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Coronakrise So hat sich die Pandemie auf meine Affäre ausgewirkt

Affäre: Mann und Frau schauen sich an
© Anna Pasichnyk / Shutterstock
Meike hat eine Affäre mit einem Familienvater. Doch gerade als er reinen Tisch machen will, hängt er in seiner Wohnung und seinem alten Leben fest.
Anne Dittmann

Es sollte nur ein Kuss sein. Ich wusste, dass Tom zwei Kinder und eine Partnerin hatte. Dieser Kuss war nicht mehr als dieser Moment, eine Ausnahme in einer Bar. Tom sagte, dass seine Grenze erreicht war und er es dabei belassen wolle. Das war’s, kein Problem, sagte ich. Doch seine Grenze verschob sich bei jedem Treffen immer mehr. Bis wir uns eine Affäre mit digitalen Parallelleben aufgebaut hatten: Wir sahen uns mindestens einmal die Woche, geschlafen hat er nie bei mir. Dafür fand ich immer eine "Guten Morgen"-Nachricht auf meinem Handy. Auch auf der Arbeit schrieben wir uns und konnten so konstant unsere Tage miteinander verbringen – nur eben digital.

Meine Affäre – Ein digitales Parallelleben

Doch im Januar dieses Jahres wurde mir klar, dass ich das Gesamtpaket wollte. Er sagte, in einem Paralleluniversum wäre er gern mein Gesamtpaket gewesen. Wir machten Schluss, ein sauberer Abschluss – wenn Tom nicht ein paar Tage später vor meiner Haustür gestanden hätte. "Die einzige Frage, die du dir beantworten musst: Sie oder ich? Alles andere schaffen wir irgendwie", sagte ich. Ende Februar hatte er sich entschieden. Doch wieder mussten wir warten, weil im März ein wichtiger Familientag für seine Kinder anstand. April also endlich reinen Tisch machen. Und dann? Kam Corona, überrollte unsere aufkeimende Beziehung, und Tom war für mich plötzlich kaum erreichbar. Er war doch mein Partner, wir waren dabei, es offiziell zu machen, dieser Beziehung den Raum zu geben, der sich für uns richtig anfühlt! Stattdessen schrumpfte unser Raum. Kein digitales Parallelleben, nur noch winzige Zeitinseln. Momente, in denen Tom kurz draußen war oder sich im Badezimmer einschloss und mir schrieb, wie sehr er mich vermisste – während die Kinder gegen die Tür klopften. Ich legte mein Telefon nicht mehr aus der Hand, wie eine Süchtige, um bloß nichts zu verpassen.

Plötzlich sagte er, dass er in dieser Situation seine Familie nicht im Stich lassen könne. Keiner von beiden könnte die Kinder allein betreuen und gleichzeitig arbeiten. Doch, doch, er wollte sich noch trennen, aber wann? Unklar. Die Ungewissheit, das Eingesperrtsein, der Stress, keine Ablenkung, keine Umarmung, kein Tom. Sie lebten ihr Leben plötzlich weiter – und ich musste von draußen zusehen. Und wenn er sich mit seiner Frau plötzlich doch noch zusammenrauft? Verbunden in der Krise, mit der Familie vereint? Mein Körper reagierte mit Panikattacken. An einem Abend ließ ich eine Tasse fallen. Sie zersprang – und ich irgendwie auch. Ich saß auf dem Boden und weinte wie noch nie. Warum sollte ich je wieder aufstehen? Für wen?

Zusammen für den Rest des Lebens

Für Tom war es anders, aber genauso schlimm. Die letzten Jahre konnten er und seine Frau sich aus dem Weg gehen. Nun hockten sie aufeinander in ihrer kleinen Stadtwohnung und sollten als Team Homeoffice und Homeschooling möglich machen. Sie stritten heftig, mitten in der Quarantäne dann der Bruch – endlich. Nach einem Streit sagte er, dass er sich trennt und mit mir zusammen sein will. Zwei Tage später zog er aus.

Seitdem wohnt er bei mir, Zeit zu zweit haben wir trotzdem wenig. Tagsüber geht er arbeiten, abends fährt er zu seiner Ex-Partnerin, um die Kinder zu betreuen. Wenn er spätabends bei mir ist, bin ich seine emotionale Stütze. Sie streiten sich viel, die Vorwürfe und gleichzeitig der Wunsch, es nicht vor den Kindern auszutragen – doch wie soll das gehen in einem Haus, in dem die meiste Zeit des Tages alle aufeinanderhocken? Gerade die Situation seiner Ex stelle ich mir sehr schlimm vor. Liebeskummer und keinen Raum, um ungestört zu weinen, ohne dass die Kinder ihr dabei zusehen. Es hilft sicher, dass Tom seit den Lockerungen mit den Kids übers Wochenende zu seinen Eltern fährt. Wobei (darf ich das sagen?) uns das natürlich auch wieder Zeit raubt. Aber alles wird sich beruhigen, hoffentlich, irgendwann. Und wir können endlich den Rest unseres Lebens miteinander starten.

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BRIGITTE 15/2020

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