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#neueoffenheit "Ich bin eine alte Jungfer"

#neueoffenheit: Malin Lindroth
"Auch ich hatte mal gehofft, die romantische Liebe zu finden, aber es hat sich einfach nicht ergeben."
© Jewgeni Roppel
Und das meint sie nicht negativ: die schwedische Autorin und Dramaturgin Malin Lindroth, 56, war in ihrem Leben fast immer Single.

Als ich mich selbst eine "alte Jungfer" nannte – in einem Essay*, den ich erstmals 2018 in Schweden veröffentlicht habe – hat das einige Leute sehr provoziert. Sie fanden, man solle nicht so eine abfällige Bezeichnung benutzen, schon gar nicht für sich selbst.

Aber ich habe diesen Ausdruck mit voller Absicht verwendet. Weil ich ein negativ gemeintes Wort zurückerobern wollte. So, wie die Homosexuellen ursprünglich sie schmähende Bezeichnungen für sich reklamiert haben, um sie dann mit Stolz zu sagen. Zu der "alten Jungfer" gibt es kein männliches Äquivalent. Das liegt daran, dass in unserer sozialen und kulturellen Norm immer noch eingeschrieben ist, dass Frauen durch den männlichen Blick definiert werden. Diese Norm ist so stark, dass man einen Vorschlaghammer braucht, um sie zu zerstören.

Ich bin also eine alte Jungfer, und da ist nichts Schlimmes dran. Ich war fast mein Leben lang immer ohne Partner und nur mit Anfang 20 mal vier Jahre in einer Beziehung. Ich kann allerdings auch nicht die Geschichte erzählen, die die Gesellschaft von einer Single-Frau hören will: Dass es alles freiwillig ist, dass ich meine Freiheit und das Alleinsein jederzeit genieße und nie auf der Suche war.

Ich war in den vergangenen 30 Jahren öfter verliebt, ich bin ebenso oft abgewiesen worden. Ich bin ein glücklicher Mensch, es gibt viele gute Dinge in meinem Leben.

Aber ich finde es durchaus traurig, dass ich bestimmte Erfahrungen nicht habe und vielleicht nie haben werde. Auch ich hatte gehofft, romantische Liebe zu finden, aber es hat sich einfach nicht ergeben. Aber die Idee, dass man im Leben immer die freie Wahl hat, ist in unserer Gesellschaft populärer.

Ich habe mich früher geschämt, dass dem nicht so war. Dabei gibt es nichts, wofür man sich schämen muss. Es ist einfach, was es ist. Trotzdem ist die alte Jungfer ein Stigma. Sie findet in der Öffentlichkeit kaum statt. Wenn wir anfangen, von ihnen zu erzählen, von den glücklichen wie unglücklichen Jungfern, können wir dieses Stigma beenden. Und wenn wir akzeptieren, dass eine Beziehung nichts ist, was einen definiert, sondern ein Leben immer aus verschiedenen Komponenten besteht.

*Das Buch ist 2020 unter dem Titel "Ungebunden" auch auf deutsch erschienen (mit einem Vorwort von Teresa Bücker, 108 S., 12 Euro, Piper)

Protokoll: Sonja Niemann Brigitte

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