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Geheimnis glücklicher Beziehungen: So gelingt es

Geheimnis glücklicher Beziehungen: Ein Pärchen sich anlächelnd an eine Mauer gelehnt
© Marjan Apostolovic /shutterstock
Zwei Menschen, die sich lieben und trotzdem dauernd Stress miteinander haben ... Was läuft da verkehrt? Ein Gespräch mit Beziehungsexpertin Elena-Katharina Sohn.

BRIGITTE: In ihrem neuen Buch geht es um das Geheimnis glücklicher Beziehungen. Fast hat man den Eindruck, das Rezept lautet ganz simpel: keinerlei Erwartungen an den Partner haben. 

ELENA-KATHARINA SOHN: Nein, keinerlei Erwartungen stimmt nicht (lacht). Aber man darf nicht die ganze Verantwortung für alles, was einen glücklich und zufrieden machen soll, auf den Partner abwälzen. Und genau das passiert leider in sehr vielen Beziehungen.

Wann sind Erwartungen denn sinnvoll? 

Immer dann, wenn sie eher eine wünschenswerte Option sind als ein verpflichtender Anspruch. Ich kann zum Beispiel den Wunsch äußern, dass mein Partner mich auf eine Auslandsreise begleiten soll, obwohl er Flugangst hat. Aber ich darf ihm nicht böse sein, wenn er dem Wunsch nicht nachgeht, sondern fliege dann eben allein.

Aber wenn gemeinsames Reisen für mich zu einer glücklichen Beziehung gehört? 

Dann sollte ich eine andere Lösung finden. Mein Partner ist nicht für mein Glück verantwortlich. Ich habe also nicht das Recht zu sagen: Du musst so und so für mich sein. Oder meinem Partner Vorwürfe zu machen, ihm womöglich gar die Schuld zu geben, wenn mein Leben sich an seiner Seite nicht so gestaltet, wie ich es mir vorstelle. Daran arbeiten sich ganz viele Paare wahnsinnig ab. Das einzige Recht, das ich habe, ist, mit ihm über meine Wünsche zu reden und gegebenenfalls die Beziehung zu beenden, wenn ich mich nicht wohlfühle. Partnerschaft beruht auf Freiwilligkeit, von beiden Seiten. Das vergessen wir oft.

Woher kommen denn diese überhöhten Erwartungen an den Partner? 

Auch wenn es abgenudelt klingt: Das Bild von der romantischen Liebe und dem einen Menschen, der uns glücklich macht, ist präsenter, als wir denken. Das saugt fast jeder mit der Muttermilch auf, und es wird im Laufe des Lebens permanent befeuert. Nur leider ist es überhaupt nicht dafür geeignet, tragfähige Beziehungen hervorzubringen.

Und was macht Beziehungen tragfähig? 

Zuerst einmal, dass sich jeder sein Ich bewahrt, also seine Bedürfnisse eigenverantwortlich erfüllt und verfolgt. Denn wenn ich das tue, dann brauche ich auch keine Angst davor zu haben, dass der Mensch neben mir meinen Ansprüchen nicht genügt. So reduziert sich das Potenzial für Konflikte und Enttäuschungen immens. Ich spreche in diesem Zusammenhang in meinem Buch von der "Ich-Ebene" in Beziehungen.

Den Stress gibt es ja aber auf der Wir-Ebene .... 

Doch der reduziert sich drastisch, wenn ich auf der Ich-Ebene klar bin. Denn dann kann ich die Dinge, die auf der Wir-Ebene für eine gelungene Partnerschaft wichtig sind, erfüllen.

Die da wären? 

Ganz wichtig ist das, was ich den "liebevollen Blick aufeinander" nenne. Den anderen also so zu sehen und anzunehmen, wie er ist - und nicht durch die Brille der eigenen Erwartungen und Bedürfnisse, die man an ihn richtet. Ein Beispiel: Eine Klientin war andauernd genervt von ihrem Partner, weil der bei Sonnenschein vor der Spielekonsole saß, während sie mit ihm rausgehen wollte. Er hingegen konnte mit der Natur gar nicht so viel anfangen wie sie und brauchte das Daddeln zum Entspannen nach einer anstrengenden Woche in seiner Anwaltskanzlei. Sie stritten andauernd darüber. Bis die Frau anerkannte, dass sie nicht erwarten kann, dass er immer ihren Wünschen nachkommt und sich Freundinnen zum Spazieren gesucht. Nachdem sie ihren Partner von dieser Aufgabe für ihr eigenes Leben entlastet hatte, konnte sie dann auch auf einmal erkennen, wie liebenswürdig sie seine Verspieltheit eigentlich fand. Der liebevolle Blick auf den Partner wird also dann möglich, wenn ich auf der Ich-Ebene dafür sorge, dass es mir gut geht, und ich ihn dafür nicht in die Verantwortung nehme.

Klingt alles toll in der Theorie. Wenn ich aber einfach nur wütend und enttäuscht bin? 

Das spielt keine Rolle. Wenn ich mir auch in Krisen den liebevollen Blick bewahren kann, werde ich es schaffen, Konflikten entspannt zu begegnen - ein sehr wichtiges Kriterium glücklicher Paare - weil ich dann nicht alles auf mich beziehe.

In Ihrem Buch nennen Sie das "im Streit miteinander verbunden zu sein". Klingt sehr esoterisch. 

Es heißt nicht, dass man nicht streiten soll. Aber bei vielen Paaren wird der andere plötzlich zum Feind, sobald ein Konflikt da ist. Im Streit verbunden zu sein bedeutet, nie aus dem Blick zu verlieren, dass es um eine gemeinsame Sache geht. Man muss den anderen im Streit dann nicht als brutalen Gegner empfinden oder die Beziehung grundsätzlich infrage stellen. Auseinandersetzungen sind ein Teil von Partnerschaften. Humor hilft da zum Beispiel auch.

Sie verlangen viel ... 

Ja, das stimmt. Ich verlange meinen Lesern sicher ein hohes Maß an Reflexion und Eigenverantwortung ab. Aber genau das ist sehr wichtig und ganz zentral: Dass man die Verantwortung für sein eigenes Leben übernimmt und nicht immer versucht, Schuld bei anderen zu suchen. Oder eben erwartet, dass der andere mich glücklich macht.

Das ist der größte Beziehungs-Irrtum, wie Sie schreiben. Welchen setzen Sie denn auf Platz zwei? 

Was ich sehr häufig in meiner Praxis erlebe, ist dieses Gefühl von "Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben". Ich nenne es gern "Luftschlösser bauen". Gerade in Zeiten von Online-Dating habe ich damit sehr viel zu tun. Die Leute lernen sich kennen - also vermeintlich kennen - und dann ist es gleich himmelhoch jauchzend, die ganz große Liebe, alles wird gut. Traumfrau oder -mann gefunden. Da wird sich oft auf eine krasse Art reingesteigert.

Nach welcher Zeit kennt man denn den anderen eigentlich wirklich? 

Ich würde sagen, wenn man ein Jahr zusammen verbracht hat, kann man anfangen, darüber zu reden, dass man sich kennt. Und selbst dann weiß man wahrscheinlich erst einen Bruchteil.

Wie erklären Sie sich, dass die Leute sich diese Zeit nicht nehmen, das Reinsteigern, wie Sie es nennen? 

Das ist zum einen diese starke Sehnsucht nach romantischer Liebe, und es wird in den Medien ja auch oft suggeriert, dass es genau so läuft: Knall auf Fall, großes Kino, vom Schicksal bestimmt. Nehmen Sie nur den Parship-Slogan: "Alle acht Minuten verliebt sich ein Single". Das Traurige ist: Viele dieser Konstellationen hätten wahrscheinlich sogar Potenzial, wenn die Leute mit weniger hohen Erwartungen rangehen und sich mehr Zeit lassen würden.

Dieser Glauben ans Einmalige und Schicksalhafte ist ja gerade auch im Zuge der Achtsamkeitskultur ein großer Trend ... 

Ganz genau. Aber das hat ja auch was sehr Narzisstisches: Alles muss perfekt und riesig und groß sein, nur dann ist es gut. Ich glaube, die Beziehungen, die am Ende funktionieren, sind eher jene, die mit leisen Tönen daherkommen als mit dem großen Knall. Seelenverwandtschaft ist auch so ein Wort, mit dem ich gar nichts anfangen kann. Da steckt oft sehr viel Projektion drin. 

Was heißt das genau? 

Weil die Sehnsucht nach einer Beziehung so groß ist, sehe ich gar nicht den anderen Menschen, sondern will mich einfach nur verlieben. Oder noch schlimmer: Ich will nicht allein sein. Das hat dann mit dem Partner gar nichts zu tun, er bekommt vielmehr eine Rolle, die er gar nicht erfüllen kann. Womit wir wieder am Anfang bei den Erwartungen wären.

Sind Sie eigentlich auch ein bisschen romantisch? 

Ja, ja, ich höre sehr oft, dass ich unromantisch sei. Leider ein großes Missverständnis, denn natürlich ist genau das Gegenteil der Fall: Ich bin eigentlich sehr romantisch, denn ich glaube tatsächlich an die Liebe. Die wird nämlich viel größer, reiner und freier, wenn ich wirklich mein Gegenüber meine und nicht bloß irgendeine Rolle, die er oder sie in meinem Leben erfüllen soll. 

Und was ist jetzt die Lösung? 

Wenn ich mit mir im Reinen bin, werde ich die Beziehung führen können, die mich auf Dauer glücklich macht. Mit mir im Reinen sein bedeutet zum Beispiel, eben nicht von meinem Partner zu erwarten, dass er mir Selbstbewusstsein gibt. Es bedeutet, mich selbst zu lieben. Dafür zu sorgen, dass mein Leben sich so gestaltet, wie ich es leben will, mit Freunden, Hobbys, allem Drum und Dran. Auch die Frage nach dem eigenen Lebenssinn sollte man sich unabhängig vom Partner unbedingt stellen. Ich sage Ihnen, Ihre Beziehung wird um so vieles leichter.

Wo ist da die Grenze zum Egoismus? 

Gut auf sich selbst zu achten, seine vollen Potenziale zu entfalten, ist überhaupt nicht egoistisch. Es sorgt dafür, dass auch meine Mitmenschen davon profitieren: Weil ich zufriedener bin, gelassener, weniger empfindlich und dadurch offener auf andere zugehen kann. Das ist wie der Unterschied zwischen Selbstliebe und Selbstverliebtheit. Das eine ist gesund, das andere schädlich.

Elena-Katharina Sohn, 38, betreibt die Agentur "Die Liebeskümmerer" und bietet mit ihrem Experten-Team Beratung in Beziehungsfragen an (die- liebeskuemmerer.de). "Ganz nah dran", das neue Buch von Elena-Katharina Sohn trägt die Unterzeile "Eine Anleitung zum Zusammen-Glücklichsein" – und enthält viele praktische Tipps. (240 S., 13 Euro, Ullstein).

BRIGITTE 10/2018

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