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Paartherapeut klärt Wie sehr müssen wir uns in einer Beziehung anpassen?

Beziehung: Traurige Frau
© Cat Box / Shutterstock
Liebe ist die Antwort auf alle Fragen? Nicht ganz. Sie stellt auch ziemlich viele. Psychologe und Paartherapeut Oskar Holzberg beantwortet sie alle. Die heutige Frage: Passen wir uns an, wenn wir miteinander tanzen? 
Oft verrät ja eine Frage viel mehr, als eine Antwort je beantworten kann. Und wenn wir uns in einer Partnerschaft fragen, wie sehr wir uns anpassen müssen, dann ist eines klar: Dass der Beziehungsfluss gestört ist.

Bedeutet Anpassen, das Eigene aufzugeben?

Eine Liebesbeziehung, wie wir sie heute leben, bei der nicht mehr eindeutig festgelegt ist, wer den Ton angibt, und wer sich anpasst, ist in gewisser Weise immer paradox. Denn wir versuchen ja, uns an der Seite unseres Partners selbst zu verwirklichen, und möchten unsere Bedürfnisse und Wünsche erfüllt haben. Doch unser Partner sucht natürlich ebenfalls nach seiner ganz persönlichen Selbstverwirklichung und der Erfüllung seiner Wünsche und Bedürfnisse. Und als wenn das noch nicht reichen würde, möchten wir auch für unseren Partner, dass sich Sehnsüchte erfüllen, schließlich lieben wir diesen Menschen ja. Ach ja, und gleichzeitig und harmonisch soll es auch noch gehen. Wie soll das alles funktionieren? Wenn wir unserem Verstand folgen würden, ließen wir am besten ganz die Finger von Liebesbeziehungen.

Doch glücklicherweise folgen wir in Liebesangelegenheiten nicht unserem Hirn, sondern unserem Herzen, unseren Gefühlen. Und hier herrscht eine andere Logik, die wir jedes Mal erleben, wenn wir zusammen tanzen, wenn wir liebevollen Sex haben oder auch nur gemeinsam einen Ausflug machen. Dann ist die Beziehung ein Miteinander, ein schneller Wechsel von Führen und Folgen, von aktiv sein und sich passiv anzuvertrauen, von Aktion und Reaktion. Wir leben Impulse, die Impulse auslösen, die Impulse auslösen ... Die Frage, wie sehr wir uns anpassen sollten, stellt sich erst, wenn das Miteinander einseitig dominiert wird. Oder, auch das ist möglich, wenn wir uns dominiert fühlen. Anpassen bedeutet dann plötzlich, das Eigene aufzugeben. Wenn der Partner nur auf Livekonzerte seiner Lieblingsbands, aber nie mit uns ins Kino will, wenn die Wurst nicht mehr in den veganen Kühlschrank darf, wenn einer auf seinem sexuellen Drehbuch besteht, wenn der Kontakt mit dem Ex verboten wird.

Druck und Forderung können sich so steigern, dass die Beziehung infrage gestellt wird. Sobald einer nicht in das geerbte Haus des anderen einziehen will oder sich eine Beziehung nur ohne Kinder vorstellen kann. Dann ist Klärung nötig. Auseinandersetzung.

Aufeinander eingehen

Dies bestimmt dann die Beziehung. Und damit ist nicht das Ergebnis der Klärung gemeint, sondern das WIE der Auseinandersetzung. Bewegen sich beide? Wird auf meine Wünsche und Gefühle eingegangen? Fühle ich mich gehört und verstanden? Oder wird erpresst, eine Diskussion gleich abgeschnitten? Oder gar Liebe in der Form eingefordert, dass es ja keine Liebe sei, wenn wir uns nicht auf die Vorstellungen und Wünsche des anderen einlassen? Also: Wenn sich im übertragenen Sinn ein Partner hinstellt und erklärt, dass er entweder gar nicht mehr tanzen will – und wenn doch, habe der andere seinen Schritten bitte schön zu folgen?

Sicherlich müssen wir aufeinander eingehen, nach gemeinsamen Schritten auf unserer gemeinsamen Reise durchs Leben suchen. Wir können nicht immer auf unseren Vorstellungen beharren. Aber wir sollten uns nur anpassen, wenn es sich so anfühlt, als hätten wir gemeinsam eine Möglichkeit gefunden. Und nicht, als würden wir uns aufgeben.

"Paaradox" ist der neue Podcast mit Oskar Holzberg und seiner Frau Claudia. Sie sprechen offen über die Themen, die Beziehungen immer wieder herausfordern. Lustig, spannend und erkenntnisreich! U. a. auf AudioNow.

Jetzt reinhören: "Paaradox" – der Beziehungs-Podcast

Im Podcast "Paaradox" spricht BRIGITTE-Redakteurin Nikola Haaks mit dem Paartherapeuten-Paar Claudia Clasen-Holzberg und Oskar Holzberg über Liebe, Beziehungsprobleme und Sex. Unbedingt mal reinhören!

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BRIGITTE 22/2020

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