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Beziehung Alleinsein ist schön: Warum ich liebend gerne ohne Partnerschaft durchs Leben gehe

Beziehung: Eine fröhliche Frau auf einem Feld
© Davide Angelini / Adobe Stock
Den einen Menschen für sich zu finden, hat unsere Autorin von der Liste ihrer Lebensziele gestrichen. Warum das für sie gut und wichtig war, erklärt sie hier.

Zwei meiner Freunde haben in diesem Jahr ihre Partnerschaft beendet. Der eine nach sieben Jahren, der andere nach vier. Derjenige mit der siebenjährigen Beziehung erzählte mir einige Monate nach seiner Trennung, dass er Schwierigkeiten habe, sich wieder an das Single-Leben zu gewöhnen. "Es ist so traurig, wenn ich nach Hause komme und niemand da ist", sagte er zum Beispiel, "oder alleine zu essen." Es tat mir Leid, das zu hören. Gleichzeitig machte es mich nachdenklich: Diese beiden Situationen, die mein Freund da nannte, mag und schätze ich an meinem Single-Leben. Auf eine davon dauerhaft verzichten zu müssen, würde mich traurig machen.

Im Gegensatz zu meinem Freund habe ich noch nie mit einem Partner zusammengelebt. Auch nicht mit einer Partnerin. Um ehrlich zu sein, habe ich noch nie eine Partnerschaft geführt, die ernst genug gewesen wäre oder lange genug gehalten hätte, um überhaupt über das Zusammenziehen nachzudenken. Ich habe ein paar Versuche unternommen, eine partnerschaftliche Beziehung zu führen, aber der erfolgreichste mündete in einer mehrjährigen On-Off-Geschichte, die für mich mit der Erkenntnis endete, dass dieser andere darin involvierte Mensch gar kein Interesse daran hat, mich wirklich kennenzulernen. Mein erfolgreichster Versuch war also ein lupenreiner Bilderbuch-Fail. 

Mein Freund mit der vierjährigen Beziehung leidet bereits seit mehreren Monaten extrem unter seiner Trennung. Seine Partnerschaft war weder besonders harmonisch noch gesund. Mehrfach hat mir mein Freund während dieser vier Jahre gesagt, dass er seine Freundin nicht liebe und nicht gerne mit ihr zusammen sei. Sein Leben als Single hatte er zuvor hingegen jahrelang genossen und zelebriert. Interessanterweise sagte mir dieser Freund einige Zeit nach seiner Trennung: "Mit jemandem zusammen zu leben, ist etwas ganz Besonderes. Es ist einfach das Schönste, vielleicht würdest du das auch verstehen, wenn du es erlebst." Ich bin mir ganz sicher, das würde ich vielleicht. Und vielleicht würde ich gar nie wieder auf die Erde zurück wollen, wenn ich einmal den Mond betreten hätte.

Modell Lebenspartnerschaft: Warum hielt ich es eigentlich für alternativlos?

Dass es schön sein kann, einen besonderen Menschen im Leben zu haben, mit dem man sich Haushalt, Bett und Ballast teilt, möchte ich mit keiner Silbe in Frage stellen. Das Modell der exklusiven, monogamen, langfristigen Partnerschaft funktioniert für viele Menschen, von daher wird es sicher nicht grundverkehrt oder schlecht sein. Nur muss es nicht für jedes Individuum geeignet oder erstrebenswert sein. Mir hat es zum Beispiel sehr gut getan, eine feste, partnerschaftliche Beziehung von der Liste meiner Lebensziele zu streichen. Um das klar zu stellen: Ich schließe nicht aus, dass ich eines Tages zufällig einen Menschen treffen könnte, mit dem ich so etwas wie eine Partnerschaft eingehen würde. Ich strebe es aber nicht im geringsten an, möchte es aktuell nicht und habe andere Wünsche, Prioritäten und Ziele. Das fühlt sich gut und richtig für mich an. Allerdings fiel es mir nicht gerade leicht, zu dieser für mich gesunden und entlastenden Einstellung zu finden. Und meines Erachtens liegt das zumindest teilweise daran, dass das Modell Lebenspartnerschaft in unserer Gesellschaft nicht nur als ein möglicher, sondern als der ultimative Lebensentwurf behandelt wird.

Ob Serien, Filme, Bücher, Reality-Formate oder Magazine, es gibt so viele mediale Angebote, in denen ein zentrales Thema ist, diesen sogenannten Einen zu finden und möglichst konfliktfrei mit ihm alt zu werden. Für die meisten Menschen in meinem Umfeld, von Klassenkamerad:innen über Kolleg:innen und Freund:innen bis zu meinen Geschwistern, war oder ist das ebenfalls wichtig.

Aufgrund dieser Eindrücke hat sich, glaube ich, sich mit einem:r Lebenspartner:in zusammenzuschließen in meinem Weltbild als etwas so Selbstverständliches und Essentielles positioniert wie älter zu werden oder sich die Haare zu waschen. Bis ich Ende 20 war, habe ich mir ernsthafte Sorgen wegen meiner mangelhaften Erfahrungen im Bereich romantische Partnerschaft gemacht. Ich war davon überzeugt, dass mit mir etwas nicht stimmt, und habe mich für meine vermeintliche Beziehungsunfähigkeit geschämt. Aber warum sollte es eigentlich so zentral, wichtig und selbstverständlich sein, eine Lebenspartnerschaft zu führen? Wieso sollten Menschen ohne Partner:in ihr Leben nicht als glücklich, erfüllt, gelungen und vollständig empfinden können?

Eine Partnerschaft ist nur eine von vielen gleichwertigen Möglichkeiten

Zweifelsfrei brauchen wir Liebe, Nähe, Wertschätzung und intime soziale Beziehungen, um langfristig gesund und zufrieden zu sein. Menschen sind nun einmal gesellige, kooperationsbereite, empathische Wesen, das hat die Evolution so ergeben und daran ist nicht zu rütteln. Aber das Modell Lebenspartnerschaft ist nicht das einzige Lebenskonzept, das unseren zwischenmenschlichen Bedürfnissen entsprechen kann. Ein lebendiger, intakter Freundeskreis, familiäre Bindungen, Lebensinhalte, im Rahmen derer wir Kontakte und neue Bekanntschaften schließen, offene, partnerschaftsähnliche Verhältnisse – all das sind Alternativen zu dem klassischen Lebensstil als Paar, die ich tatsächlich viel zu lange gar nicht als vollwertig wahrgenommen habe. 

Seit ich das aber tue, fühle ich mich besser. Seit ich mich nicht mehr frage, was mit mir nicht stimmt, dass ich anders lebe als viele andere Menschen, fühle ich mich freier und gelöst. Ich kann mich voll und ganz auf meine Freundschaften und anderen Beziehungen einlassen und den Menschen, die ich aus tiefstem Herzen liebe, den Raum und Stellenwert in meinem Leben geben, der ihnen gebührt. Ich kann die positiven Seiten meines partnerlosen Lebensstils wertschätzen und genießen und neue Menschen auf genau die Art und Weise kennenlernen, wie es meiner Persönlichkeit entspricht: Neugierig, aufgeschlossen, ohne in ihnen eine:n potenzielle:n Partner:in zu sehen, aber wenn ich sie am Ende des Tages küsse, ist es für niemanden ein Problem. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, wäre das keine Partnerschaft, sondern dass ich diese Einstellung und Sichtweise, die ich heute habe, schon vor zwanzig Jahren gehabt hätte.

Keine Angst vorm Anderssein: Vielfalt ist das Erfolgsprinzip des Lebens

Da ich die Evolution schon einmal angesprochen habe: Mir ist bewusst, dass ein wichtiges Prinzip der Arterhaltung die Reproduktion ist. Und dass sich im Laufe der Menschheitsgeschichte eine partnerschaftliche Lebensform als vorteilhaft erwiesen hat, um Nachkommen durchzubringen. Daher mag es durchaus sein, dass wir als Menschen eine gewisse Neigung haben, uns mit einer:m Partner:in zusammen zu tun. Allerdings scheint mir, dass ein ebenso wichtiges Prinzip des Lebens die Diversität ist. Angefangen mit den einfachsten Mikroorganismen hat sich das Leben auf dieser Erde weiter und weiter diversifiziert. Dabei sind immer unterschiedlichere und komplexere Wesen entstanden, die nahezu jede mögliche Nische dieser Welt bevölkern. Durch diese Bandbreite und Vielfalt ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Leben auch größere Veränderungen übersteht: Irgendwelche Arten werden schon angepasst sein an das, was passiert, und wenn es am Ende wieder die Mikroorganismen sind. 

In Bezug auf die menschliche Spezies halte ich Diversität für mindestens ebenso gesund und wichtig wie für das Leben an sich. Beispielsweise wäre es bei unserem aktuellen Entwicklungsstand ziemlich ungünstig, wenn alle Menschen Kinder bekommen wollten – oder wenn alle kinderlos blieben. Wir hätten ein Problem, wenn sich jede:r für Autos, aber niemand für Krankenpflege oder Brotbacken begeistern würde. Wir können froh sein, dass Menschen unterschiedlich sind. Wir können froh sein, dass es Individuen gibt, die anders sind als die Mehrheit und von gewissen Standards abweichen.

Ich bin mir fast sicher, dass es grundsätzlich von Vorteil ist, eine Gesellschaft anzustreben, in der jegliche Form von Vielfalt Platz hat und sich entwickeln kann. Vielfalt geht mit Flexibilität und Anpassungsfähigkeit einher und in einer sich rasch wandelnden Welt sind das durchaus wünschenswerte Eigenschaften. Hierzulande fördern Politik und Medien Vielfalt in Bezug auf Lebensentwürfe bislang zwar offensichtlich kaum, wenn sie in sämtlichen Kontexten überwiegend an Familien und Ehepaare denken. Doch immerhin habe ich mittlerweile begriffen, dass das keineswegs bedeuten muss, dass mit mir etwas nicht stimmt, nur weil ich niemanden heiraten möchte. Aus Sicht des Lebens ist diese Erkenntnis natürlich eine lächerliche Kleinigkeit. Aber für mich ist sie ein großer Fortschritt.

Brigitte

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