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Oskar Holzberg Warum Liebeskummer schmerzhaft ist – aber sinnvoll

Oskar Holzberg: Eine dunkelhaarige Frau, die traurig aus dem Fenster schaut
© fizkes / Adobe Stock
In der Kolumne unseres Paartherapeuten Oskar Holzberg dreht sich alles um typische Liebesweisheiten und ihren Wahrheitsgehalt, er seziert Sprichwörter, Songtexte und berühmte Zitate. Diesmal: "Liebeskummer lohnt sich nicht, my darling" (Siw Malmkvist, Schlagersängerin)

Kurz gesagt: Das, liebe Schlagerfans, ist Blödsinn.

Jetzt mal ausführlich: Sabine ist Expertin für Liebeskummer: Sie verliebt sich in Männer, die nicht wirklich an ihr interessiert sind, verharrt in Beziehungen, in denen sie vergeblich um Zuneigung ringt, und nach jeder endgültigen Trennung ist sie lange Zeit völlig verzweifelt, voller Schuld und Selbstanklagen. Sabines Kindheit war von Eltern geprägt, die zwar anwesend, aber emotional nicht erreichbar waren. Im Grunde war bereits ihre kindliche Liebe ein großer Liebeskummer. Ein Muster, das sie ständig wiederholt.

Die meisten von uns haben zugänglichere Eltern gehabt. Aber die grausamen Gefühle angesichts einer unerwiderten oder verlorenen Liebe kennen wir alle. Liebeskummer ist ein Schmerz, der uns ergreift wie ein Virus und uns um den Verstand bringt. Wir können an nichts anderes mehr denken. Verzweifelt und hilflos heulen wir uns die Augen aus dem Kopf. Der Schlaf kommt nicht, das Essen schmeckt nicht. Das Leben hat seinen Sinn verloren. Wir fühlen uns schuldig, als Versager, völlig wertlos. Wir sind sicher: Wir werden niemals wieder einen Partner, eine Partnerin haben, nie wieder Liebe finden. Wir können so depressiv werden, dass wir uns das Leben nehmen wollen. Und so aggressiv, dass wir aus Rache das Auto des oder der Ex demolieren.

Was hilft uns?

Männer, so scheint es, und das besagen auch Untersuchungen, kommen schneller über den Trennungsschmerz hinweg als Frauen – aber nicht über die Trennung. Männer sind diejenigen, die eher stalken und gewalttätig werden. Und diejenigen, die in der nächsten, vorschnell eingegangenen Beziehung scheitern, weil sie die Trennung nicht verarbeitet haben. Denn Liebeskummer lohnt sich. Im Liebeskummer müssen wir Stück für Stück die Verbindung zum oder zur Ex aufgeben und wieder zu uns, als Einzelwesen, finden. Wie ein Oktopus, der seine Saugnäpfe vom anderen lösen muss. Der Trennungsschmerz fordert uns auf, diese Beziehung völlig zu beenden, bevor wir eine neue beginnen. Wir müssen erfahren, wer wir jetzt ohne den anderen sind. Und manchmal sogar, dass wir überhaupt jemand ohne den anderen sind. Wir müssen uns in der Verlorenheit des Liebeskummers wiederfinden. Erst wenn wir wieder bei uns sind, können wir uns auf eine neue Beziehung einlassen.

Unser Schmerz lässt uns auch die Ernsthaftigkeit und Bedeutung von Bindung und Liebe fühlen. Unsere Selbstzweifel helfen uns zu lernen. Woran sind wir gescheitert? Was können wir besser machen? Wir machen die extrem wichtige Erfahrung, dass selbst die schrecklichsten Gefühle endlich und überwindbar sind. Es ist eine harte Schule. Wir lernen Strategien, die uns helfen, unsere endlosen Gedankenschlaufen zu stoppen, unsere Gefühle zu steuern und nicht jedes Mal bei ihm anzurufen, wenn uns die Sehnsucht beutelt. Wir finden, was uns hilft: Malen, Meditieren, Natur, Schreiben, Tanzen, Laufen, Yoga, aber auch sich mit Netflix ablenken. Wir lernen, den Schmerz zu mindern, indem wir ihn teilen, und erfahren, wie wichtig gute Freund:innen sind, die wir für keine Zweisamkeit der Welt vernachlässigen sollten. Wir lernen, uns mit schmerzhaften Gefühlen zu konfrontieren, damit sie die Macht verlieren. Wir hören unsere gemeinsame Lieblingsmusik wieder, erobern uns unser Lieblingslokal zurück. Wir lernen, uns nicht zu überfordern, aber auch nicht in Angst zu erstarren. Liebeskummer lohnt sich, liebe Siw!

Oskar Holzberg therapiert seit fast 30 Jahren Paare und schreibt darüber. Er sagt: "Liebe ist keine Illusion, aber wir haben zu viele Illusionen über die Liebe."

Neu in den Partner verlieben: Oskar Holzberg
Oskar Holzberg, 67, berät seit über 20 Jahren in seiner Hamburger Praxis Paare und ist seit über 30 Jahren verheiratet. Sein aktuelles Buch heißt "Neue Schlüsselsätze der Liebe" (240 S., 11 Euro, DuMont).
© Ilona Habben
Brigitte

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