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Affäre rettet Ehe: "Außenstehende verstehen unsere neue Beziehung nicht"

Affäre rettet Ehe: Ein Geständnis
© VGstockstudio / Shutterstock
"Ihr Mann schläft mit meiner Freundin" ... sagte die Stimme am Telefon. Und jetzt? Statt sich zu trennen, kratzten BRIGITTE-Autorin Katja Lewina, 34, und ihr Mann ihre Herzen voreinander aus - und fanden einen Weg

Das Baby schlief endlich, ich hatte mir gerade einen Kaffee aufgesetzt – als das Telefon klingelte. "Sind Sie die Frau von …?", fragte eine mir unbekannte männliche Stimme. Gleich muss ich meinen halb totgefahrenen Mann im Krankenhaus aufsammeln, dachte ich. "Ihr Mann schläft mit meiner Freundin. Schon seit Monaten." Stille. "Ich finde, Sie sollten das wissen." Der ist verrückt, dachte ich. Drei süße Kinder, große Wohnung, so gut wie nie Streit und nach all den Jahren immer noch Spaß im Bett. Das würde mein Mann nie aufs Spiel setzen! Gut, wir guckten lieber Netflix, als uns auf Partys rumzutreiben, und unsere Gespräche drehten sich vermutlich viel zu oft um nächtliches Einpullern und Trotzphasen, aber wem bitte schön ging es anders? Dann begann die Stimme zu weinen und mir Name und Telefonnummer der anderen Frau zu diktieren. Die Wahrheit starrte mich jetzt von einem gekritzelten Blatt Papier aus an. Und ich hatte absolut nichts davon mitbekommen.

Was soll ich ihm jetzt noch glauben?

An diesem Tag hätte mit allem Schluss sein können, mit unserem Einschlafen Rücken an Rücken, den Schaukelnachmittagen zu fünft, dem geplanten Familienurlaub. Er hatte ja nicht nur ein Kapitalverbrechen begangen. Viel schlimmer: Ich wusste nicht mal mehr, was ich ihm überhaupt noch glauben sollte. Erst hatte er wahnsinnig viele Aufträge, dann brauchte er immer wieder Zeit für sich. So eine verlogene Scheiße!

Die folgenden Monate verbrachten wir im Zwiegespräch und kratzten unter reichlichem Tränenfluss unsere Herzen voreinander aus. Denn wenn wir eins gelernt hatten, dann, dass wir in unserer Wohlfühlblase einen Dreck voneinander wussten: Hätte sich einer von uns je getraut zu sagen "Mir fehlt etwas in meinem Leben"? Oder "Unser perfekter Alltag erdrückt mich"? Jetzt aber, wo das Unvorstellbare real geworden war, konnten wir nur noch radikal ehrlich zueinander sein – was wir wollten, wie wir es wollten und mit wem. Es war, als würden wir unser altes Zusammenleben wie eine Kruste von uns abstreifen und uns erstmals so sehen, wie wir wirklich waren. Irgendwann machte sich so etwas wie Dankbarkeit in mir breit. Verstörenderweise, sicher. Und dennoch: Wäre mein Mann nicht fremdgegangen, hätten wir diese Erfahrung so nicht gemacht.

Dass wir beide auch Lust auf andere Menschen hatten, war in dieser Zeit höchstens theoretisch ein Thema. Die Wunde war immerhin noch frisch, und wir beide hatten Angst davor, was Intimität mit anderen mit uns beiden machen würde. Doch ein paar Monate später verknallte ich mich ziemlich heftig in einen gemeinsamen Bekannten. Und weil wir inzwischen an unsere Ehrlichkeit gewöhnt waren, wusste mein Mann von jeder noch so kleinen Gefühlsregung in meinem Inneren. Aber wollte ich das? Konnte ich das? "Was soll’s. Ich hab’s auch getan, also werde ich dich nicht davon abhalten", sagte er dann allen Ernstes.

Jeder muss seine eigenen Regeln machen

Seit fünf Jahren leben wir jetzt in einer offenen Beziehung. Natürlich waren wir zuerst fast schon lähmend eifersüchtig, natürlich mussten wir Grenzen ausloten, um uns zu schützen, um unsere Familie zu schützen. Anfangs war es uns wichtig, dass keiner von uns woanders übernachtet oder dass keine Dates in unsere Wohnung kommen. Parallelbeziehungen wollten wir erst recht nicht führen, also versuchten wir eine Weile, niemanden allzu regelmäßig zu treffen. Doch eine offene Beziehung ohne Gefühle für einen zweiten Menschen ist unmöglich. Je sicherer wir uns also in unserem neuen Konstrukt fühlten, desto weniger Bremsklötze brauchten wir.

Heute heißt es nur noch: In unser Bett kommt niemand anderes. Ansonsten ist wirklich alles erlaubt. Urlaube, One-Night-Stands, Wochenendtrips. Und ja, seit einem Jahr habe ich sogar einen festen Freund. Und ja, den auch unsere gemeinsamen Kinder als meinen zweiten Partner kennen und mögen. Klar mussten wir es erst erklären, dass man eben mehrere Menschen gleichzeitig lieben kann. Dass wir über unser Liebesleben ehrlich und offen reden, ist für unsere Kinder ja inzwischen auch völlig normal. Und nein, ich muss und will mich nicht immer dafür rechtfertigen, auch wenn das für viele Außenstehende schwer nachzuvollziehen ist – am Ende ist das auch einfach nicht mehr unser Problem.

Wir sind heute ehrlicherweise glücklicher, als wir uns das je hätten vorstellen können. Nicht nur, weil wir die Freiheit genießen, mit anderen Menschen alles tun und lassen zu können, was wir wollen. Sondern auch, weil wir wissen, dass unsere Beziehung nicht mal an Gefühlen für andere zerbricht.

Brigitte 11/2019

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