen: Ich vertraue ihm. Ich weiß, dass er nicht so einer ist.

BRIGITTE: Herr Baumgartner, haben Sie das Gefühl, etwas zu verpassen?

Daniel: Die meisten meiner Freunde führen ein völlig anderes Leben, das ist klar. Ich trage viel mehr Verantwortung. Ich denke, ich hatte schon immer andere Träume als die meisten meines Alters.

BRIGITTE: Frau Baumgartner, wie sehr hat die Liebe zu Daniel Ihr Leben verändert?

Gudrun: Sehr. Es ist ein neuer Anfang. Ich arbeite zeitweise mit in Daniels Nachtlokal. Ich habe zwei kleine Kinder. Es ist anstrengender, aber auch schöner geworden.

BRIGITTE: Denken Sie manchmal an die Zukunft? Daran, was sein wird, wenn der eine 80 und der andere erst Anfang 60 ist?

Gudrun: Ganz ehrlich - Nein.

Interview: Mareen Linnartz BRIGITTE Heft 24/2006

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