Anzeige

Paartherapeut verrät Wie eine Partnerschaft unsere Persönlichkeit beeinflussen kann – und wie sie es sollte

Oskar Holzberg: ein älteres Pärchen sieht sich lachend in die Augen
© Monkey Business / Adobe Stock
In der Kolumne unseres Paartherapeuten Oskar Holzberg dreht sich alles um typische Liebesweisheiten und ihren Wahrheitsgehalt, er seziert Sprichwörter, Songtexte und berühmte Zitate. Diesmal: "Es ist nicht so wichtig, wie sehr man jemanden liebt, sondern wer man ist, wenn man mit dem anderen zusammen ist" (Anne Tyler, amerikanische Schriftstellerin)

Kurz gesagt: Eine Lebens- und Liebesweisheit. Bringen Sie sie Ihren Kindern bei!

Jetzt mal ausführlich: "Immer muss ich damit rechnen, angegriffen zu werden!", sagt Herr D und hebt verzweifelt die Arme in die Luft. Frau D. verdreht die Augen: "Ich traue mich ja schon gar nichts mehr zu sagen. Aber ich kann doch nicht alles immer runterschlucken." Sie schüttelt den Kopf: "Ich bin doch schon gar nicht mehr ich selbst." – Sie hatten sich bei der Arbeit kennengelernt, in einer Berufswelt, in der man formvollendet auftreten muss. Es war genau seine Welt. Er war in einer traditionellen, großbürgerlichen Familie aufgewachsen. Sie dagegen hatte sich die Welt der Business-Kostüme hart erarbeitet, ihre Familie war laut, unbeherrscht, chaotisch gewesen. Seine Art faszinierte sie. Sie übernahm seine Ansprüche. Erst allmählich spürte sie, wie sehr sie sich ständig kontrollierte. Zu welch Streit es führte, wenn sie es mal nicht tat. Und wie unerträglich falsch es sich anfühlte, sich immer falsch zu fühlen.

Beziehungen prägen uns. Wir sind mit jedem uns wichtigen Menschen eine andere: Mit Marie kommen wir nicht aus dem Lachen heraus, mit Carsten sind wir entspannt, mit Eva ernst und hellwach. Denn "Ich" sind viele. In unserer Psyche tummeln sich verletzte Kinder, aufmüpfige Jugendliche, innere Kritiker, strenge Moralisten und jede Menge andere innere Anteile, die sich gegenseitig unterstützen oder auch nicht. Und je nachdem, mit wem wir zusammen sind, treten andere Anteile in den Vordergrund.

In einer Liebespartnerschaft sind einige Anteile von uns gut aufgehoben und lebendig, während andere unbeantwortet bleiben. Am Anfang einer Beziehung sind manche Mitglieder unseres inneren Teams so verzückt, dass gar nicht auffällt, dass wir für unsere ängstliche Seite oder unseren wilden Anteil hier kein Gegenüber finden. Das spüren wir erst allmählich. Und dann kämpfen wir darum, wieder so frech, so zärtlich, so neugierig, so distanziert, so emotional sein zu können, wie wir es von uns kennen. Was wie ein Machtkampf aussieht, im Grunde ist es ein Überlebenskampf ignorierter Anteile unseres Selbst.

Tatsächlich müssen wir selbst in der besten Beziehung betrauern, dass sich Wünsche nicht erfüllen, einige Seiten von uns keine Resonanz bekommen. Deshalb sind gute Freunde so wichtig. Weil wir mit ihnen anders sein können. Deshalb entstehen aber auch viele Affären. Weil wir dort Anteile von uns wieder beleben oder entdecken, für die in unserer Partnerschaft das Gegenüber fehlt. Manchmal hilft es in unserer Beziehung, wenn wir uns an unsere früheren Ichs erinnern. Wie anders waren wir in früheren Liebesbeziehungen? Wer konnten wir in Situationen sein, an die wir uns gern erinnern? Welche Seite von uns kommt jetzt zu kurz? Anne Tyler erinnert uns daran, dass unsere Liebesbeziehung der Ort sein sollte, an dem wir unsere besten Anteile leben können.

Oskar Holzberg therapiert seit fast 30 Jahren Paare und schreibt darüber. Er sagt: "Liebe ist keine Illusion, aber wir haben zu viele Illusionenüber die Liebe."

Neu in den Partner verlieben: Oskar Holzberg
Oskar Holzberg, 67, berät seit über 20 Jahren in seiner Hamburger Praxis Paare und ist seit über 30 Jahren verheiratet. Sein aktuelles Buch heißt "Neue Schlüsselsätze der Liebe" (240 S., 11 Euro, DuMont).
© Ilona Habben
Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel