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Amy Winehouse und Blake Fielder-Civil: Anatomie einer Liebe

Amy Winehouse und Blake Fielder-Civil: Anatomie einer Liebe
© Michael Buckner / Getty Images
Knast. Drogen. Öffentliche Selbstzerstörung. Die total verrückte Ehe von Amy Winehouse und Blake Fielder-Civil ist eine Daily Soap, die wir uns fasziniert anschauen - mal amüsiert, meist mit Schrecken.

Eigentlich hat Amy Winehouse bedeutend größere Probleme als die Liebe. Neulich zum Beispiel stimmte etwas mit ihrer Lunge nicht. Verdacht auf ein Emphysem, hieß es zunächst, und das bei einer der besten Sängerinnen des 21. Jahrhunderts. Sie wird immer dünner, weil sie vor lauter Alkohol und Crack das Essen vergisst. Schon zwei-, dreimal hat sie in diesem Jahr einen Entzug begonnen, nur um ein paar Tage später wieder beim Konsum von Crack oder Heroin gesichtet zu werden. "Wenn sie so weitermacht, wird sie sterben", prognostizierten ihre Londoner Ärzte im Juni nüchtern. Amy Winehouse, 24 Jahre alt, spielt fortgesetzt mit ihrem Leben. Was tut es da zur Sache, in welchem Zustand sich ihre Ehe befindet?

Sehr viel. Weil Blake Fielder-Civil Teil des düsteren Gesamtkunstwerks Amy Winehouse ist. Es ist eine verrückte, intensive Ehe, eine seltsame Seelenverwandtschaft zweier Individuen mit dem Hang zur Selbstzerstörung. 2005 haben sich die beiden im Pub "The Good Mixer" im Londoner Stadtteil Camden kennen gelernt: eine Kneipen-Liebe. Sie waren kurz ein Paar, dann ließ Fielder-Civil sie für eine andere sitzen. Winehouse war am Boden zerstört, schrieb für das Album "Back To Black" lauter traurige Liebeslieder und wurde damit zum Weltstar. Das schien ihm zu imponieren: Im Frühjahr 2007, 18 Monate nach der Trennung, klopfte er wieder an. Ein paar Wochen später heirateten sie heimlich in Miami. Nach einem halben Jahr wurden sie schon wieder getrennt, unfreiwillig.

Pentonville Prison, Caledonian Road, North London - das war die letzte feste Adresse von Blake Fielder-Civil. Seit November letzten Jahres saß der 26-Jährige im Gefängnis ein. Er hatte einem Barkeeper das Jochbein zertrümmert, dazu kommt eine Anklage wegen Irreführung der Justizbehörden: Fielder-Civil hat gestanden, versucht zu haben, das Opfer zu bestechen und so von einer Aussage abzuhalten. Den größeren Teil von 14 Monaten Ehe mit Amy Winehouse hat er aus diesem Grund ohne sie verbracht.

Winehouse war anfangs komplett verzweifelt, Gerüchte machten die Runde von einem beidseitigen Selbstmordpakt, die beiden klammerten sich aneinander wie Schiffbrüchige. Das macht Sinn, schließlich ist die Welt um sie herum gegen sie - es finden sich kaum Fürsprecher für diese Beziehung. Zu viele Drogen haben sie zusammen zu sich genommen, zu laut gestritten, zu öffentlich geliebt. Und die beiden Junkies haben die Geschwindigkeit ihres eigenen Verfalls verdoppelt, seit sie zusammen sind. Abgesehen davon, dass selbst Freunde des Gatten an der Aufrichtigkeit seiner Gefühle zweifeln.

Einige Bekannten nennen Fielder-Civil, ein ehemaliger Assistent bei Musikvideodrehs, "Anna Nicole Smith", weil er angeblich vor allem hinter dem 13-Millionen-Euro-Vermögen des Soulstars her sei - es gibt keinen Ehevertrag, natürlich nicht, bei einer derart chaotischen Beziehung, die nicht von Kontrakten, sondern von Liebesschwüren lebt: Als Amy Winehouse im Februar fünf Grammys gewann, bedachte sie ihren Mann traurig in ihrer Dankesrede: "Für meine Mutter und meinen Vater, für meinen Blake, meinen eingesperrten Blake."

Später sagte sie, sie wolle ihr Ehegelöbnis feierlich erneuern, wenn Fielder-Civil aus der Haft entlassen wird. Und ein Baby haben, sofort. Dann heißt es wieder, sie habe Affären, zum Beispiel mit dem Musiker und notorischen Junkie Pete Doherty. Ende April verkündete das britische Boulevard-Blatt "The Sun" vorwitzig die bevorstehende Scheidung des Trauma- Paares, Wochen später war zu lesen, Amy hätte ihren Mann weder an seinem Geburtstag noch am Hochzeitstag im Knast besucht. In der einen Meldung heißt es, Fielder-Civil sei inzwischen clean, in der nächsten, Winehouse würde ihn für 1000 Pfund in der Woche mit Stoff versorgen.

Die Ehe der Amy Winehouse ist wie eine Daily Soap mit immer neuen melodramatischen Wendungen. Und die beiden dementieren nichts. Vermutlich deshalb, weil die haarsträubenden Gerüchte aus dubiosen Quellen das Paar in dem aufregenden Gefühl bestärken: wir beide gegen die Justiz, gegen die Paparazzi, gegen die Öffentlichkeit. Wir gegen den Rest der Welt: In abgemilderter Form kennt dieses Gefühl jeder, der schon mal verliebt war. Man schottet sich ab, vergisst zu essen, idealisiert den anderen, man fühlt sich wie auf Droge. Und vielleicht leben die Eheleute Winehouse/Fielder-Civil ihre eigene übersteigerte Version des Verliebtseins, ein Gefühl, dem die beiden Süchtigen offenbar verfallen sind. Und wie alle Süchtigen brauchen sie immer stärkere Kicks. Warum ist Amy Winehouse diesem Mann so verfallen? Glaubt sie unbewusst, sie habe nichts Besseres verdient? Ist es die Fortsetzung einer pubertären Rebellion, so wie damals mit 15, als sie sich ihr erstes Tattoo stechen ließ?

Eine nüchterne Prognose für dieses Partnerschaftsmodell lässt sich kaum stellen. Sagt jedenfalls Dr. Manfred Lütz. Der Psychiater ist Bestsellerautor ("Gott: Eine kleine Geschichte des Größten") und Chefarzt des Alexianer-Krankenhauses in Köln, das auf die Therapie Drogenabhängiger spezialisiert ist. Bei einer Knastbeziehung bestehe die Möglichkeit, "dass der Partner draußen im Alleinsein eine gewisse Erdverbundenheit entwickelt". Die dann dazu führt, dass man sich an das hält, was man wirklich haben kann - ein Partner im Gefängnis gehört nicht dazu. Es kann aber auch zu einer gegenteiligen Entwicklung kommen. "Womöglich empfinden manche Paare einen Aufenthalt im Knast als das Salz in der Suppe", sagt Lütz, "gerade in einer von Drogen geprägten Beziehung kann ein solcher Einschnitt dazu führen, dass die Partnerschaft eine Intensität bekommt, die sie vorher nie hatte."

Auch wenn dies eine Liebe am Abgrund ist - scheitern muss sie nicht. Es heißt, Blake Fielder-Civil sei im Gefängnis ernster geworden, sogar religiös. Entwickelt er wirklich unter diesen denkbar ungünstigen Umständen die Stärke, Amy Winehouse von ihrem selbstmörderischen Trip zu holen? iner dieser traurigen Songs, die Amy Winehouse nach der ersten Trennung von Blake Fielder-Civil geschrieben hat, heißt "Love Is A Losing Game", die Liebe als Spiel, das man nur verlieren kann. Vielleicht aber gewinnt sie diesmal, weil sie alles auf eine Karte gesetzt hat.

BRIGITTE 16/08 Text: Stephan Bartels Foto: PR Photos

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