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Ein toller Vater. Bis zur Trennung

Immer noch stehlen sich viel zu viele Männer aus der Verantwortung für ihre Kinder. Wie bringen sie das übers Herz?, fragt BRIGITTE-Mitarbeiterin Julia Karnick.

Wir kennen und wir wollen sie, die so genannten "neuen Väter": Männer, die sich nicht mit der Rolle des Familienernährers begnügen, sondern auch emotional für ihre Kinder sorgen. Aber wie viel Verlass ist auf diese Väter, wenn sich die Voraussetzungen ändern, unter denen sie ins Familienleben gestartet sind? Bleiben sie auch nach einer Trennung "neue" Väter? Ich habe da meine Zweifel, genährt von unzähligen Eindrücken, die zusammen ein Bild ergeben.

In meinem Bild kommen keine Schweine vor, die sich Knall auf Fall aus dem Leben der Kinder verabschieden, für die sie sich sowieso nie zuständig gefühlt haben. Die scheinen ohnehin aus der Mode gekommen zu sein. In dem Bild tummeln sich sympathische Typen, die sich Söhne und Töchter gewünscht, Geburtsvorbereitungskurse besucht, Babys geschuckelt und Samstag morgens Spielplatzschichten geschoben haben – auch wenn es meist die Partnerin war, die nach den Geburten beruflich zurücksteckte, um den Hauptteil der Familienarbeit zu übernehmen. Ein alter Deal, auf den sich auch die Mehrheit der modernen Paare einvernehmlich einlässt. Zerbricht die Beziehung, bleiben die Kinder bei der Hauptbezugsperson, also fast immer bei der Mutter; 90 Prozent aller Alleinerziehenden sind Frauen.

Während Mütter auch nach der Trennung versuchen, unter allen Umständen für ihre Kinder da zu sein, halten viele Väter das Vatersein offenbar für eine relativierbare Verpflichtung. Wenn es unangenehm, anstrengend oder teuer wird, wenn die Verbindlichkeiten, die er in der Vergangenheit eingegangen ist, den Neustart in die Zukunft beschweren, dann windet er sich eben aus der Verantwortung: zahlt Unterhalt nach eigenem Ermessen, sagt Besuchszeiten ab, weil angeblich Dringenderes anliegt. Und wenn er sich kümmert, erwartet er, dass die Mutter es ihm mit Dankbar- und Duldsamkeit vergilt, so als übernähme er die Kinder in erster Linie zu ihrer Entlastung und nicht aus Vaterliebe.

Eine Freundin stand daneben, als ihr Ex-Freund – zwei Stunden zu spät gekommen und in der Tür darauf wartend, dass der gemeinsame fünfjährige Sohn abmarschbereit ist – ins Handy seufzte: "Nee, du, keine Zeit, ich muss babysitten!" Das kann man für einen mäßig lustigen Spruch halten. Oder für einen Offenbarungseid. Für die Freundin steht fest: "Dass er sich überhaupt ab und zu um seinen Sohn kümmert, liegt daran, dass er es nicht mit seinem Selbstbild vereinbaren könnte, sich ganz zu verpissen: Noch größer als die Angst, die Typen wie er davor haben, Verantwortung zu übernehmen, ist ihre Angst, als altmodisches Arschloch dazustehen."

Die Fakten: Jede dritte Ehe in Deutschland scheitert. "Nach der Trennung der Eltern bleibt bei rund einem Viertel der Kinder ein enger Kontakt zum getrennt lebenden Vater bestehen. (...) Bei rund einem Drittel der Kinder bricht der Kontakt (...) völlig ab", heißt es in einem Bericht des Bundesfamilienministeriums.

Wenn es anstrengend oder teuer wird, windet er sich eben raus

Dazu kommt der Kampf ums Geld. Knapp 500 000 Kinder erhielten 2011 922 Millionen Euro Unterhaltsleistungen vom Ersatz-Vater Staat, der jedoch nur bis zum zwölften Lebensjahr und maximal sechs Jahre lang einspringt: Die Zahl der Kinder, die nicht bekommen, was ihnen zusteht, ist also viel größer. Wie viele Väter keinen oder zu wenig Unterhalt überweisen, obwohl sie genug verdienen, wird aus Datenschutzgründen nicht zentral erfasst. Aber Schätzungen gehen von gut 50 Prozent aus.

Empörende Zahlen, seit Jahren nahezu unverändert. Sie zeigen: Trotz der vielen neuen Väter sorgt die Mehrheit der getrennt lebenden Männer in emotionaler und finanzieller Hinsicht gar nicht oder nur unzureichend für jene Menschen, von denen sie am meisten geliebt werden und für die sie unersetzlich sind. Was diese Zahlen nicht erklären: Warum ist das so? Wie bringen Väter das übers Herz? Sind daran wirklich vor allem die bösen Mütter schuld, die den Vätern zwar den letzten Cent aus der Tasche ziehen, aber keine Beziehung zum Kind dulden wollen – wie einige Männerrechtler behaupten?

Ja, das kommt vor: Es gibt Frauen, die alles tun, um den Ex-Mann aus dem Leben seiner Kinder zu drängen. Und es gibt tolle Väter, manche fürsorglicher als die Mutter. Es gibt Ex-Paare, die sich das Sorgerecht so partnerschaftlich teilen, dass sich manch zusammenlebendes Paar eine Scheibe davon abschneiden könnte. Es gibt alles. Aber manches gibt es öfter als anderes. Und das sind Väter, die sich nicht verpflichtet fühlen, zuverlässig Verantwortung zu übernehmen. Väter, die versagen, teilweise oder auf ganzer Linie. Bestimmt ist das ein wichtiger von vielen Gründen, der die Geburtenrate bei uns in Deutschland drückt, wo auch auf das Kinderbetreuungssystem kein Verlass ist. Junge Frauen ahnen: Falls meine Beziehung zerbricht, ist es nicht unwahrscheinlich, dass ich die Kindersuppe, die wir uns zu zweit eingebrockt haben, mehr oder minder mutterseelenallein auslöffeln muss.

Väter müssten lernen, ihre Kinder wichtiger zu nehmen als sich selbst

Als Mutter frage ich mich: Wie kann man den eigenen Kindern verwehren, was sie am dringendsten brauchen, wenn die Liebe der Eltern zerbrochen ist – unbedingte Verlässlichkeit? Was ging in dem Vater vor sich, der die Partnerin ausgerechnet dann für eine andere sitzenließ, als sie ihn dringender denn je an ihrer Seite brauchte, weil zu Hause ein Baby und ein Kleinkind zu versorgen waren? Wie kann es sein, dass ein Mann, der ein liebevoller Vater zu sein schien, eine zwei Töchter nach der Trennung aus den Augen verliert, so wie ich es bei Freunden erlebt habe: Zehn Jahre lang hat er mit den Mädchen gelebt, hat ihnen Brote geschmiert, mit ihnen gespielt, sie getröstet und versorgt. Dann zieht er mit der neuen Partnerin ins Ausland, meldet sich nur noch sporadisch und vergisst immer öfter ihre Geburtstage. Warum machen es sich viele Männer so leicht?

Vielleicht ist die traurige Wahrheit die, dass nach Trennungen ein häufiger Mangel offenbar wird, der sich in einer intakten Familie besser kaschieren lässt: Dass Männer heute zwar zwei Monate Elternzeit nehmen. Dass es aber vielen von ihnen nicht gelingt, ihren Kindern dauerhaft nahe zu bleiben und eine eigenständige Beziehung aufzubauen, wie es die Erziehungsberaterin Anja Werner rät: "Je enger die Vater-Kind-Beziehung, desto wahrscheinlicher, dass sie auch nach einer Trennung trägt". Es mag Gluckenmütter geben, die es den Vätern schwer machen, Zeit allein und nach Lust und Laune mit den Kindern zu verbringen. Aber in einer auf Gleichberechtigung basierenden Beziehung wird die Frau das väterliche Recht auf Zweisamkeit mit dem eigenen Kind kaum dauerhaft vereiteln können. Es sei denn: Er ist gar nicht so wild darauf.

Männer müssen Fürsorglichkeit lernen, sagt der Soziologe Hans Bertram. Die Fürsorge für ein Kind zu tragen bedeutet: Seine Bedürfnisse sind das Wichtigste. Männer müssten also lernen, ihr Kind wichtiger zu nehmen als sich selbst. Das scheint vielen von ihnen schwerzufallen. Vielleicht, weil sie selbst Väter hatten, denen ihre Freiheit oder die neue Partnerin wichtiger war als der Sohn. Oder weil Kinder eben nicht nur süß, sondern auch anstrengend sind.

In den letzten Jahren sind die Rechte getrennt lebender Väter gestärkt worden. Zuletzt im vergangenen Januar: Unverheiratete Väter haben nun auch gegen den Willen der Mutter Anspruch auf das Sorgerecht. Gesetze wie dieses sind gut und richtig für alle Kinder, deren Väter ernsthaft Verantwortung tragen wollen. Für Mütter, die vom Vater kaum Unterstützung erhalten, klingen sie wie ein Hohn. Ich weiß, nicht alle Väter sind so. Aber immer noch viel zu viele.

BRIGITTE 11/2013

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