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Die Gesetze der Liebe: Loyalität hat Vorrang

Erwachsen sein und eine eigene Familie gründen heißt: sich abgrenzen von den eigenen Eltern. Die Loyalität zum Partner hat absoluten Vorrang.

Irgendwann ist es so weit: Man organisiert ein paar Freunde, verstaut seine Habseligkeiten in einem Auto und zieht in die eigene Wohnung. Endlich! Der Abschied vom Elternhaus. Den einen fällt er leichter, den anderen schwerer, doch fest steht: nur für die wenigsten bedeutet der neue Lebensabschnitt, dass sie Vater und Mutter tatsächlich hinter sich lassen.

Man hält sich jetzt für einen freien, unabhängigen Menschen, doch irgendwann kommt jener verräterische Moment, in dem die Wahrheit herauskommt: wenn Mama ihren Besuch ankündigt zum Beispiel. Wird der Tisch - aus Rücksicht auf ihre Vorliebe - mit weißem Damast gedeckt, obwohl der Partner diese 'Fetzen bürgerlicher Gediegenheit' zutiefst verabscheut? Wird ihr begeistert zugestimmt, wenn sie behauptet, dass der Mann an unserer Seite sich zu nachlässig kleidet und zu leger ausdrückt? Wenn ja, findet man sich da wieder, wo man nie mehr sein wollte - in loyaler Einigkeit mit ihr.

Und dann merkt er oder sie: Ist eigentlich gar nicht so schlecht, das Verhältnis zu ihr, seit man nicht mehr gemeinsam unter einem Dach wohnt. Plötzlich ist es wieder da, dieses Gefühl, von ihr verstanden zu werden, ihr ganz nah zu sein. Doch gerade das ist der Pferdefuß: Man übersieht, dass man für Mamas Anerkennung die Loyalität zum eigenen Partner geopfert hat. Ein Riss hat sich aufgetan, der oft eine weitere Eskalation nach sich zieht, das junge Paar entfremdet sich mehr und mehr.

Natürlich wissen wir längst, dass uns nichts so geprägt hat wie unsere Ursprungsfamilie. Doch dieses Wissen nutzt wenig. Gerade dann, wenn wir - etwa bei einem Konflikt - zwischen unserem Partner und unseren eigenen Eltern stehen, schlagen wir uns, wenn auch vollkommen unbewusst, häufig auf die Seite unserer Eltern. Der Partner möchte heimfahren, damit die Kinder rechtzeitig ins Bett kommen, aber Mutter meint, wir sollten noch bleiben, schließlich hat sie für uns so viele leckere Sachen gebacken. Eine banale Situation.

Doch wenn wir uns entscheiden, Mamas Wünschen nachzukommen, wird sich der Partner verletzt und illoyal behandelt fühlen, schon allein deswegen, weil er von der tiefen alten Bindung ausgeschlossen ist.

Das bedeutet: Die Loyalität zu Ihrem Partner muss absoluten Vorrang haben, er hat ein Recht darauf, gegen Ihre Eltern verteidigt zu werden. Nichts darf so wichtig sein, dass sie ihn und ihre Beziehung 'verraten'. Das gilt umgekehrt auch für den Mann und seine Familie.

Besonders Menschen, die eine gute Beziehung zu ihren Eltern hatten, neigen dazu, unkritisch und unreflektiert an den Ansichten und Traditionen ihrer Familien festzuhalten.

In dem Augenblick jedoch, wo Mama auftaucht, oder wenn es in der Beziehung kriselt, müssen sie sich entscheiden: Wollen sie weiter in erster Linie Sohn oder Tochter bleiben, oder sind sie jetzt Mann oder Frau ihres Partners?

Sie und Ihr Partner haben sich ihre gemeinsame Form des Umgangs miteinander von Tischsitten, von einer Streitkultur oder der Kindererziehung geschaffen, die Sie den Eltern gegenüber vertreten und aufrechterhalten sollten, auch wenn diese daran rummäkeln. Jetzt standhaft zu bleiben heißt, notwendige Ablösungskonflikte durchzustehen. Fühlen Sie sich - oder Ihr Partner - in Gegenwart der Eltern schlecht behandelt, hilft nur die offene Auseinandersetzung miteinander. Nur so kann man selbst, nur so kann der Partner sich von der kindlichen Identifizierung mit den Familienwerten lösen und 'wirklich erwachsen' werden.

Jede Familie hat ihre Stärken, die zu bewahren sich lohnt, und ihre kleinen und großen Schwächen, die man lieber loswerden sollte. Wurde zum Beispiel bei ihm wenig Wert auf Geburtstage, liebevolle Geschenke und Briefe gelegt, hatte das in ihrer Familie vielleicht hohen Stellenwert. Im Idealfall übernimmt Ihre neue Familie die besten und erprobtesten Anteile aus beiden Ursprungsfamilien, baut sie weiter aus und verfeinert sie. So findet das Paar seine eigenen, gemeinsamen Rituale und Werte, die die Einmaligkeit seiner Beziehung ausmachen und die Abgrenzung gegenüber den 'alten' Familien erleichtern.

Übungen

1. Betreiben Sie gemeinsam Familienforschung. Interessieren Sie sich für die Familie ihres Partners. Blättern Sie gemeinsam in alten Fotoalben oder Tagebüchern. Lassen Sie sich erzählen, wie in diesem Hause Weihnachten oder Festtage gefeiert wurden, welche Regeln wichtig waren, welche Spiele gespielt wurden, wie es bei den Mahlzeiten zuging und worüber in der Familie gelacht und geweint wurde.

Hören Sie zu und fragen Sie nach, ohne zu urteilen. Sie können nach Gefühlen fragen, aber werten Sie Ihre Kindheitserinnerungen nicht gegenseitig ab. Es geht eben nicht darum, wer die 'bessere' Familie hat. Respekt und unvoreingenommenes Interesse für den Partner und seine Wurzeln sind eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen einer Beziehung.

2. Machen Sie und Ihr Partner je eine Liste aller Rituale, die Sie von zu Hause kennen. Denken Sie nicht nur an die großen Feste. Viele Familien haben kleine Gewohnheiten kultiviert, die die Bindung und Zugehörigkeit stärken. Schreiben Sie auch auf, welche Erinnerungen und Gefühle Sie jeweils damit verbinden.

Vergleichen Sie ihre Listen. Überlegen Sie, was Ihnen an der eigenen und der Liste des Partners besonders gefällt. Entscheiden Sie gemeinsam, was sie für Ihre Beziehung/Familie beibehalten oder übernehmen möchten.

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