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Interview mit Paarberater "Die Schmetterlinge spüren viele irgendwann nicht mehr – zum Glück!"

Beziehung: Schwäne auf dem Wasser
© OlegRi / Shutterstock
Ach, würde das Kribbeln doch nur für immer bleiben... Warum das in einer Beziehung ein ziemlich unsinniger Wunsch ist, erklärt uns Paarberater Eric Hegmann – und worauf es stattdessen ankommt.

Am Anfang ist er allein, setzt sich zaghaft auf einen Zweig des Herzens, schaut sich um. Das nächste Mal bringt er schon ein paar Freundchen mit und ehe man sich versieht, hat sich eine ganze Horde an Schmetterlingen im Bauch niedergelassen, angelockt vom süßen Nektar frischer Verliebtheit.

Rauben sie uns am Anfang noch Schlaf und Appetit, haben wir uns nach einigen Wochen schon an ihre Existenz gewöhnt. Sie sind zu beliebten Mitbewohnern geworden, deren Flattern uns durch den Alltag schweben und unsere Stimmung zu heben vermag. Umso entrüsteter sind wir, wenn die Schmetterlinge, nach und nach, beschließen weiterzuziehen. Erst kommen sie nur noch zu besonderen Anlässen zurück. Und irgendwann scheinen sie ganz fort.

Zu diesem Zeitpunkt sind die meisten Paare bereits eine Zeit lang zusammen. Man kennt sich, man ist vertraut – aber ist man auch noch verliebt?, mag sich der:die eine oder andere heimlich fragen, während er:sie mit dem Kescher auf der Lauer nach dem letzten Schmetterling liegt. Ist das Kribbeln im Bauch erstmal verschwunden, versuchen manche, es zwanghaft zurückzuholen. Andere stellen ihre Beziehung in Frage. Und wieder andere sind froh, endlich mal wieder alleine in seinem Körper zu sein. 

Letztere fahren dabei wohl die sicherste Schiene. Denn als wir von Paarberater Eric Hegmann wissen wollten, wie wir das Kribbeln in der Beziehung zurückholen können, klärte er uns auf, dass wir diesen Plan lieber unterlassen sollten. Denn das Wiederbeleben der Schmetterlinge könnte nicht nur schwer fallen – es sei auch gar nicht nötig, schließlich ginge die Liebe nach der Flatterphase erst richtig los. Na, das muss er uns aber erstmal erklären…

Manche denken sich, das wäre es mit der Liebe gewesen und suchen neue Partner, mit denen sie das Hochgefühl erneut erleben können. Aber eigentlich geht sie jetzt erst los.

Viele Menschen stellen nach der Anfangsphase ihre Beziehung in Frage: Ist es wirklich vorbei, wenn die Schmetterlinge sich zur Ruhe gesetzt haben?

Eric Hegmann: Beziehungen verlaufen in Phasen. Sie beginnen mit der Verliebtheit, der Limerenz, wenn die Partner nicht genug von einander erfahren können. Typische Symptome in dieser Zeit: Aufregung, Neugierde, Grübeln, Schwärmen, Begehren und die Furcht vor Zurückweisung. Kommt all dies zusammen, ist Verliebtheit nicht mehr nur angenehm, sondern kann auch schmerzvoll sein. Dann folgt die Vertrauensbildung. Und jetzt bereits fährt der Körper die Produktion der Liebeshormone herunter, manche denken sich dann, das wäre es mit der Liebe gewesen und suchen neue Partner, mit denen sie das Hochgefühl erneut erleben können. Aber eigentlich geht sie jetzt erst los. In der dritten Phase geht es um Commitment und Treue. Je länger die Beziehung andauert, umso geringer ist das Trennungsrisiko.

Tatsächlich?

Eigentlich sind wir jetzt in der Phase der Liebe. Man weiß einfach: Uns haut so schnell nichts aus der Bahn. Diese Ruhe und Gelassenheit drückt sich in dem Gefühl aus: Wir gehören zusammen und sind angekommen.Kurz: Die Schmetterlinge spüren viele irgendwann nicht mehr, aber bei den glücklichen Paaren werden sie ersetzt durch tiefe Verbundenheit, die sich auch in Studien zeigen lässt. Bei Langzeitpaaren, die einander wiedersehen, werden jene Hirnareale aktiviert, in denen auch Verliebtheit erkennbar ist. Auch wenn es sich anders anfühlt, es ist keineswegs weniger wertvoll.

Wie geht man mit dem Konflikt um, vor dem anderen man selbst sein zu wollen – sich aber nicht gehen zu lassen?

Ein Ansatz kann der Gedanke sein: Lässig, aber nicht nachlässig. Die meisten wünschen sich ein entspanntes Zusammensein. Gleichzeitig soll aber erkennbar sein, dass der Partner oder die Partnerin engagiert und committet in die Beziehung ist. Gibt sich jemand Mühe, dann wird das meist positiv gewertet als Einsatz für die Liebe. Das zu erleben, dass die geliebte Person aus freien Stücken mir etwas Gutes tun möchte, stimmt mich automatisch zuversichtlich, dass auch meine Mühen gewürdigt werden und ich investiere selbst. Hinzu kommt, dass wer sich vernachlässigt und beispielsweise auch auf die Gesundheit nicht achtet, Anlass für Sorge sein kann. Wer möchte schon, dass der Partner oder die Partnerin krank wird? Es geht dabei darum zu signalisieren: Ich gebe mir Mühe, dass wir auch in zehn oder zwanzig Jahren noch viel Freude miteinander haben werden.

Zu Beginn einer Beziehung fällt es leicht, 150% zu investieren. Das sollte später nicht allzu sehr nachlassen, wenn die Liebe denn anhalten soll. Beziehungspflege muss nicht anstrengend sein, aber wenn sie es denn mal wird, dann braucht es eben ein wenig mehr Ansporn. Am Ende lohnt es sich.

Es ist schon ganz gut, dass wir die Ausnahmesituation der anfänglichen Anziehungskraft nicht ununterbrochen erleben. Wir könnten gar nicht 'normal funktionieren'. Es wird anders, aber es kann eben auch noch viel besser werden.

Und kann man diese Anfangsanziehung irgendwie wiederbeleben, sei es sexuell oder romantischer Natur?

Die Anfangsanziehung kommt nicht genau wieder zurück wie sie war, denn zur Liebe gehört Wachstum, wenn eben aus Verliebtheit dieses tiefe Gefühl der Verbindung und Geborgenheit und Sicherheit kommt. Wer versucht, die Limerenz-Phase zu bewahren, macht es sich sehr schwer und vergisst, dass sich die Zeit nicht anhalten lässt. Es ist schon ganz gut, dass wir die Ausnahmesituation der anfänglichen Anziehungskraft nicht ununterbrochen erleben. Wir könnten gar nicht "normal funktionieren". Es wird anders, aber es kann eben auch noch viel besser werden, wenn man sich von dem Gedanken verabschiedet, einen Status Quo festhalten zu wollen, der sich nicht festhalten lässt. Das Leben und die Liebe sind Veränderung.

Wie lässt sich dieses Ankommen in der Phase der Verbundenheit denn erkennen?

Die tiefe Verbundenheit eines Paares zeigt sich vor allem durch eine positive, zugewandte Kommunikation. Ein Beispiel: Ein Paar läuft durch die Stadt. Sie sagt: Mir ist kalt. Er bietet ihr an, mit ihr in ihr Lieblingscafé zum Aufwärmen zu gehen. Das ist zugewandt, fürsorglich und kreativ. Sagt er aber: Ja, stimmt. Es ist kalt, dann ist das neutrale Kommunikation, die deutlich weniger Anerkennung und Aufmerksamkeit signalisiert – das, was wir uns eben vom Partner wünschen. Und sagt er womöglich: Hatte ich dir nicht gesagt, du sollst eine Jacke anziehen!, dann ist das abgewandte Kommunikation. Solange Sie zugewandt sprechen, geht es der Beziehung gut. Ist sie abgewandt, scheitern Sie statistisch zu 90 Prozent.

Kann ich dann noch etwas retten?

Zugewandte Kommunikation lässt sich lernen. Ich und viele Kollegen und Kolleginnen biete dazu Live Online Seminare, Kurse und Beziehungs-Coaching an. Je früher Paare ihre Verbindung sichern, umso dauerhafter wird sie sein. Lieber nicht warten, bis es tatsächlich kriselt, dann stehen die Chancen leider schlechter.

Investieren Sie als Paar gleichermaßen in Neues und Bewährtes. Bewährtes, um das Gefühl von Vertrautheit und Geborgenheit zu pflegen und zu feiern und Neues, um einander immer wieder in neuen Situationen zu erleben und zu erfahren. Dazu gehört auch, manchmal die Komfortzone zu verlassen und sich einen kleinen Schubs zu geben, um aus dem Energiesparmodus heraus zu kommen. Das mag manchmal schwer fallen, aber es lohnt sich!

Eric Hegmann ist Paartherapeut, Single-und Parship-Berater und Gründer der Modern Love School

Guido

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