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Getrennte Schlafzimmer: Was macht es mit der Liebe?

Gemeinsames Bett
© Daxiao Productions / Shutterstock
Liebe ist die Antwort auf alle Fragen? Nicht ganz. Sie stellt auch ziemlich viele. Psychologe und Paartherapeut Oskar Holzberg zur Frage, ob etwas fehlt, wenn man nicht mehr im gemeinsamen Bett schläft ...

Ja, vermutlich straffe Gaumensegel. Und ein sehr intimes, beruhigendes Ritual der Verbundenheit.

Jetzt mal ausführlich:

Helga und Klaus schlafen nicht mehr zusammen. Klaus hat sich lange dagegen gewehrt. Dann hat Helga mit dem Smartphone eine Aufnahme von seinen Schnarch-Dezibel gemacht. Jetzt schläft Klaus in seinem Arbeitszimmer. Sie haben Glück, sie haben genug Zimmer.

Ganz früher sind sie fast immer in der Löffelchenhaltung eingeschlafen. Das haben sie aber schon eine ganze Zeit aufgegeben. Sie schlafen jetzt tiefer. Und keiner hat Sorge, den anderen zu wecken, wenn er nachts zur Toilette schleicht. Aber irgendwie fühlt es sich doch wie das Ende von irgendwas an. Und das ist es ja auch. Denn das gemeinsame Bett ist für uns eine intime Sperrzone.

Im frühen Mittelalter teilten sogar einander unbekannte Reisende die Betten. Auch Eltern, Kinder und andere Haushaltsmitglieder schliefen in gemeinsamen Kammern und Bettstellen. Erst mit der Durchsetzung der christlichen Ehe und darauffolgend der bürgerlichen Kleinfamilie wurde das Teilen von Tisch und vor allem Bett gleichbedeutend mit der Ehe und der Zweierbeziehung. Bettgenossen zu sein, ist für uns Intimität pur.

Porträt Oskar Holzberg
Oskar Holzberg berät seit mehr als 20 Jahren in seiner Hamburger Praxis Paare und bekommt immer wieder Beziehungsfragen gestellt. Sein aktuelles Buch heißt: "Neue Schlüsselsätze der Liebe".
© Ilona Habben

Unsere Sprache hat sich dem angepasst. Wenn wir miteinander schlafen, dann bedeutet das ja nicht, dass wir komatös nebeneinander schnorcheln, sondern im Gegenteil den hochaktiven Koitus. Durch die Frage "Wart ihr schon im Bett miteinander?" möchten wir nicht abchecken, ob die neue Flamme etwa in grauslicher Bayern-München-Bettwäsche nächtigt. Und wer kein Problem hat, mit einem guten Freund auf der Fahrradtour auch mal ein Kingsize-Bett zu teilen, wird möglicherweise allein schon deshalb zu seinen schwulen Gefühlen befragt.

Das gemeinsame Bett ist für das Paar wie der Thron für den König. Es symbolisiert das Paar. Seine enge Verbundenheit. Deshalb werfen wir im Streit den Liebsten aus den gemeinsamen Kissen oder nächtigen protestierend auf der Wohnzimmercouch. Die Nähe ist dann aufgekündigt. Die Nähe des Bettes, die uns ja auch immer in unsere Kindheit entführt. Als wir noch bei Papa und Mama schlafen durften. Bevor sie meinten, wir seien jetzt zu groß, und wir müssten lernen, allein zu schlafen.

Verlieren wir das Vertrauen ineinander?

Und auch die wehrlose körperliche Nähe, das Vertrauen ist aufgegeben. Denn um uns nackt oder leicht bekleidet nebeneinanderzulegen und in den Schlaf gleiten zu lassen, müssen wir vertrauen und uns sicher miteinander fühlen. Wer sich sehr unsicher in Bindungen fühlt, kann häufig neben seinem Liebsten kaum ein Auge zumachen. Wenn wir also das gemeinsame Bett auflösen, dann geht die selbstverständliche Nähe verloren.

Das kann uns ängstigen, denn wir fürchten, dass uns entgleitet, was begann, als wir zum ersten Mal unter die gleiche Decke schlüpften. Unsere liebevolle Bindung aneinander. Jetzt müssen wir bewusster mit unseren sexuellen Wünschen umgehen, was nicht schlecht ist, denn allein durch Lakenteilung entsteht ja irgendwann ohnehin kein sexueller Impuls mehr.

Wir müssen auch unsere Zubettgeh-Rituale ändern, das manchmal vor dem Einschlafen entstehende Gespräch schon in der Küche führen und uns einigen, ob wir wenigstens am Wochenende morgens im Bett kuscheln. Ein Teil der selbstverständlichen, wortlosen Geborgenheit verschwindet. Aber vielleicht ist es auch die Chance, unsere Nähe wieder aufzuwecken. Weil wir wieder mehr aufeinander zugehen müssen, um sie zu finden.

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Brigitte 07/2019

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