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Beziehungsgrübler Wie wir uns selbst sabotieren – und wie wir es verhindern

Wie wir unsere Beziehungen selbst sabotieren
"Er langweilt sich", sagt dir deine innere Stimme. "Er hat mir nichts mehr zu sagen, wir sind von nun an das Paar, das sich beim Essen anschweigt."
© Cristina Conti / Adobe Stock
Es beginnt mit Gedanken, die sich verselbstständigen, Ängste und Unsicherheiten wecken. Wie du merkst, dass du dich in deiner Beziehung selbst sabotierst – und wie du es stoppen kannst.

Er kommt mal wieder später von der Arbeit, was eure Zeit der Zweisamkeit für diesen Abend abkürzt. "War ja klar", denkst du dir, "die Arbeit ist natürlich wieder wichtiger." Er setzt sich zu dir an den Tisch, immerhin habt ihr euer ritualisiertes gemeinsames Abendessen, bei dem ihr euch über euren Tag austauscht. Doch dieses Mal ist er immer mal wieder am Handy zugange, wirkt abgelenkt. "Er langweilt sich", sagt dir deine innere Stimme. "Er hat mir nichts mehr zu sagen, wir sind von nun an das Paar, das sich beim Essen anschweigt." 

Besonders verletzt dich, dass du gestern noch gesagt hast, dass du heute auf der Arbeit eine besonders wichtige Präsentation hältst, vor der du ein wenig Angst hast. Und heute kommt keine Nachfrage von seiner Seite. "Es ist ihm einfach egal", sagst du dir. "Ich bin allein in dieser Beziehung." Nachts im Bett gibt er dir einen Kuss auf die Wange, wünscht dir eine gute Nacht und dreht sich von dir weg. "Er hat kein sexuelles Interesse mehr an mir", flüstert es in dir. "Sex hat wohl keinen Platz mehr in unserer Beziehung."

Vielleicht kommen dir manche dieser Situationen und vor allem Gedanken und Gefühle bekannt vor? Gedanken wie diese kommen vor allem dann vor, wenn du dich und deine Beziehung bedroht fühlst. Oftmals folgen weitere Gedanken, reflexartig und negativ, gespeist von Ängsten und irgendwann gerätst du in einen Teufelskreis, den Psycholog:innen "Grübelei" nennen und die, wie Studien zeigen, zu langfristigen, negativen gesundheitlichen Folgen führen kann.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der mit dem "Happy End" die Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen zu Ende erzählt zu sein scheint – doch Liebe und Beziehungen sind kein Ding des Zufalls, sie sind das Ergebnis von beidseitiger Arbeit. Und nicht selten stehen wir uns dabei selbst im Weg. Hier sind drei Zeichen, wie du (unbewusst) deine eigene Beziehung sabotierst – und Empfehlungen, wie du diese Selbstsabotage beenden kannst.

Die Formen selbstzerstörerischen Grübelns

Grübeln wird definiert als "angestrengtes, hartnäckiges, oft nutzloses Nachdenken" – und kann für eine Beziehung Gift bedeuten. Wir alle hegen in bestimmten Momenten Zweifel an unserem Miteinander, einfach, weil wir alle bestimmte Unsicherheiten haben, die unsere liebsten Menschen (oftmals unbewusst) triggern können. 

Wir können aus einem Elternhaus kommen, in dem ein Elternteil ständig arbeiten war und uns dadurch ungewollt das Gefühl gegeben hat, an zweiter oder dritter Stelle zu stehen. Vielleicht mussten wir schon früh im Leben um Aufmerksamkeit kämpfen, vielleicht haben wir Unsicherheiten in Bezug auf unseren Körper oder unsere Sexualität. 

Unsere Partner:innen können hiervon wissen (in einer vertrauensvollen Beziehung tun sie das auch) und trotzdem kann es geschehen, dass sie diese Ängste schüren. Und diese Ängste melden sich dann mit inneren Gedanken wie "Die Arbeit ist ihm wichtiger" oder "Er interessiert sich nicht für meine Probleme" oder eben "Er findet mich unattraktiv". Diese Grübeleien können sich exponentiell verstärken, immer neue Gedanken kommen hinzu, immer neue Unsicherheiten und Ängste. Ein paar Beispiele:

  • Schuldzuweisungen: Diese Form der Grübelei kann in beide Richtungen gehen. Gegen sich selbst gerichtet, mit Worten wie "Das ist meine Schuld. Ich bin ein solcher Idiot. Wie konnte ich denken, dass ich ihm wichtiger sein würde als …?" Oder gegen den:die Partner:in gerichtet: "Er ist ein Egoist. Wie kann er nicht sehen, dass es mir schlecht geht? Er sollte sich entschuldigen, warum tut er es denn nicht?"

Bei dieser Form des Grübelns bewegen wir uns in der Vergangenheit und folgen der Überzeugung, unfair behandelt worden zu sein – oder zu behandeln. Hierbei werden bestimmte Ereignisse aus der Vergangenheit herausgepickt und wie unter der Lupe betrachtet.

  • Kontrolle: "Ich weiß es besser. Ich bin der rationale Typ. Ich habe Zugang zu meinen Emotionen, bin freundlicher, weiser, gesünder, überlegener. Ich bin die Person, die uns gesund, sicher und glücklich macht" – nur einige mögliche Gedanken von jenen, die sich in dem Wunsch nach absoluter Kontrolle verlieren.

Diese Menschen meinen immer zu wissen, was der beste nächste Schritt ist – und oftmals bestehen sie darauf, dass dieser Schritt sofort unternommen werden muss. Sie neigen dazu, anderen zu misstrauen, sind oftmals angespannt und unflexibel. Es gibt nur Richtig oder Falsch, Schwarz und Weiß – und diese Menschen haben das Wissen darum gepachtet, was richtig und was falsch ist.

  • Zweifel: Wer zweifelt, versinkt leicht in einem Morast aus Unsicherheiten: "Kann ich meiner eigenen Wahrnehmung trauen? Vielleicht bilde ich mir das ein. Warum geht es allen anderen Pärchen so viel besser als uns? Bin ich mir sicher mit meiner Partnerin? Bin ich eine Hochstaplerin? Meiner Intuition ist nicht zu trauen, was, wenn ich schon wieder einen Fehler mache?"

Es gibt nie genug Klarheit, nie eine Garantie für Personen, die dieser Form der Grübelei verfallen sind. Wie viele Beweise es auch geben mag für die ein oder andere Sache – es ist nie genug, um ihnen dabei zu helfen, Entscheidungen zu treffen oder etwas zu unternehmen. Je inständiger sie sich auf die Suche nach Beweisen und Sicherheiten begeben, desto stärker versinken sie in Zweifeln. Sie sind unsicher und überaus selbstkritisch.

Wie kannst du den Teufelskreis der Grübelei durchbrechen?

Wir alle sind verletzlich, besonders in einer engen Beziehung – das fühlt sich nicht immer schön an, gerade wenn uns eine Situation verunsichert. Doch wenn wir uns dem Grübeln hingeben, ist das oftmals nur ein Versuch, uns eben nicht mit unserer Verletzlichkeit auseinanderzusetzen, erklärt Beziehungstherapeutin Alicia Muñoz in einem Artikel vom "Greater Good Magazine". Es mag Angst einjagen, es mag anstrengend sein – aber es gilt, sich in diese Unsicherheiten hineinzubegeben und ihnen auf den Grund zu gehen. Zum Beispiel so:

  • Sich des Grübelns bewusst werden: Du bekommst eine Nachricht von deiner Freundin. Sie kann sich heute doch nicht mit dir treffen. Ihre Absage kommt ziemlich spontan, dein erster Impuls ist zu denken: "Wie kann sie mir das antun? Wir waren verabredet und nun lässt sie mich einfach links liegen? Was für eine Egoistin!" Doch es lohnt, in solchen Momenten innezuhalten und sich zu fragen: Was passiert hier gerade in mir? Was spüre ich und warum? Ist das, was mir gerade durch meine Gedanken spukt, ein Fakt oder wirklich nur ein Gedanke?
Wenn du den Gedanken als solches betrachtest, unterbrichst du die Dynamik des Schulkreislaufs", erklärt die Psychologin. "So glaubst du nicht automatisch, dass deine Gedanken die Realität korrekt wiedergeben, nur weil du in diesem Moment verärgert bist.
  • Sei offen für das, was in deinem Inneren geschieht: Aufbauend darauf, den Gedanken als Gedanken – und eben nicht als Fakt – zu erkennen, gilt es im nächsten Schritt, das Muster zu erkennen, das sich hinter den Grübeleien verbirgt. Zum Beispiel: Dein Freund schaut auf das Handy, während ihr beide zusammen esst. Du bemerkst, dass dieser Akt etwas in dir auslöst. Vielleicht macht er dich traurig, vielleicht wütend oder frustriert. Zunächst gilt es festzustellen, dass etwas in dir vorgeht. 
  • Stelle dich dem Unbekannten: Zuletzt ist es wichtig zu akzeptieren, dass du nicht sofort klar benennen musst, was genau in dir vor sich geht. Welche Emotion es genau ist, woher sie kommt … Du wirst die Antwort, die du brauchst, erhalten, wenn du bei dir bleibst und achtsam bist. Es kann auch helfen, zu verbalisieren. Zum Beispiel: "Ich merke, dass es etwas in mir auslöst, wenn du dein Handy in der Hand hältst, wenn wir zusammen sind." So gibst du deinem Gegenüber auch die Möglichkeit, zu reagieren.

Den Teufelskreis der Grübelei wirst du nicht per Zufall durchbrechen können. Es ist Arbeit, die in jeder Situation, jeden Tag aufs Neue Energie erfordern wird. Es ist eine Sache, an der du zusammen mit deinem:deiner Partner:in arbeiten musst. Aber in jedem Fall ist es lohnenswert – für euch beide.

Verwendete Quellen: greatergood.berkeley.edu, sciencedirect.com, relate.org.uk, dwds.de

csc Brigitte

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