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Scheidungsanwalt & Paartherapeutin Die häufigsten Gründe, warum sich Paare scheiden lassen

Zwei auseinandergerissene Personen (Ilustration)
© jiris / Adobe Stock
Zwei Expert:innen in puncto Beziehungskrise verraten, woran es am häufigsten bei Paaren scheitert.

Wer eine Scheidung einreicht, hat zumeist einen Punkt in der Beziehung erreicht, an dem er:sie nicht mehr anders weiter weiß. "Diejenigen, die sich scheiden lassen, sind nicht unbedingt die unglücklichsten", schrieb Autor Alain de Botton einmal, "sondern diejenigen, die glauben, dass ihr Unglück von einer anderen Person verursacht wird."

Ganz so simpel ist es dann meist doch nicht – unser Glück wie auch unser Unglück sollte nicht von einem einzelnen Menschen abhängig sein. Sehr wohl kann es sich aber, insbesondere in einer sehr unglücklichen Beziehung, so anfühlen, als sei alles Gute im Leben unerreichbar. Doch wie kann es so weit kommen? "Oprah Daily" sprach mit einer Paartherapeutin und einem Scheidungsanwalt darüber – und dabei kam Spannendes ans Licht.

Warum sich Menschen trennen

Laut dem Online-Rechtsberatungsportal "Klugo" gibt es sehr unterschiedliche Gründe, warum Menschen die Scheidung einreichen. In einer Umfrage gaben die befragten Frauen zu mehr als einem Drittel an, dass sie keine Gefühle mehr für die andere Person hatten (39,7 Prozent) oder von dem:der Partner:in betrogen wurden (36,6 Prozent). Häufiger Streit landete auf dem dritten Platz (29,1 Prozent), gefolgt von der Wahrnehmung, dass die andere Person "aufgehört hat, romantisch zu sein" (21,1 Prozent).

Und welche Gründe erlebte Paartherapeutin Judith Rabinor in ihrer Arbeit? Sie nennt unter anderem Geldprobleme und schlechte Kommunikation als weitere Auslöser für eine Scheidung – und "natürlich Untreue". Hierbei ginge es nicht darum, dass sich eine Person zu einer anderen außerhalb der Beziehung hingezogen fühle, denn "seien wir mal ehrlich: Jede:r fühlt sich zu anderen Menschen hingezogen". Doch es sei eben ein Unterschied, sich hingezogen zu fühlen und dieser Anziehung nachzugehen.

Als weiteren Grund nennt die Therapeutin Kinder, die auf unterschiedlichen Ebenen eine Belastung für jede Beziehung darstellen können. "Paare haben vielleicht nicht die gleichen Ansichten darüber, ob sie Kinder wollen, wie viele sie wollen oder wie sie erzogen werden sollen." Aber auch Unfruchtbarkeit könne ein Thema sein sowie auch sogenannte "Graue Scheidungen": Dabei handelt es sich um Scheidungen nach dem 50. Lebensjahr, wenn die Kinder ausgezogen sind und das Paar merkt, dass es keine Gemeinsamkeiten mehr hat.

Die positiven Seiten des Gegenübers werden nicht wahrgenommen

Scheidungsanwalt Robert Cohen arbeitet bereits seit mehr als einem halben Jahrhundert in seiner Branche und dürfte bereits so ziemlich alles erlebt haben. Seiner Erfahrung nach halten Kinder eine Ehe eher zusammen, als dass sie zu einer Trennung führen, "vor allem wenn das Kind besondere Bedürfnisse hat". Für ihn gebe es zwei andere Hauptgründe, warum sich Menschen scheiden lassen: finanzielle Probleme und Untreue.

"Wenn es um Geld geht, geht es nicht nur darum, dass man nicht genug hat", erklärt der Anwalt, "ein häufiges, aber oft übersehenes Problem ist die finanzielle Unvereinbarkeit." Damit sind unterschiedliche Wertvorstellungen gemeint, beispielsweise in Bezug auf Ausgaben und Sparen, so Cohen. "Der Klassiker ist, dass sich Verschwender und Geizhals finden", sagt der Psychologe Rolf Haubl vom Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt am Main gegenüber BRIGITTE. "Die meisten Paare machen sich jedoch nicht klar, dass das keine realen Eigenschaften sind. Sie nehmen sich nur so wahr und drängen sich gegenseitig in diese Rollen." 

Meint: Der Geizhals nutzt den Verschwender aus, um an der Verschwendung teilzuhaben, wie auch der Verschwender den Geizhals benötigt, um sich zu erden. "Dadurch entsteht eine Dynamik, die beide zusammenbringt", erklärt Haubl. Konstruktiv wäre es, die Eigenschaften der jeweils anderen Person bewundernd hervorzuheben: Schließlich fällt es dem Geizhals ja so schwer, sich auch mal etwas zu gönnen, der Verschwender sollte anerkennen, dass das Sicherheits- und Ordnungsdenken des Geizhalses sehr wichtig und wertvoll sein kann. Das gelingt jenen, die Scheidungsanwalt Cohen kontaktieren, erfahrungsgemäß nicht (mehr).

Wie kann man als Paar eine Trennung abwenden?

Laut Statistischem Bundesamt wurden 390.700 Ehen im Jahr 2022 geschlossen, gleichzeitig wurden in diesem Jahr 137.400 Ehen geschieden und es dauert im Schnitt 15,1 Jahre, bis eine Ehe geschieden wird – falls sie denn geschieden wird. Doch wie lässt es sich als Paar vermeiden, dass es überhaupt so weit kommt? 

Für die Therapeutin ist klar, dass Menschen die Ehe realistisch betrachten müssen und sich nicht romantischen Illusionen hingeben sollen. Liebe sei zunächst eben einfach eine chemische Reaktion des Körpers, die intensiven Gefühle würden mit der Zeit nachlassen. Und dann müsse man sich fragen, was beide über sexuelle Anziehung hinaus verbindet – und zwar auf Dauer. Für Cohen sei es wichtig, dass Menschen vor der Heirat bereits eine Zeit lang zusammenleben, sich einen Alltag teilen und die persönlichen Angewohnheiten der anderen Person kennenlernen. 

Wir leben in einer Gesellschaft, die eine romantische, monogame Zweierbeziehung auf das oberste Podest der anzustrebenden Ziele setzt. Beziehungen – und vor allem die Ehe – werden bis heute romantisiert. Nur wenige Serien und Filme setzen sich mit dem wirklichen Alltag von Menschen auseinander, die zusammenleben, gemeinsam Kinder großziehen und die langweiligen wie immens fordernden Herausforderungen des Alltags überwinden. Eine Ehe kann unheimlich banal sein – genauso unheimlich zermürbend an dem ein oder anderen Tag. Es hilft, sich darüber im Klaren zu sein und dabei gleichzeitig nicht die gegenseitige Wertschätzung und Unterstützung aus den Augen zu verlieren.

Verwendete Quellen: oprahdaily.com, klugo.de, altern-psy.univie.ac.at, destatis.de

csc Brigitte

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